Nach sechs Jahren kann eine äußerst positive Bilanz gezogen werden. Der Boxclub Esch hat mit 110 Mitgliedern, davon rund 60 aktive Kinder und Jugendliche, aus dem Nichts zu stattlicher Größe gefunden. Die hohe Anzahl an Nachwuchsboxern mag erstaunen. Gehören nicht eher Fußball oder andere Mannschaftssportarten zu jenen Disziplinen, die Kinder und Eltern bevorzugen? Haftet dem Boxen nicht der Hauch des Verruchten oder gar Gefährlichen an? Ist der Individualsport Boxen überhaupt für Kinder und Jugendliche zu empfehlen? Das Tageblatt ging diesen Fragen nach.

„Es ist unser Vorhaben, den Boxsport in Esch wieder groß zu machen. Um dieses Ziel nachhaltig zu erreichen, brauchen wir Nachwuchs. Boxen ist ein Sport, den Kinder und Jugendliche meist als ‚cool‘ ansehen. Seine günstigen Auswirkungen, z.B. auf die Grundmotorik, Konzentration und Koordination, sind wissenschaftlich unbestritten“, sagt Klubpräsident Boris Molitor. Auch das soziale Lernen sollte nicht unterschätzt werden. Man könne also Jugendlichen das Boxen guten Gewissens empfehlen. „Vorausgesetzt natürlich, sie haben Lust dazu. Von mir gibt es ein klares Ja zum Kinder- und Jugendboxen“, sagt Molitor. Der gelernte Sozialpädagoge weiß um die Wichtigkeit von sportlicher Betätigung besonders für Kinder und Jugendliche. So stehen dann auch beim Escher Boxclub Freude und Spaß an der Bewegung im Vordergrund.
Das Boxen bietet ein vielseitiges Ganzkörpertraining, fördert Ausdauer, Kraft und Schnelligkeit. „Bei aller Begeisterung darf man allerdings nicht vergessen, dass Boxen ein Individualsport ist, der von jedem Einzelnen strenge Disziplin und das strikte Einhalten von Regeln verlangt. Und Gehorsam“, unterstreicht Molitor. Auch wenn das nicht besonders demokratisch klinge, erwiesen sich diese Grundsätze für den Nachwuchssportler nicht nur bei späteren Wettkämpfen von großem Nutzen. „Für mich sind auch absolute Pünktlichkeit genau wie aufgeräumte Umkleidekabinen ein Muss“, fügt Molitor an.

Inklusion und soziale Rolle
Zum ersten Training der Saison sind 23 Jugendliche und an die 35 Kinder aus rund zehn Nationen erschienen. „In vielen Herkunftsländern hat der Boxsport einen sehr hohen Stellenwert. Unser Club steht für Inklusion und Gemeinschaft. Egal woher die Kinder und Jugendlichen kommen, gleichgültig welcher sozialen Schicht sie angehören, hier bieten wir ihnen ein positives Umfeld, sie finden Anschluss und werden in all unsere Aktivitäten einbezogen“, erläutert Molitor. Und Trainer Georges Weber, früher selbst aktiver Freizeitboxer, fügt hinzu: „Noch sind wir im Brill-Viertel beheimatet und spielen dementsprechend eine wichtige soziale Rolle. Viele unserer Nachwuchssportler kommen aus diesem Viertel, doch mittlerweile reicht unser guter Ruf weit über dessen Grenzen hinaus. Wir geben den Kindern und Jugendlichen ein Ziel. Der Respekt vor dem Mitmenschen ist für uns ein wesentliches Thema.“ So lerne der Nachwuchs dann auch, dass Boxen nicht bloßes Draufloshauen sei. Das Gelernte, privat auf der Straße anzuwenden, sei absolut tabu. Immer wieder bemerke er, in welchem Maße das Boxen das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl bei den Jugendlichen stärke. Dies gelte gleicherweise für die Willenskraft und die Durchsetzungsfähigkeit. Kindertrainerin und Vereinstrainerin Tammy Stemper haut in dieselbe Kerbe: „Ich behalte aber stets vor Augen, dass Boxen ein Sport ist. Und Sport sollte Vergnügen bereiten. Deshalb gehen wir bei unseren 8- bis 12-Jährigen in vielerlei Hinsicht spielerisch an die Trainingsaufgaben heran.“ Aber dennoch mit dem gebotenen Ernst. Denn auch bei den Kleinen kämen schon mal die Boxhandschuhe zum Einsatz. „Wir bemühen uns, ihre Motivation hochzuhalten und haben kaum Abgänge zu beklagen“, so Stemper.
Auch der Allgemeinmediziner Dr. Henri Beck hat keine Einwände gegen das Kinder- und Jugendboxen. „Das Boxen erfordert eine gute Fitness und so ist das Training sehr bewegungsintensiv. Dies wirkt sich natürlich vorteilhaft auf die Gesundheit aus“, sagt der Arzt. Gefährlich sei Boxen auf diesem Niveau keinesfalls. In den angesprochenen Alterskategorien komme es kaum zu wirklich harten Schlägen. Im Vergleich zu anderen Sportarten handele es sich um eine äußerst verletzungsarme Disziplin. Interessant sei, dass unter anderem individuelle Aggressionen in geregelte Bahnen gelenkt werden könnten. „Es beeindruckt mich immer wieder, zu welchen positiven Entwicklungen es dank eines regelmäßigen Trainings bei unruhigen und unkonzentrierten Kindern und Jugendlichen kommt“, so Beck.
Disziplin und strikte Regeln
Doch was sagen die Jugendlichen selbst zu „ihrem“ Sport und ihrer Motivation? Die fast 17-jährige Ines ist schon bei Demokämpfen in den Ring gestiegen. „Boxen ist für mich ein Sport mit hohen Ansprüchen und Prinzipien, die mir entgegenkommen. Besonders schätze ich, dass das Training mir eine so volle Konzentration abverlangt, dass ich alles vergesse, was mich belastet“, sagt Ines. Die Atmosphäre im Klub sei bereichernd. Genau wie am ersten Tag sei sie immer noch voll motiviert und trainiere fast täglich. Ihr Ziel ist es, sich weiter zu verbessern und bei Wettkämpfen gut abzuschneiden. „Täglich zu trainieren, ist bei der Vorbereitung auf Wettkämpfe allerdings oft schwer mit der Prüfungszeit in der Schule zu vereinbaren“, wirft der ebenfalls fast 17-jährige Amer ein, der auch schon verschiedene Kämpfe bestritten hat und Boxer werden will. „Ich muss mich in Sachen Gewicht schon sehr beherrschen, doch das Boxen bereitet mir dann immer wieder Genugtuung und entschädigt mich für alles. Meine Motivation ist intakt“, so Amer. Das ganze Umfeld, die Freunde und Sportkollegen bedeuten ihm viel. Das möchte er nicht mehr missen. „Auch schätze ich, dass unsere Coaches immer für uns da sind und unseren Bedürfnissen Rechnung tragen.“

Der Escher Boxclub ist erfolgreich und um Nachwuchs nicht verlegen. Was würde der erfolgreiche Präsident Boris Molitor zusammen mit seinen vier ehrenamtlichen Trainern und seinem Vorstand dennoch bei der Jugendarbeit ändern? „Eingeteilt ist der Nachwuchs aktuell in zwei Gruppen. Die Kindergruppe umfasst die 8- bis 12-Jährigen und die Jugendgruppe die 12- bis 18-Jährigen. Mir schwebt eine dritte Gruppe von 10- bis 14-Jährigen vor. Denn zu groß sind doch oft die Unterschiede, was mentale Reife, Körpergröße und Gewicht anbelangt.“ Dies sei aber zurzeit aus Platzmangel sehr schwierig umzusetzen, sagt der Präsident und Trainer in Personalunion. Die Jugend bei der Stange zu halten, sei zudem eine echte Herausforderung. Denn: „Die jungen Boxer dürfen bis zum Alter von 16 Jahren leider keine Wettkämpfe bestreiten. Es ist nicht besonders motivierend, acht Jahre lang nur trainieren zu dürfen, sich nicht mit anderen messen oder in der Öffentlichkeit auftreten zu können.“ Eine Änderung dieser Regel würde die Jugendarbeit sicherlich erleichtern und den Boxsport für junge Leute attraktiver machen, so Molitor. „Man stelle sich mal vor, ein Kinder- oder Jugendfußballer hätte seinen ersten Auftritt erst mit 16. Wie stände es dann dort um den Nachwuchs?“
Wäre es dem Escher Boxclub möglich, eine dritte Mannschaft aufzustellen, könnte das Leichtkontaktboxen, auch „boxe éducative“ genannt, ins Programm genommen werden. Dieses lässt Kämpfe und Vergleichsmöglichkeiten zu. Es handelt sich um eine Boxvariante, die harte Treffer verbietet, nur leichte, kontrollierte Schläge erlaubt und besonders effizient in der Gewaltprävention ist. Vielleicht geht ja dieser Wunsch mit dem Umzug des Klubs in die neue Sporthalle in Erfüllung.
De Maart














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