Sonntag19. Oktober 2025

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Ausstellung von La QueerdomJenseits von Glitzer und Glamour: Drag als Kunst des Widerstands

Ausstellung von La Queerdom / Jenseits von Glitzer und Glamour: Drag als Kunst des Widerstands
Eines der Gruppenfotos im Rainbow Center: Zu sehen sind Mitglieder von La Queerdom Foto: Laura Giacomini

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Drag wird häufig mit Queens verbunden. Mit Glitzer und Drama, aufwendig gestylten Perücken und unendlich langen Wimpern. Kings, Fantasiewesen und Monster? Kaum präsent, in Luxemburg bislang inexistent. Einblicke in eine Welt jenseits des Drag-Mainstreams.

Wenn Eros mit Kunstblut oder Teufelshörnern auftritt, ist man weit entfernt vom klassischen Bild, das Massenmedien von Drag vermitteln. Drag – diese Kunstform, die sich im weiten Sinne durch eine übertriebene oder auf die Spitze getriebene Inszenierung von Genderrollen auszeichnet – wird in Luxemburg und auch weltweit meistens mit männlich gelesenen Personen verbunden, die bei Auftritten in eine feminine Rolle schlüpfen. Sehr oft handelt es sich um homosexuelle Cis-Männer. Ob lokale Shows oder Franchises wie der beliebte US-amerikanische Wettbewerb „RuPaul’s Drag Race“, die Dragqueens begeistern und polarisieren zugleich und sind im Mainstream angekommen. Dagegen führen Dragkings, das männlich gelesene Pendant, aber auch beispielsweise Queens, deren Erscheinung von den genannten Attributen abweicht, ein Schattendasein.

Was ist eigentlich Männlichkeit? Was ist Weiblichkeit?

Eros, Dragking

Eros möchte mit seiner Kunst zum Nachdenken anregen
Eros möchte mit seiner Kunst zum Nachdenken anregen Foto: La Queerdom/Psykhart

Im Schatten fühlt sich Eros auch wohl. Vielleicht wohler als auf einer Bühne mit Party, Glitzer und Glamour. „Um ehrlich zu sein, gab es lange nie Drag-Shows in der Umgebung“, sagt Eros, der den Kollektiven La Queerdom aus Metz und House of Saint Trinity aus Nancy angehört. „Ich kannte die Queens aus den Medien, aber habe mich da nie wirklich wiedergefunden.“

Als Eros vor drei Jahren zum ersten Mal einen Auftritt von La Queerdom in „Les Frigos“ in Metz sah, wurde deutlich: Es gibt noch eine andere Welt im Kosmos des Drag. Dunkle Gestalten mit weiß geschminktem Gesicht, Performances, die nicht ausschließlich bunt und extravagant sind, sogar unbequeme Themen behandeln: Dies war auch das Geburtsjahr von Eros, einer Figur, die Licht und Dunkelheit, Subversion und Sanftheit in sich vereint, Geschichten erzählt, häufig zu melancholischen Songs auftritt, auch unangenehmen oder schmerzvollen Emotionen freien Lauf lässt. Eros identifiziert sich gerne mit der Figur des Clowns. „Für mich ist der Clown eine Mischung aus Freude und diesem etwas unbequemen Aspekt.“ Seine Kunst bezeichnet er als feministisch und Horror-bezogen. „Neben dem Humor gibt es ein Element der Angst. Man denke da unter anderem an bestimmte Horrorfilme. Und nicht zuletzt stellt der Clown für mich eine Maske dar, die man in der Gesellschaft trägt.“

Ein Werk von Kassia alias Eros
Ein Werk von Kassia alias Eros Foto: Laura Giacomini

Hinter der Maske verbirgt sich Kassia, eine Person auch abseits der Bühne ihren Überzeugungen treu bleibt. Kassia hat sich schon immer für Fotografie, Malerei, Make-up-Kunst und das Erschaffen von Figuren begeistert und ist dank Drag auch in Kontakt mit weiteren queeren Personen getreten. Diese Kunstform sei für die überzeugte Feministin von der Essenz her ein Hinterfragen: von Normen, Stereotypen, Konventionen. Kassia spricht von Dekonstruktion von Genderrollen: „Als Dragking oder Kreatur möchte ich eine andere Form von Männlichkeit darstellen, die sich jenseits der gängigen Klischees bewegt. Als Eros bin ich sozusagen ein ,femininer Mann‘. Ich arbeite beispielsweise gerne mit Lingerie oder anderen Elementen, die traditionell mit Weiblichkeit verbunden werden. Daraus stellt sich die Frage: Was ist eigentlich Männlichkeit? Was ist Weiblichkeit?“

Drag kann sowohl kreative Performance als auch Ausdruck der Gender-Identität sein. Letzteres war bei Eros zu Beginn der Fall. In einer zweiten Phase ging es darum, auf Missstände aufmerksam zu machen, sich die Frage zu stellen, was das, was man vor dem Publikum vorträgt, bei den Leuten auslöst. Kassia lebt vegan und ist sehr sensibel gegenüber Ungerechtigkeiten jeder Art. So sollen die ausgestellten Kunstwerke Menschen sensibilisieren, beispielsweise für Tierleid in der Lebensmittelindustrie. Kassia hofft darauf, die Besucher zu berühren und dazu zu bewegen, sich zu informieren.

Raum für marginalisierte Gruppen

Werke von Charlie Moussonne
Werke von Charlie Moussonne Foto: Laura Giacomini

Eros ist eines der Mitglieder des Kollektivs La Queerdom, deren Kunstwerke zurzeit im hauptstädtischen Rainbow Center ausgestellt sind. Die Gruppe setzt sich aus etwas mehr als zehn Künstlern zusammen und ist für ihre engagierten, kritischen, häufig düsteren Drag-Shows mit Hang zum Fantasy-Bereich bekannt. „Sowohl abstoßend als auch grotesk, düster als auch glitzernd“, heißt es laut Eigenbeschreibung des 2021 gegründeten und bisher einzigen Drag-Kollektivs aus Metz. Raum für künstlerischen und militanten Ausdruck soll vor allem marginalisierten Bevölkerungsgruppen geboten werden, wie People of color, neurodivergenten und Trans-Personen. Letztere stellen nach wie vor eine Minderheit im Drag dar. Das Verhältnis zwischen beiden Bevölkerungsgruppen war nicht immer einfach. Während Drag Performancekunst und das Spielen einer anderen Rolle ist, ist Transgeschlechtlichkeit eine Identität, die man nicht wie ein Kostüm im Alltag ablegen kann. Dennoch werden die beiden Begriffe vor allem in Luxemburg nach wie vor miteinander vermischt – man erinnere sich an die Debatten rund um Tatta Tom, bei der plötzlich die Rede von Geschlechter- oder Trans-Identität war, wobei Tatta Tom die Kunstfigur eines Mannes ist, die Kindern Bücher vorliest, demzufolge sogar weniger mit Drag als mit Travestiekunst verbunden sein kann. Die beiden Begriffe müssen sich nicht ausschließen, Trans-Personen, die im Drag aktiv sind, bleiben jedoch nach wie vor eine Minderheit.

In Gruppierungen wie La Queerdom bekommen Trans- und nichtbinäre Kreative, Kings, Queers, Monster, Clowns usw. einen Platz, um auf Missstände aufmerksam zu machen, Genderrollen zu hinterfragen, Gesellschaftskritik auszuüben. Wie das Kollektiv selber schreibt: „Drag ist keine Bedrohung, sondern eine künstlerische, politische, radikale Antwort auf eine Welt, die versucht, Menschen zum Schweigen zu bringen, glattzubügeln und in Normen zu zwängen.“ Und in Zeiten des Aufkommens des Rechtsextremismus werden radikale Künstler mehr denn je gebraucht.

Wo?

Aktuell zu sehen im Rainbow Center (19, rue du St-Esprit, 1475 Luxemburg-Stadt)