FinanzplatzIWF-Studie: Was andere Steuerregeln für Unternehmen Luxemburg kosten könnten

Finanzplatz / IWF-Studie: Was andere Steuerregeln für Unternehmen Luxemburg kosten könnten
Im Jahr 2019 zählte Luxemburg 45.613 „Soparfis“ (Zweckgesellschaften) Foto:  ????

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Unter anderem attraktive Steuervorschriften haben dazu beigetragen, aus Luxemburg einen Standort für international tätige Unternehmen zu machen. Nun stehen einige dieser Regelungen unter Druck. Das Land droht Steuereinnahmen von Unternehmen zu verlieren. Das geht aus einem Arbeitspapier des Internationalen Währungsfonds (IWF) hervor. Untersucht wurde, welches Gewicht dieser Sektor für die Wirtschaft des Großherzogtums darstellt, und was die Risiken sind.

In der Corona-Krise ist die Verschuldung der Staaten stark gestiegen. Sobald die Krise vorbei ist, wird die Suche nach Geldern, um das Finanzdesaster zu finanzieren, losgehen. Auch nach der Finanzkrise von 2008 war dies passiert. Ins Visier geraten waren damals Steuerhinterziehung und Bankgeheimnis. Nur wenige Jahre später war das traditionelle Bankgeheimnis Teil der Geschichte, sowohl in der Schweiz als auch in Luxemburg.

Wohin der diesbezügliche Weg nach Corona gehen wird, ist bereits jetzt klar. Ins Visier geraten dürften vor allem die Steueroptimierungspraktiken von globalen Konzernen. OpenLux lässt grüßen. Bereits seit mehreren Jahren wird, angestoßen von den G20-Ländern, am Thema gearbeitet (Stichwort BEPS). Luxemburg wird die noch zu formulierenden neuen Regeln akzeptieren. Das Land will nicht wieder als „Steuerparadies“ gebrandmarkt werden.

Doch die sich verändernden internationalen Steuerregeln für Unternehmen führen zu rückläufigen Steuereinnahmen in Luxemburg und werden somit zur Ungewissheit für die Staatsfinanzen. „Änderungen des regulatorischen und steuerlichen Rahmens in der Europäischen Union könnten eine Herausforderung für (Red.: den Finanzplatz) und Luxemburgs Wachstumsmodell darstellen“, schreibt beispielsweise die Ratingagentur Moody’s in ihrem Bericht über Luxemburg von Januar 2021. 

Experten sehen sinkende Steuereinnahmen von Firmen

Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat dem Thema eine ganze Studie gewidmet. „International Taxation and Luxembourg’s Economy“ lautet der unspannende Titel. „Die laufenden Änderungen der internationalen Rahmenbedingungen für die Unternehmensbesteuerung werden sich wahrscheinlich sowohl auf die Wirtschaft als auch auf die öffentlichen Einnahmen aus der Unternehmensbesteuerung in Luxemburg negativ auswirken, sagte Ruud De Mooij, einer der Autoren der Studie, gegenüber dem Tageblatt.

In dem Arbeitspapier stellt der IWF fest, dass die Gesamtheit der Unternehmen dem Staat hierzulande einen überaus hohen Anteil an den Steuern einbringen. Im Jahr 2019 betrugen die diesbezüglichen Einnahmen 3,9 Milliarden Euro, was 6,4 Prozent des BIP oder 23 Prozent des gesamten Steueraufkommens entspreche. Das sei, im Verhältnis zum BIP, etwa doppelt so hoch wie der Durchschnitt in der EU und der OECD, schreibt der IWF.

Die Erklärung für diesen höheren Anteil an den Steuern ist die Größe des Finanzplatzes. Er allein steht für mehr als drei Viertel dieser Einnahmen. Doch mehr als ein Drittel der Einnahmen vom Finanzplatz kommen von Soparfis. Das ist der Bereich, für den der IWF wohl am meisten Risiken sieht. Der IWF definiert diese als Gesellschaften mit geringer oder keiner physischen Präsenz (z.B. weniger als fünf Mitarbeiter), die von einem Nicht-Einwohner kontrolliert werden, und gegründet wurden, um bestimmte Vorteile zu erlangen, und die hauptsächlich Geschäfte mit Gebietsfremden tätigen.

An der Spitze der weltweiten Auslandsinvestitionen

Im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit stehen diese Gesellschaften wegen ihrer Bilanzsumme und ihrer Auswirkungen auf die weltweite Statistik der ausländischen Direktinvestitionen (FDI). Laut den offiziellen Statistiken wird hierzulande nämlich genauso viel Geld aus dem Ausland investiert wie in den USA – und sogar mehr als in China. Laut der globalen FDI-Statistik ist Luxemburg der drittgrößte Investor weltweit nach den Vereinigten Staaten und den Niederlanden. Klar ist, dass ein Großteil dieses Geldes nicht in Luxemburg investiert wird, sondern nur durch das Land fließt, um dann andernorts investiert zu werden. Etwa 95 Prozent dieser ausländischen Investitionen laufen über Zweckgesellschaften, schreibt der IWF in der letzten Studie – hierzulande normalerweise Soparfis. Luxemburg zählt etwa 45.000 solcher Gesellschaften.

Gründe, warum diese Gesellschaften Luxemburg ausgewählt haben, kann es, laut der Studie, sowohl nichtsteuerliche (wie den einfachen Zugang zum Kapitalmarkt oder den Zugang zu hochentwickelten Finanzdienstleistungen) als auch steuerliche geben. Zu Letzteren zählt der Bericht, neben einer relativ großzügigen Beteiligungs-Freistellungsregelung, auch niedrige Quellensteuersätze auf Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren sowie ein breites Netz von Doppelbesteuerungsabkommen, das dazu beiträgt, dass eingehende Zahlungen nach Luxemburg in den Partnerländern des Abkommens relativ niedrig bleiben. Als „Steueroase“ oder „Finanzparadies“ wird Luxemburg an keiner Stelle im Bericht bezeichnet. Auf Nachfrage erklärte Ruud De Mooij: „Wir verwenden diesen Begriff nicht, da er allgemein schlecht definiert ist.“

Die Praxis der Rulings trägt derweil nicht mehr zur Attraktivität des Standortes bei. Die Zahl der Steuervorbescheide, die darauf abzielen, Steuersicherheit zu bieten, ist in den letzten Jahren drastisch zurückgegangen. Nach dem LuxLeaks-Skandal wurden die Antragsverfahren und die Verrechnungsrichtlinien deutlich erschwert. Zudem beteiligt sich Luxemburg am automatischen Austausch von grenzüberschreitenden Steuervorabentscheidungen in der EU. „Diese Änderungen scheinen große Auswirkungen gehabt zu haben“, stellt der IWF fest: Die Anzahl der geltenden Rulings ist von 599 Ende 2016 auf nur noch 14 Ende 2018 gefallen.

US-Maßnahmen führen zu Umlenkung der Kapitalströme

Wegen ihrer Anzahl und Größe spielen die Zweckgesellschaften für die Wirtschaft eine Rolle. Daten für ca. 42.000 Soparfis deuten darauf hin, dass sie 2018 in Luxemburg 508 Millionen Euro (oder 0,9 Prozent des BIP) für Gehälter und etwa 1,2 Milliarden Euro für Prüfungs-, Rechts- und Buchhaltungsgebühren (2,1 Prozent des BIP) ausgaben, ist in der Studie zu lesen. Dieser Beitrag ist in den letzten zehn Jahren schrittweise gestiegen. Auch die Beschäftigung ist stark gewachsen, von 690 Arbeitsplätzen im Jahr 2005 auf 4.465 im Jahr 2018. Auch die Steuereinnahmen aus Zweckgesellschaften in Höhe von 3 Prozent des BIP sind in den letzten zehn Jahren stetig gestiegen. Zusammengenommen bedeuten die Steuerzahlungen und die inländischen Ausgaben, dass sie für 5,9 Prozent des luxemburgischen BIP stehen, so der IWF.

Doch das Wachstum ist bereits vorbei. Während die FDI-Bestände weiterhin hoch sind, habe man 2018 und 2019 einen relativ großen Abfluss von Geldern beobachtet, so die Studie. Das führen die Autoren auf die Verabschiedung von Maßnahmen gegen Steuervermeidung in den USA zurück. Gleichzeitig seien die Bilanzen von Zweckgesellschaften von 9,6 Billionen Euro im Jahr 2016 auf 8,6 Billionen Euro im Jahr 2018 rückläufig. Nach einem Jahrzehnt des Anstiegs ist die Zahl der Soparfis von 46.238 im Jahr 2016 auf 45.613 im Jahr 2019 etwas zurückgegangen, schreibt der IWF. Konzerninterne Schulden und Zinszahlungen gingen zurück. Der Wert der Kredite an ausländische Tochtergesellschaften sank. Das Steuervolumen war 2019 niedriger als im Vorjahr. Reformen, die derzeit im Rahmen der OECD und der Europäischen Union diskutiert werden, könnten die Einnahmen weiter belasten, so der Währungsfonds.

In einem weiteren Teil der IWF-Studie machen sich die Autoren Gedanken darüber, mit welchen neuen Einnahmequellen der Luxemburger Staat diese austrocknende Quelle ersetzen könnte. Mehr dazu morgen im Tageblatt.

Aufteilung der Einnahmen aus der Körperschaftssteuer
Aufteilung der Einnahmen aus der Körperschaftssteuer Screenshot: „International Taxation and Luxembourg’s Economy“