Italien ist für seine geselligen Silvesterfeiern weit über die Landesgrenzen bekannt. Mit einem lang anhaltenden Abendessen begeht man hierzulande den letzten Tag des Jahres, zumeist in Restaurants oder gar Festsälen. Punkt Mitternacht strömt das Volk auf die Straße, dann beginnen die „öffentlichen“ Feierlichkeiten, mit Konzerten, kleinen Theateraufführungen, Tanzveranstaltungen. In früheren Jahren sind wir häufig auf den Campo in Siena gegangen, auf dem die Rockröhre Gianna Nannini ihr Silvesterkonzert in der Heimatstadt gab.
Doch wie bereits im vergangenen Jahr wird diesmal alles anders. Open-Air-Veranstaltungen sind nach dem neuesten Dekret der Draghi-Administration ebenso abgesagt, wie Tanz in Diskotheken, Clubs oder Bars. Erstaunlich bleibt, dass die festlichen Abendessen im Kreise der Familien in den Restaurants genehmigt bleiben, zumindest bis jetzt.
Dabei waren die Infektionszahlen in den vergangenen Tagen und Wochen wieder deutlich gestiegen. Konnten die Verantwortlichen aus Regierung und Protezione Civile – dem Zivilschutz, der in Italien die Corona-Maßnahmen managt – noch Mitte November ganz Italien in eine weiße, also unbedenkliche Zone einstufen, so hat sich das Bild vor Weihnachten bereits deutlich verdüstert: Sowohl am Heiligen Abend als auch am ersten Weihnachtstag stiegen die Neuinfektionen über 50.000 pro Tag. Dies ist ein Negativrekord, der nicht einmal am Höhepunkt der ersten Coronawelle erreicht wurde.
Intensivbetten stärker belegt
Die Verantwortlichen im Belpaese hatten einen kritischen Schwellenwert benannt, nach dessen Erreichen eine höhere Warnstufe in Kraft treten sollte: 15 Prozent der Krankenhausbetten oder zehn Prozent der Intensivbetten müssten mit Corona-Patienten belegt sein, um schärfere Maßnahmen auszulösen. Inzwischen haben neun Regionen den zweiten Schwellenwert deutlich überschritten.
Innerhalb der vergangenen zwei Wochen stiegen die Zahlen der Neuinfektionen von 28.064 am 17. Dezember auf 54.762 am 25. Dezember an. Im selben Zeitraum starben 11.150 Menschen an oder im Zusammenhang mit einer Coronainfektion. In Kalabrien, Friaul-Julisch Venetien und im Latium sind bereits 14 Prozent der Intensivbetten mit Covid-Patienten belegt.
Die Entwicklungen besorgen die Verantwortlichen in Rom, für den 29. Dezember wurden die Experten des wissenschaftlich-technischen Komitees sowie der Krisenstab unter General Francesco Paolo Figliuolo zu einer weiteren Sitzung über zu ergreifende Maßnahmen einberufen. Berücksichtigt wird dabei der durchaus beachtliche Impfstand im Lande: 85 Prozent der erwachsenen Bevölkerung können bereits auf einen zweifachen Impfschutz verweisen, derzeit wird die Drittimpfung, das sogenannte Boostern, intensiviert.
Virologen mahnen strengere Maßnahmen an
Dass Italien bislang relativ ruhig auf das Infektionsgeschehen blicken konnte, hängt mit den im Oktober ergriffenen und inzwischen verschärften Maßnahmen zusammen. Seit Mitte Oktober mussten Arbeitnehmer einen Nachweis über erfolgtes Impfen oder einen aktuellen Negativtest beim Betreten des Arbeitsplatzes vorweisen. Das Gleiche galt für den Aufenthalt in öffentlichen Einrichtungen. In Verkehrsmitteln und öffentlichen Gebäuden ist das Tragen einer FFP2-Maske Pflicht, Bars und Restaurants dürfen nur noch mit einem Nachweis über drei erfolgte Schutzimpfungen betreten werden.
Inzwischen hat der Anteil der Omikron-Variante an den Infektionen die Marke von 28 Prozent erreicht. Allerdings stellen Epidemiologen fest, dass nicht nur die Infektionsrate dieser Mutation schneller vonstattengeht, sondern auch ihre „Passage“ durch die Betroffenen. Deshalb raten einige der Wissenschaftler an, die erforderliche Quarantänezeit von derzeit sieben auf vier Tage für all diejenigen zu verkürzen, die trotz Booster-Impfung positiv getestet wurden.
Der bekannte italienische Virologe Fabrizio Pregliasco fordert indes, die Hygieneregeln nochmals zu verschärfen. Bei dem raschen Voranschreiten der Omikron-Variante befürchtet Pregliasco, dass bereits Mitte Januar mit einem Ansteigen der täglichen Infektionszahlen auf über 100.000 Fälle zu rechnen sei. „Vor allem die zehn Prozent der Ungeimpften in unserem Land sind von der Ansteckung gefährdet“, erklärt der Virologe und fordert einen zeitlich beschränkten Lockdown für Ungeimpfte.
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