Donnerstag6. November 2025

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BeschlussIst Russland ein „Terrorstaat“? Das Europaparlament prescht vor

Beschluss / Ist Russland ein „Terrorstaat“? Das Europaparlament prescht vor
EP-Präsidentin Roberta Metsola wird sich nicht gegen die angekündigte Resolution wenden Foto: Frederick Florin/AFP

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Die Europäische Union soll Russland zum „Terrorstaat“ erklären und die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Rechenschaft ziehen. Dies fordert das Europaparlament in einem – rechtlich unverbindlichen – Beschluss, über den die Abgeordneten am Mittwoch in Straßburg abstimmen wollen. Die Annahme gilt als sicher.

Russland sei ein „staatlicher Sponsor von Terrorismus“ und ein „Staat, der sich terroristischer Mittel bedient“, heißt es in der Resolution, die keine Gesetzeskraft hat. Sie wurde von der konservativen EVP-Fraktion, der liberalen „Renew“ und der rechtskonservativen, Polen nahestehenden ECR-Gruppe gemeinsam eingebracht. Grüne und Sozialdemokraten brachten Änderungsanträge ein. Bei einer Vorbereitungssitzung im Oktober wies nur die irische Linken-Abgeordnete Claire Daly den Entwurf ab. Die rechtsradikale ID-Fraktion wurde gar nicht erst gefragt.

Bis zuletzt war umstritten, ob Russland als „staatlicher Sponsor von Terror“ bezeichnet werden kann. Einige Abgeordnete wollten diesen Begriff streichen. Über die generelle Stoßrichtung waren sich die großen Fraktionen jedoch einig. Die russischen Attacken auf Stromtrassen und Kraftwerke seien Terror gegen die Zivilbevölkerung.

Mit ihrem Beschluss folgen die EU-Abgeordneten einem Wunsch der Regierung in Kiew. Bereits Anfang Oktober hatte Vladyslav Vlasiuk, Berater von Präsident Wolodymyr Selenskyj, die EU aufgefordert, Russland zum Terrorstaat zu erklären. So könne die Wirkung der westlichen Wirtschaftssanktionen verstärkt werden, hieß es in Kiew.

Das EU-Parlament folgt Selenskyj nun, allerdings mit einer anderen Begründung. Es gehe darum, Kremlchef Wladimir Putin und sein Regime zur Rechenschaft zu ziehen. Die Ermittlungen zu russischen Kriegsverbrechen müssten ausgeweitet werden, heißt es in dem Text. Die EU soll sich auch für eine „Gender-Perspektive“ stark machen, um Sexualverbrechen aufzuklären und zu ahnden.

Rechtlich nicht bindend

Allerdings ist der Beschluss rechtlich nicht bindend. Ihm kommt vor allem symbolische Bedeutung zu, nicht einmal die EU-Kommission oder der Ministerrat müssen Folge leisten. Im Rat, der der Mitgliedsländer vertritt, haben sich bisher nur Polen und die baltischen Staaten dafür ausgesprochen, Russland als Terrorstaat zu brandmarken.

Für die Zurückhaltung gibt es gute Gründe. Wer seinen Gegner als Terrorist bezeichnet, kann sich mit ihm nicht mehr an einen Verhandlungstisch setzen. Eine offizielle Verurteilung als „Terrorstaat“ durch die EU würde es auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron oder dem deutschen Kanzler Olaf Scholz unmöglich machen, den Draht zu Putin zu halten.

Parlamentspräsidentin Roberta Metsola nimmt jedoch keine diplomatischen Rücksichten. Die im Januar neu gewählte konservative Chefin der Straßburger Kammer hat sich als Hardlinerin profiliert. Als erste hochrangige EU-Politikerin war Metsola schon im April nach Kiew gereist; seitdem schwört sie die EU-Abgeordneten auf Treue zur Ukraine ein.