Freitag21. November 2025

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MeteorologieIst es ein Tornado? Oder nur eine Wolke? Luxemburgs Wetterexperten sind sich uneins

Meteorologie / Ist es ein Tornado? Oder nur eine Wolke? Luxemburgs Wetterexperten sind sich uneins
Dieses Foto wurde vom Stade de Luxembourg aus aufgenommen – links der Howalder Wasserturm Foto: Tom Nepper/Météo Boulaide

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War das ein Tornado, den Bürger am Mittwochvormittag in der Nähe von Contern fotografiert haben? Meteolux winkt ab: Nur eine Trichterwolke. Tageblatt-Wetterexperte Philippe Ernzer zeigt sich fassungslos angesichts der fehlenden Seriosität des staatlichen Wetterdienstes. 

Spätestens seit dem 9. August 2019 weiß ganz Luxemburg, dass Tornados nicht nur in US-amerikanischen Katastrophenfilmen existieren. Damals fegte ein Wirbelsturm über Bascharage, Petingen, Lamadelaine und Rodange hinweg und verursachte Schäden in Millionenhöhe. Etliche Dächer wurden weggefegt, viele Einwohner mussten umquartiert werden.

Vermutlich laufen deshalb auch die Gemüter heiß, wenn Einwohner wieder einmal Trichterwolken fotografieren und die Bilder online stellen: Niemand will Opfer einer solchen Katastrophe werden. Deshalb dürften viele Menschen aufgeatmet haben, als Meteolux gegenüber RTL Entwarnung gab: Alles gut, war kein Tornado. Eine Festlegung, die Tageblatt-Wetterexperte Philippe Ernzer (Météo Boulaide) allerdings für verfrüht hält.

Unseriös

„Man kann nicht bestimmen, ob es ein Tornado war oder nicht, wenn man nicht vor Ort war“, so Ernzer hörbar erbost am Telefon. „Und es ist unseriös, das einfach so zu behaupten.“ Laut ihm sei es international etablierter Standard der Tornado-Forschung, dass vor Ort nach Spuren des Sturms gesucht werden müsse. Er nennt Deutschland als Beispiel, wo es Tornado-Arbeitsgruppen gebe, die auch mal 300 Kilometer fahren würden, um Landstriche zu begutachten. „Ich behaupte nicht, dass es ein Tornado war“, unterstreicht der Experte. „Ich sage nur, dass man es nicht so einfach ausschließen kann.“

„Die größte Frechheit ist: Sie sagen, es sei keine Rotation auf dem Radar zu sehen. Das ist Blödsinn, das Radar war wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet“, erklärt Ernzer weiter. Es gebe noch ein weiteres Radar in Belgien, dem könne man aber nur eingeschränkt vertrauen. „Die Wetterzelle liegt am Rand der Reichweite des belgischen Radars – dort wird die Auflösung schlechter. Eine lokale Rotation ist dort nicht zu erkennen.“

Zwischen Syren und Bous soll die Trichterwolke vorbeigezogen sein
Zwischen Syren und Bous soll die Trichterwolke vorbeigezogen sein Grafik: Météo Boulaide

Es ist nicht das erste Mal, dass der Selfmade-Wetterprofi Philippe Ernzer und der staatliche Wetterdienst Meteolux über Kreuz liegen. Vergangenes Jahr gab es Zwist über die Einstufung eines Ereignisses in Bissen – internationale Experten gaben Ernzer damals recht: Es war ein Tornado. „Mir geht es nicht darum, irgendjemanden zu bashen. Mir geht es um die Sicherheit der Menschen.“ Aber auch um die Korrektheit der Daten, denn: „Wenn solche Ereignisse nicht richtig erfasst werden, dann verfälscht das auch die Statistik.“ Diese Statistik wiederum ist wichtig, um Veränderungen von Wetter und Klima in Luxemburg zu erfassen. Die Daten stehen nicht nur der Forschung, sondern auch der Politik zur Verfügung – und sollten deshalb unbedingt vollständig und korrekt sein. (hat)

Eine Anfrage bei Meteolux blieb bis zum Zeitpunkt der Veröffentlichung unbeantwortet.