Eine Westerngitarre schnarrt, dann rollt das Schlagzeug in den Mix, ein Bass groovt sich warm. „Dust on the wind“ singt eine sanft kratzende Männerstimme, „ boots on the ground, smoke in the sky, no peace found“. So beginnt „Dust on the Wind“ von The Velvet Sundown. Mehr als zwei Millionen Mal gehört bei Spotify. Innerhalb von zwei Monaten hat sich die Band zu einer kleinen Sensation entwickelt, die in den viralen Spotify-Charts von Großbritannien, Schweden und Norwegen auf Platz eins geklettert ist. Anderthalb Millionen monatliche Hörer. Nur: The Velvet Sundown ist keine echte Band. Und „Dust on the Wind“ kein echter Seventies-Folk-Rock. Die vier Bandmitglieder, ihre drei Alben, ihre mehr als 30 Songs, ihre Bandfotos – all das hat eine KI geschaffen. Und die allermeisten Hörer haben es nicht gemerkt.
„The Velvet Sundown ist ein synthetisches Musikprojekt, das unter menschlicher kreativer Leitung steht und mit Unterstützung Künstlicher Intelligenz komponiert, vertont und visualisiert wird“, heißt es mittlerweile in der Bandbeschreibung auf Spotify. Wer auch immer hinter The Velvet Sundown steckt, ihr oder ihm ging es nicht darum, einen Hit zu landen, sondern darum, Aufmerksamkeit zu generieren für ein Experiment. „Das ist kein Trick – es ist ein Spiegel“, geht der Text weiter. „Eine fortlaufende künstlerische Provokation, die darauf abzielt, die Grenzen von Urheberschaft, Identität und der Zukunft der Musik selbst im Zeitalter der KI infrage zu stellen.“
Das ist gelungen. Der Fall The Velvet Sundown ist ein Vorbote einer Zukunft, die immer schneller Gegenwart wird. Der Streaming-Anbieter Deezer gibt an, dass beinahe 20 Prozent der Musik, die auf der Plattform hochgeladen wird, schon heute künstlich erstellt sind. Eine Zahl, die sich in den vergangenen drei Monaten fast verdoppelt hat. Das gilt nicht nur für Musik, sondern auch für Fotos, Videoaufnahmen, Artikel. Uns erwartet eine Flut von KI-generierten Inhalten, die nicht mehr einfach als solche erkennbar sein werden. Denn das ist das Besondere an der Musik von The Velvet Sundown. Mit rein ästhetischen Mitteln lässt sich diese nicht mehr als KI entlarven. Ja, diese Songs klingen generisch und altbekannt – aber eben auch nicht generischer und altbekannter als echter Rock-Radio-Durchschnitt, mit dem die KI wohl trainiert wurde. Dass sie von einer KI geschaffen wurden, lässt sich nur noch auf technischem Wege feststellen: Bei genauerer Untersuchung der Tonspur finden sich nicht hörbare Klangartefakte.
Aber wer wird sich die Mühe machen, in Zukunft alle Inhalte einer solchen oder ähnlichen Prüfung zu unterziehen? Nicht Spotify, nicht Meta, nicht Google und nicht X. Zumal es einer breiten Masse schlichtweg egal sein wird, ob das, was sie da gerade konsumiert, KI- oder menschengemacht ist. KI-Inhalte werden sich nicht filtern, sie werden sich nicht von den gängigen Plattformen fernhalten lassen. Steile These: Das Internet, wie wir es kennengelernt haben, ist verloren. Es wird überschwemmt werden von KI-generierten Nachrichten, Bildern, Musik und Videos, deren Wahrheitsgehalt oder Echtheit sich nicht mehr verifizieren lassen wird.
Was schaurig klingt, muss nicht das Ende von Kunst, Kultur und Menschheit sein. Wenn sich – zumindest im Netz – die Kategorien von Wahrheit und Echtheit auflösen, gibt es auch keine Fake-News mehr. Das Internet als Ganzes wird abgewertet. Wenn das Netz irgendwann zu großen Teilen aus KI-generiertem Müll besteht, kommt es zu einer Renaissance des unmittelbar Erlebbaren, des Greifbaren, des Analogen. So weit der Versuch einer kulturoptimistischen Lesart. Vielleicht ist es aber auch nur der naive Traum eines Zeitungsmachers.
De Maart

Ûber kurz oder lang werden KI-Produktionen wohl den Grossteil der vermarktbaren Kulturproduktionen ausmachen, aus einem ganz einfachen Grund : KI generiert - per Definition - musikalisch absolutes Mittelmass, genau wie bei der Textproduktion. Eigentlich ist es nur ein weiteres Tool zur kreativen Konformität, Belanglosigkeit und Biederheit . Damit wird die KI problemlos genau die musikalische Massenware produzieren können, von denen die big-player Produzenten seit Jahrzehnten träumen, zum dumping Preis und die Massen werden jubeln.
Wenn ich mir von "Alexa" Songs aus meiner Jugend abspielen lasse, stelle ich oft fest, dass der Rhythmus leicht verändert ist, obwohl auf Nachfrage der richtige Sänger genannt wird - auch eine KI-Neuaufnahme? Wer weiss.
Internet ist schlimm genug,aber KI macht alles viel schlimmer