Donnerstag23. Oktober 2025

Demaart De Maart

EU-KommissionInvestitionen in Gas- und Atomkraftwerke sollen als klimafreundlich eingestuft werden

EU-Kommission / Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke sollen als klimafreundlich eingestuft werden
Im bayrischen Gundremmingen hat am 1. Januar ein Atomkraftwerk seinen Betrieb endgültig eingestellt, da Deutschland aus der Atomkraft aussteigt, in anderen Ländern soll die Nuklearenergie eine Renaissance feiern, wobei die EU-Kommission nun hilft Foto: Stefan Puchner/dpa

Jetzt weiterlesen!

Für 0,99 € können Sie diesen Artikel erwerben:

Oder schließen Sie ein Abo ab:

ZU DEN ABOS

Sie sind bereits Kunde?

Die EU-Kommission will Atomkraft und Naturgas als nachhaltig anerkennen. Doch der Kompromiss, der mit Paris und Berlin ausgehandelt wurde, stößt auf Widerstand.

Es war ein Silvesterböller der besonderen Art: Am 31. Dezember 2021, wenige Minuten vor dem Jahreswechsel, schlug die Europäische Kommission in Brüssel vor, Investitionen in Gas- und Atomkraftwerke unter bestimmten Voraussetzungen als klimafreundlich einzustufen.

Die „Nacht-und-Nebel-Aktion“ – so Österreichs grüne Klimaschutzministerin Leonore Gewessler – hatte den Effekt einer Bombe. Vor allem in Deutschland und Österreich hagelt es Proteste, 2022 beginnt im Zeichen eines schweren europa- und klimapolitischen Streits. Am lautesten und härtesten reagierte Wien. Die EU-Kommission habe einen „Schritt in Richtung Greenwashing von Atomkraft und fossilem Gas gemacht“, so Gewessler. „Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, werden wir klagen“, schrieb die Grünen-Politikerin auf Twitter.

Scharfe Kritik kommt auch aus Berlin. Die Pläne seien „absolut falsch“, sagte die deutsche Umweltministerin Steffi Lemke. „Eine Zustimmung zu den neuen Vorschlägen der EU-Kommission sehen wir nicht“, erklärte Klimaminister Robert Habeck. Bedeckt hielt sich dagegen Bundeskanzler Olaf Scholz. Der Kommissionsvorschlag solle „nicht überschätzt werden“, hatte er schon beim EU-Gipfel im Dezember erklärt. Es gehe „um die Einschätzung der Aktivitäten von Unternehmen“, nicht um eine Empfehlung an die Staaten.

Sollten diese Pläne so umgesetzt werden, werden wir klagen

Leonore Gewessler, österreichische Klimaschutzministerin

Tatsächlich richtet sich die sogenannte Taxonomie vor allem an Investoren. Es gehe um „nachhaltige Investitionen des Privatsektors“, heißt es in Brüssel. Der Vorschlag schreibe keine Geldanlagen vor und verhindere auch nicht, dass Gelder in andere Energieträger fließen. Dass Deutschland aus der Atomkraft aussteigt und auf Erneuerbare setzt, wird ebenso wenig infrage gestellt wie die geplante „Renaissance“ der Kernkraft in Frankreich. Auch die Nutzung von Erdgas als „Brückentechnologie“ bleibt nach dem Entwurf der EU-Kommission erlaubt.

Atom für Frankreich, Gas für Deutschland – das ist der Kompromiss, den Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach langen und mühseligen Konsultationen mit Paris und Berlin gefunden hat. Auch auf Kohlekraftwerke in Polen und steigende Energiepreise musste sie Rücksicht nehmen.

Die reine grüne Lehre konnte von der Leyen deshalb nicht verkünden. Allerdings wollte sie auch keinen Blankoscheck ausstellen. Deshalb hat sie ihren Vorschlag mit Vorbehalten versehen. Atom und Gas werden nur unter Auflagen als „nachhaltig“ anerkannt.

So muss Frankreich die Entsorgung radioaktiver Abfälle sicherstellen. Außerdem will die Kommission für Transparenz sorgen. „Investoren werden auf den ersten Blick klar erkennen können, ob und in welchem Umfang Erdgas- oder Nuklearaktivitäten mit umfasst sind“, heißt es. „Greenwashing“ werde es nicht geben, beteuert die EU-Behörde, die Taxonomie sei „ein solides, wissenschaftlich fundiertes Instrument“. Doch das sehen viele Experten völlig anders.

Gegner haben kaum eine Chance

Möglich wurde dies allerdings nur, weil die EU-Staaten die Brüsseler Behörde dazu ermächtigt haben. Von der Leyen kann mit einem sogenannten „delegierten Rechtsakt“ durchregieren, ihr Vorschlag lässt sich kaum noch kippen. Allenfalls kleinere Änderungen scheinen noch möglich. Bis zum 12. Januar können die 27 Mitgliedsstaaten noch Kommentare in Brüssel einreichen. Danach will die Kommission ihren Vorschlag förmlich verabschieden. Zu stoppen wäre er nur, wenn sich eine sogenannte verstärkte qualifizierte Mehrheit dagegen ausspricht – oder eine einfache Mehrheit im Europaparlament. Beides scheint unwahrscheinlich. Im Parlament regt sich zwar Widerstand. Doch eine Mehrheit gegen die Taxonomie zeichnet sich nicht ab.

Im Rat, der Vertretung der Mitgliedsstaaten, haben die Gegner ohnehin kaum eine Chance. Dort müssten sich mindestens 20 EU-Länder zusammenschließen, die mindestens 65 Prozent der Bevölkerung vertreten. Neben Deutschland und Österreich begehren aber nur kleine Länder wie Luxemburg, Dänemark und Portugal auf – das reicht nicht.

Für die Atomkraft treten dagegen rund ein Dutzend Staaten ein. Angeführt werden sie von Frankreich, das am 1. Januar den halbjährlichen EU-Ratsvorsitz übernommen hat. Präsident Emmanuel Macron ist fest entschlossen, seine Vorstellung von atomgetriebenem Klimaschutz durchzuboxen. Von der Leyen hat ihm dabei geholfen.

Sepp
5. Januar 2022 - 12.28

Die sollen zumindest mal für alle Haushalte im Umkreis von 100 Kilometern eine Versicherung abschliessen.