Die monatelange Hängepartie um Rumäniens künftiges Staatsoberhaupt schleppt sich auf die Zielgerade. Als „bittere Satire“ und „Karikatur demokratischer Entscheidungsprozesse“ bezeichnet „adz.ro“, das Webportal der deutschsprachigen Minderheit im Karpatenstaat, die für den 4. Mai angesetzte Wiederholung der annullierten Präsidentschaftswahl vom November: Der Stimmenstreit werde weniger von „echten Zukunftsperspektiven als von Inkompetenz, Opportunismus und Chaos geprägt“.
Tatsächlich sollte sich bereits der erste Anlauf zur Präsidentschaftskür nicht nur als chaotisch, sondern auch als erfolglos erweisen. Überraschend und mithilfe einer massiven Tiktok-Kampagne hatte der prorussische Ultranationalist Calin Georgescu den ersten Wahlgang am 24. November für sich entschieden: Keiner der beiden früh gestrauchelten Hoffnungsträger der Regierungsparteien PSD und PNL schaffte hingegen den Einzug in die zweite Runde.
Doch zwei Tage vor der Stichwahl zwischen Georgescu und der zweitplatzierten Chefin der oppositionellen Antikorruptionspartei URS, Elena Lasconi, annullierte das Verfassungsgericht am 6. Dezember kurzerhand den gesamten Urnengang. Der Grund: Die Geheimdienste hatten den Verdacht geäußert, dass Moskau die Tiktok-Kampagne zu Gunsten von Georgescu gesteuert habe.
Unbestritten ist, dass Georgescu seinen Überraschungssieg der Aktivierung von hunderten Tiktok-Konten zu verdanken hatte. Klare Beweise für den Verdacht einer russischen Beteiligung an den Webmanipulationen vermochte die Justiz allerdings nicht vorzulegen. Stattdessen setzten sich die von den Regierungsparteien ins Amt gehievten Verfassungsrichter mit dem Verbot einer erneuten Kandidatur von Georgescu dem Vorwurf aus, nicht nur eine für die Regierungsparteien missliebige Wahl annulliert, sondern auch gleichzeitig den aussichtsreichsten Oppositionskandidaten eliminiert zu haben.
Begrenztes Wählerpotential
Größter Nutznießer der richterlichen Wahlinterventionen scheint bislang laut den Umfragen mit AUR-Chef George Simion ein russophiler Rechtspopulist zu sein, der im November den Einzug in die Stichwahl als Viertplatzierter noch klar verpasst hatte. Doch nicht nur Rumäniens wenig verlässliche Meinungsforscher erschweren die Prognosen zum Wahlausgang. Ob wüste Parteifehden, düstere Intrigen oder neu ausgegrabene Altskandale: Alle aussichtsreichen Kandidaten haben mit unerwartetem Gegenwind zu kämpfen.
Nicht nur sein begrenztes Wählerpotential für die Stichwahl, sondern auch heftige Kritik an seinem autoritären Führungsstil aus den eigenen Reihen macht Umfragefavorit Simion zu schaffen: Mit dem AUR-Chefideologen Claudiu Tarziu und dem Fußballmagnaten George Becali haben zwei seiner prominentesten Mitstreiter in den letzten Wochen die Partei im Streit verlassen.
Der von der konservativen PNL und der sozialistischen PSD auf den Kandidatenschild gehievte Crin Antonescu hat nicht nur mit seinem Image als Politfossil und aus der Mottenkiste gefischter Notnagel zu kämpfen, sondern auch mit dem Vorwurf, einst ein Informant des berüchtigten Geheimdienstes Securitate gewesen zu sein. Wie der frühere PNL-Chef hat zwar die für die Securitate-Archive zuständige Behörde den Vorwurf dementiert. Allerdings wurde seine Akte nicht wie sonst üblich zur Einsicht freigegeben.
Bröckelnde Umfragewerte
Im Aufwind konnte sich bis kurzem der auf der nationalpopulistischen Welle mitsegelnde Ex-Premier Victor Ponta wähnen. Doch mit seinem Bekenntnis, dass er während des Hochwassers 2014 einige heimische Donau-Dörfer habe überfluten lassen, um Serbiens Hauptstadt Belgrad vor einer Überschwemmungskatastrophe zu bewahren, hat sich der frühere PSD-Chef nicht nur einbrechende Umfragewerte, sondern auch „Hochverräter“-Vorwürfe eingebrockt. Er habe mit seinem Geständnis der geplanten Enthüllung eines der AUR nahestehenden TV-Senders zuvorkommen wollen, so Ponta.
Vor allem gegenseitig scheinen sich derweil die progressiven Hoffnungsträger im elfköpfigen Kandidatenfeld zu beharken. Seit der Bukarester Bürgermeister und einstige USR-Mitbegründer Nicusor Dan in den Wahlkampfring gestiegen ist, sind die Umfragewerte von USR-Chefin Lasconi drastisch gefallen. Da sie sich aber nicht zu einem Rückzug aus dem Wahlrennen bewegen ließ, hat der USR-Vorstand ihr die Unterstützung entzogen – und stattdessen den inzwischen parteilosen, aber erheblich populäreren Dan zum Kandidaten der Partei erklärt.
Egal, ob gut oder schlecht, die Entscheidung komme „zu spät, da die Stimmzettel bereits gedruckt sind“, kritisiert das Webportal „republica.ro“ die URS-Kehrtwende. Das Hickhack und der über die Medien und die Gerichte ausgefochtene Machtkampf scheint derweil allen Beteiligten zu schaden: Sowohl die Umfragewerte des noch immer auf einen Stichwahleinzug hoffenden Dan als auch die der abgeschlagenen Lasconi scheinen zu bröckeln.
De Maart
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