Mittwoch29. Oktober 2025

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DeutschlandInterview mit Rolf Mützenich über das „Manifest“ von SPD-Politikern

Deutschland / Interview mit Rolf Mützenich über das „Manifest“ von SPD-Politikern
Der ehemalige Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Rolf Mützenich, hat gemeinsam mit anderen SPD-Politikern ein Manifest verfasst, das in seiner Partei für Unmut gesorgt hat Foto: Kay Nietfeld/dpa

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Der Ex-Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion hat das „Manifest“ unterzeichnet, das mehr Diplomatie mit Russland fordert. Im Gespräch erklärt Rolf Mützenich seine Beweggründe, will mit möglichen Missverständnissen aufräumen – und beklagt teils sehr scharfe Kritik auch aus seiner eigenen Partei.

Tageblatt: Herr Mützenich, können Sie die Aufregung verstehen, die das „Manifest“ ausgelöst hat?

Rolf Mützenich: Ich würde mir eine ernsthaftere und respektvollere Debatte über die Inhalte des Papiers wünschen. Und ich glaube, dass sie immer noch möglich und notwendig ist. Manche Vorhaltungen und manche Verkürzungen bis hinein in meine Partei haben mich in den vergangenen Tagen aber schon geschmerzt.

Welche konkret?

Dass ich blauäugig sei, dass ich im Bonner Hofgarten stehengeblieben sei, bis hin zu dem Hinweis, dass ich ja ins Bündnis Sahra Wagenknecht gehen könnte.

Viele der Kritiker stören sich nicht nur am Inhalt, zu dem wir noch kommen, sondern auch am Zeitpunkt. War das Ziel lediglich ein Debattenbeitrag für den bevorstehenden SPD-Parteitag? Oder erwarten Sie Umsetzung in der Regierung?

Unser sogenanntes Manifest zirkuliert seit Wochen unter den Mitgliedern der SPD. Es ist also zunächst unabhängig vom SPD-Parteitag. Wir waren auf der Suche nach einem geeigneten Zeitpunkt für die Veröffentlichung. Wenn wir es vor der Wahl publiziert hätten, hätte man uns parteischädigendes Verhalten vorgeworfen. Da die Parteiführung sich nach der Wahl nun dazu entschieden hat, eine Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm und über das Selbstverständnis sozialdemokratischer Politik in allen Bereichen zu führen, hielten wir jetzt den Zeitpunkt für geeignet.

Ich verkenne und leugne weder die Kriegs- und Menschheitsverbrechen durch Wladimir Putin noch die Drohungen aus dem Kreml

Jedoch fordern Sie in dem Papier Gespräche mit Russland. Diese haben gerade erst stattgefunden, ohne erkennbares russisches Interesse an einem fairen Frieden für die Ukraine. Stattdessen wurde der Bombenterror auf die ukrainische Zivilbevölkerung noch heftiger. In Kiew wird man über Ihre Vorschläge doch den Kopf schütteln, oder etwa nicht?

Ich kenne Umfragen aus der Ukraine, wonach eine Mehrheit der Bevölkerung Wege aus dem Krieg befürwortet. Beispiele wie das Getreideabkommen oder Gefangenenaustausche zeigen Spielräume auf. Wir plädieren im Papier dafür, dass nach einer Waffenruhe mit Russland weiter über Wege aus dem Krieg und einen Abbau der Spannungen gesprochen wird. Ich verkenne und leugne weder die Kriegs- und Menschheitsverbrechen durch Wladimir Putin noch die Drohungen aus dem Kreml. Wir müssen auch eine gemeinsame Verteidigungsfähigkeit herstellen und die Ukraine in ihrem Selbstverteidigungsrecht weiter stärken. Deutschland sollte sich aber auch innerhalb Europas als führende diplomatische Macht hervortun und Europa zu einer geeinten Stimme verhelfen. Das wurde in den vergangenen Jahren vernachlässigt. Es gibt keine wahrnehmbare EU-Initiative für Diplomatie, für eine Koexistenz, für den Abbau von Spannungen. Das Einzige sind militärische Fragen, die auf den Tisch kommen.

Putin stimmt derzeit keiner Waffenruhe zu

Sie haben vor vielen Monaten ein Einfrieren des Konflikts ohne dauerhafte Gebietsabtritte vorgeschlagen, um Diplomatie eine Chance zu geben. Dafür wurden Sie scharf kritisiert. Erleben Sie jetzt einen zweiten „Einfrier“-Moment?

Ich bin nicht blauäugig. Ich weiß, dass Russland unter Wladimir Putin derzeit keiner Waffenruhe nach ukrainischen oder europäischen Vorstellungen zustimmen wird. Dennoch bleiben Gespräche wichtig.

Wir wollen auf jeden Fall, dass Deutschland verteidigungsfähiger wird und in entsprechende Rüstungsgüter investiert

Ein anderer Teil des Papiers warnt vor einer Aufrüstungsspirale, zugleich befürworten Sie darin Investitionen in die Verteidigungsfähigkeit. Das ist doch ein Widerspruch!

Nein, ist es nicht. Das möchte ich gern erklären, denn das wird im Manifest vielleicht nicht deutlich genug. Wir wollen auf jeden Fall, dass Deutschland verteidigungsfähiger wird und in entsprechende Rüstungsgüter investiert. Dabei ist aber wichtig, dass es nicht jedes Land blind tut, sondern man in Europa und in der NATO die Kräfte bündelt. Denn gemessen an den hohen Investitionen aus der Ampel-Vergangenheit sind die konkreten Ergebnisse bei der Wehrhaftigkeit aus meiner Sicht eher bescheiden. Das darf jetzt mit den nahezu ungedeckelten Verteidigungsausgaben nicht weiter so passieren. Wichtig ist auch, dass Investitionen in Rüstung in einem politischen Konzept von Entspannung, Frieden und irgendwann wieder Abrüstung eingebettet werden. Zumal manche fragen, ob auch noch Geld für Investitionen, Arbeit und Klimaschutz übrigbleibt.

Welche Erwartungen haben Sie nun an die SPD-Kabinettsmitglieder und Ihre Partei in der Regierung?

Das Manifest ist kein Appell an die Regierung. Es dient als innerparteilicher Debattenbeitrag. Ich verlange nicht unmittelbare Schritte. Aber ich verlange einen respektvollen Umgang mit den Unterzeichnern. Ich nenne ja Befürworter von massiver Aufrüstung auch nicht Kriegstreiber, sondern setze mich mit ihren Argumenten auseinander. Das erwarte ich auch andersrum. Und eine Frage kann mir seit Ausbruch des Kriegs niemand beantworten.

Hybride Angriffe auf Deutschland

Nämlich?

Die Frage, warum die Politik der militärischen Stärke gegenüber Russland nicht zu einem Ende des Krieges beigetragen hat. Immerhin wurde noch vor einiger Zeit in Aussicht gestellt, dass Russland den Krieg verlieren wird. Putin setzt seinen erbarmungslosen Krieg gegen die Ukraine fort, auch die hybriden Angriffe auf Deutschland lassen nicht nach. Wir können nicht erwarten, dass eine erfolglose Strategie irgendwann funktioniert, wenn wir sie nicht anpassen.

Welche Rolle wollen Sie in den kommenden Regierungsjahren spielen? Werden Sie weitere Initiativen wie das Manifest starten, um Einfluss zu nehmen auf Ihre Partei?

Mein Ziel ist nicht, ein Stachel im Fleisch der SPD oder der Koalition zu sein. Ich möchte aber die Standpunkte, die anderen und mir wichtig sind und für die ich bereits mein ganzes Leben ringe, weiterhin einbringen. Damit dürfte jeder gerechnet haben.

Sie wurden für den Vorsitzposten des Auswärtigen Ausschusses gehandelt, dann setzte aber die Union Armin Laschet als Chef durch. Hat Sie das getroffen?

Mich hätte die Aufgabe gereizt, klar. Es wäre aber ein Trugschluss, zu denken, dass ich jetzt für Debatten sorge, weil ich bei der Postenvergabe leer ausgegangen bin. So bin ich nicht. Ich habe mit dem Kapitel abgeschlossen.

Guy Mathey
14. Juni 2025 - 18.03

Dieses sogenannte "Manifest" stellt in der Tat eine höchsterfreuliche Diskussionsbasis dar, offen gestanden, meinerseits bin ich wirklich überrascht, jedoch hocherfreut darüber, dass prominente und erfahrene Politiker*innen der SPD federführend an der Aufstellung dieses friedensorientierten Papiers beteiligt sind.
Frieden ist definitiv nur mit Hilfe von Gesprächen und Diplomatie zu erreichen und zu sichern. Klar kommt man in diesem Kontext nicht umhin auch mit Kriegsverbrechern vom Schlage eines Putin oder Netanjahu zu sprechen, denn, wenn wir ehrlich mit uns selbst sind, worin unterscheiden sich denn die Herren Putin und Trump noch? Vielleicht durch die Frisur und den Umstand, dass Trump, von vielen Europäern derzeit noch als Verbündeter betrachtet wird. Aber, manche haben vielleicht noch vage Erinnerungen daran, auch der Ruf Putins war mal besser in unseren Breitengraden, auch noch, nachdem er Grosny bereits in Schutt und Asche hatte legen lassen.
Die Art und Weise wie derzeit mit den Autor*innen des Papiers umgegangen wird lässt allerdings tief blicken, anderseits ist es vielleicht auch ein positives Indiz für die Belastbarkeit des "Manifests"! Augenscheinlich macht es die Aufrüstungsfanatiker innerhalb der Parteien CDU/CSU, SPD und Grünen (sogar die verstorbene FDP hat sich aus dem Jenseits gemeldet) ziemlich nervös, verständlich, schliesslich könnte eine vernünftige Verteidigungspolitik in Kombination mit geschickter Diplomatie die Gewinnerwartungen ihrer Förderer, nämlich der Rüstungsindustrie, erheblich schmälern.
Also liebe Autor*Innen des "Manifest", lasst euch nicht entmutigen, redet mal mit der Linken, derzeit die einzige friedensorientierte Partei im deutschen Bundestag, ich hab den Eindruck, eure Ideen passen ziemlich gut zusammen, erleichtert zweifellos auch die Überzeugungsarbeit innerhalb der SPD.
Noch ein Wort zu den rechtsextremen Parteien, welche sich derzeit als Friedensapostel inszenieren: Rechtsextreme Parteien aller Länder vertreten stets eine völlig Menschenrechtsfeindliche Gesinnung, deshalb verkommt ihre Inszenierung als Friedensverfechter zur absoluten Farce.

Muller Christian
13. Juni 2025 - 13.28

80er Jore Friddensfetischiste brauch kee Mënsch méi. Wann ee bedenkt, wat esou Leit schonn u Mënscheliewen um Gewëssen hunn...

fraulein smilla
13. Juni 2025 - 10.21

Rechter Putin Versteher boeser Mann , linker Putin Versteher guter Mann ¨!

Luxmann
13. Juni 2025 - 10.04

Schoen zu sehen ,dass es in der SPD noch ein paar vernuenftige gibt die etwas distanz zur gruppe der waffennarren und zelenski fanboys halten.