Bevor dies aber der Fall sein wird, unterhielt sich das Tageblatt mit den beiden englischen McLaren-Piloten. Der erst 21-jährige Taylor Barnard fährt dieses Jahr seine erste komplette Saison in der Formel E und ist auf Anhieb super erfolgreich. Bislang gelangen ihm zwei Pole Positions und fünf Podiumsplatzierungen. Ein erster Sieg dürfte wohl nur noch eine Frage der Zeit sein. Sam Bird ist mit seinen 135 Rennen und zwölf Siegen ein Urgestein der Formel E. Bevor er zu McLaren stieß, war er für Virgin/Envision und Jaguar aktiv. Das jetzige Neom-McLaren-Formel-E-Team ist durch die Übernahme des Mercedes-Formel-E-Teams am Ende der Saison 2023 entstanden und fährt mit den momentan so erfolgreichen Nissan-Motoren. Da sich McLaren aus der Formel E zurückziehen wird, versucht es jetzt einen Hersteller zu finden, der sein Formel-E-Team ab der Saison 2025/26 übernimmt und in die Generation 4 der Elektro-Formel führt.
Tageblatt: Das Neom-McLaren-Team hat mit einem ganz jungen und einem sehr erfahrenen Piloten eine spezielle Fahrerpaarung. Wie funktioniert Eure Zusammenarbeit?
Sam Bird: Wir arbeiten ausgezeichnet zusammen. Taylor ist zwar noch sehr jung, und dennoch sehr bedacht – „he has an old head on jung shoulders“. Es ist eine ideale Kombination aus meiner Erfahrung einerseits und seinem rohen Speed andererseits. Es ist eine wirklich schöne Dynamik fürs Team.
Taylor Barnard: Von Anfang an hat mir Sam viel geholfen und mich so alles gelehrt, was es in der Formel E zu wissen gilt, ob das nun auf oder neben der Strecke ist: die Kommunikation mit den Ingenieuren und Mechanikern sowie der Umgang mit der ganzen Mannschaft. Sam ist wirklich super nett – „I enjoy it“.
Schauen wir zurück auf Monaco 2024. Sam, Sie hatten damals im Training einen schweren Unfall, bei dem Sie sich das Handgelenk brachen, und Taylor musste kurzfristig einspringen. Es gab übrigens in der Formel E etliche Unfälle letztes Jahr mit Handverletzungen.
S.B.: Ja, das ist richtig, aber inzwischen hat die Formel E reagiert und es gibt nun an allen Autos eine Polsterung im Innern des Cockpits und einen Lenkungsdämpfer. Somit glaube ich, dass wir ab jetzt weniger oder gar keine Handverletzungen mehr haben werden.
T.B.: Als ich vor einem Jahr zum ersten Mal unvorhergesehen am E-Prix in Monaco teilnahm, kam mir alles sehr schnell vor. Inzwischen ist viel passiert. Der Saisonanfang war sehr gut, mit zwei Pole Positions und fünf Podiumsplätzen. Wenn sowohl ich selbst als auch unser Auto uns weiter so gut entwickeln, dann sollten wir auch bei den nächsten Rennen noch gute Resultate einfahren.

Taylor, wie Sie soeben gesagt haben, haben Sie einen fabulösen Saisonauftakt hingelegt. Wieso sind Sie auf Anhieb so erfolgreich in der Formel E? Ist dies bedingt durch die Nachwuchsserien, die Sie bislang bestritten haben oder liegt Ihnen das Formel-E-Auto besonders gut, obschon dieses ja schon ziemlich anders als alle anderen Formel-Rennwagen ist?
T.B.: Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Es ist wohl eine Kombination aus vielen Elementen: Das Auto ist gut, das Team arbeitet sehr professionell und ich fühle mich sehr wohl in dieser Umgebung. Die guten Ergebnisse liegen sicher nicht nur allein an mir. In der Formel E gibt es so viele ausgezeichnete Piloten und Teams und alles liegt so eng beieinander. Hier braucht es einfach eine optimale Zusammenarbeit, um gute Resultate zu erzielen.
Sam, Sie sind seit ewig in der Formel E mit dabei. Wie sehen Sie die Entwicklung der Autos, der Teams, der Strecken und der Serie allgemein?
S.B.: Es hat sich so viel verändert in den letzten elf Jahren. In den ersten vier Saisons (Generation 1: 270 PS) mussten wir noch zur Rennhälfte von einem Auto ins andere springen (da die Batterien noch zu schwach waren, Anm. d. Red.). Die Autos der Generation 2 (335 PS) waren insgesamt schon viel besser (sodass man mit einem Auto durchfahren konnte, Anm. d. Red.), und nun mit der 3. Generation haben wir 470 PS, Vierradantrieb, viel Generative Power an der Front- und Hinterachse. Da die Teams die Performance immer weiter nach vorn treiben, wird die 4. Generation, ab 2026/27, noch viel beeindruckender werden.
Sam, kommen wir zurück auf Ihr Team. Es ist nun Ihre zweite Saison bei Neom-McLaren mit Nissan-Motoren. Was sind die größten Verbesserungen vom letzten zu diesem Jahr?
S.B.: Wir haben in unserer ersten Saison sehr gut mit unserem Motorenlieferanten Nissan zusammengearbeitet, sodass wir zusammen sowohl die Soft- als auch die Hardware gut verbessern konnten. Wir haben es auch fertiggebracht den neuen, schnelleren Reifen von Hankook gut zum Arbeiten zu bringen. All dies zusammen macht uns insgesamt um etliches besser und schneller.
Sam, in den ersten Jahren fuhr die Formel E fast ausschließlich auf „künstlichen“ Kursen mitten in Großstädten, wie Paris, Rom, New York und Zürich. Solche Rennen sind mittlerweile die große Ausnahme geworden. Vermissen Sie nicht solche Strecken?
S.B.: Ich lüge nicht, wenn ich sage, dass vor einigen Jahren der Formel-E-Kalender mehr Spaß gemacht hat, doch man muss sagen, dass Rennen in einer Stadt zu organisieren zum einen sehr teuer ist und zum andern dies „politisch“ auch immer schwieriger wird.
Taylor, was meinen Sie hierzu?
T.B.: Wissen Sie, die jetzigen Formel-E-Renner haben so viel Power und Grip und sie sind inzwischen so viel schneller geworden als die Autos der Gen 1 und Gen 2. Viele der Stadtkurse, auf denen vor einigen Jahren gefahren wurde, waren doch sehr eng und sind somit den jetzigen Formel-E-Autos nicht mehr angepasst. Die E-Prix in Jeddah und São Paulo z.B. waren gut und Monaco ist wirklich ideal für unsere Gen3 Evo-Autos. Die Formel-1-Autos sind für Monaco zu schnell und zu groß; deshalb ist das Racing dort auch nicht gut.
Taylor, Sie sind zwar erst seit diesem Jahr in der Formel E mit dabei, dennoch die Frage, ob Sie nicht auch interessiert sind, eventuell andere Formel-Serien zu bestreiten, zumal ja McLaren sowohl bei den IndyCars als auch in der Formel 1 vertreten ist.
T.B.: Momentan bin ich hier in der Formel E sehr zufrieden, ich habe ja erst dieses Jahr hier begonnen. Aber vielleicht in ein paar Jahren, mal sehen (grinst), ich bin ja noch jung!
Sam, Sie sind ja bereits öfters in der WEC-Langstreckenmeisterschaft gefahren. Nun wird ja McLaren genau in diesem Championat in der Hypercar-Klasse (LMDh) ab 2027 antreten. Ist dies ein Thema, das Sie nach oder neben der Formel E reizen könnte?
S.B.: Mal schauen, was die Zukunft bringt. Momentan bin ich voll auf die Formel E konzentriert und ich möchte mich nicht von anderen Überlegungen ablenken lassen. Ich werde bis zum Ende der Saison mein Allerbestes für das McLaren-Formel-E-Team geben.
Sam, Taylor, was müssen Sie bis zum Ende der Saison erreicht haben, um vollends zufrieden zu sein?
S.B.: Das Ziel ist, mit Neom McLaren die Top 3 in der Teamwertung am Ende der Saison zu erreichen, und alles darüber hinaus wäre nur noch besser.
T.B.: Ich muss sagen, dass ich nicht wirklich ein bestimmtes Ziel habe. Ich werde versuchen, weiterhin gut zu performen und regelmäßig Punkte einzufahren, auch wenn es nur 5. oder 6. Plätze sind, denn Beständigkeit ist das Ein und Alles in unserer Serie. Wenn mir am Schluss der Saison vielleicht der eine oder andere Sieg gelungen sein sollte und ich ums Championat habe mitkämpfen können, dann bin ich sehr zufrieden.
Resultate 2024/25
Neom-McLaren: 4. der Gesamtwertung mit 113 Punkten
Taylor Barnard: 4. mit 86 Punkten, 2x Pole Position, 1x Platz 2, 4x Platz 3
Sam Bird: 17. mit 27 Punkten, 1x Platz 4
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