Tageblatt: Botschafter Hua, ein wirklich nicht böse gemeintes Vorurteil über Chinesen ist, dass sie, egal, wo sie auf der Welt sind, immer am liebsten in chinesischen Restaurants essen. Welches ist Ihr Lieblings-Chinarestaurant in Luxemburg?
Hua Ning: Ich möchte keinen der Besitzer verärgern, aber das in unserer Botschaft ist wirklich sehr gut. Das Schöne ist: In fast jeder Stadt oder Gemeinde, die ich besucht habe, finde ich immer ein oder zwei chinesische Restaurants mit unterschiedlichen regionalen Spezialitäten, die sehr beliebt sind.
Sie kamen vor rund zwei Jahren als Botschafter nach Luxemburg. Kannten Sie das Land zuvor schon?
Meine Auslandstätigkeit begann ich als Pressesprecher für unser Außenministerium in London zwischen 1997 und 2002. Während dieser Zeit erfuhr ich bereits einiges über Luxemburg. Aber Luxemburg war in den 1990er-Jahren, insbesondere auf den globalen Finanzmärkten, noch nicht so stark wie heute. In Luxemburg fühle ich mich sehr wohl, hier haben wir einen offenen Zugang zu den Regierungsbeamten und pflegen eine freundliche Beziehung.
Lässt Ihr Arbeitsalltag Ihnen die Zeit, sich mit Land und Leuten auseinanderzusetzen?
Ich versuche, mehr über die Geschichte Luxemburgs und seine Kultur zu erfahren und sie zu verstehen. Ich habe fast 30 Gemeinden und viele Museen besucht. Und natürlich stehe ich in engem Kontakt mit der hiesigen Geschäftswelt. Wir haben eine sehr starke Zusammenarbeit. Wir haben hier sieben Banken. Sechs davon haben Luxemburg als Hauptsitz in Europa gewählt.
Nicht nur chinesische Banken sind hier. Chinesisches Kapital steckt zum Beispiel in der BIL, der Cargolux oder Enovos. Die „Gëlle Frau“ war in Schanghai bei der Weltausstellung. Haben China und Luxemburg eine besondere Beziehung?
Die gute Nachricht ist, dass der Pavillon noch in Schanghai steht. Er ist einer der fünf oder sechs Pavillons, die nach der Expo erhalten blieben. Jetzt ist daraus, und schon sind wir wieder beim Thema Essen, ein sehr gutes Restaurant geworden.
Aber pflegen China und Luxemburg andere bilaterale Beziehungen, als es zum Beispiel große europäische Länder tun?
Ja, ich denke schon. China und Luxemburg haben, im Gegensatz zu anderen Ländern, historisch gesehen keine größeren Probleme miteinander. Selbst wenn wir manchmal in einigen Fragen anderer Meinung sind, halten wir die Kommunikation aufrecht und versuchen, Missverständnisse zu reduzieren. Wir sind beide sehr praktisch veranlagte Länder, die genau wissen, was das Beste im Interesse des eigenen Landes und für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen ist. Ohne Stabilität ist es sehr schwierig, Investitionen aus China anzuziehen. Das ist etwas, das wir sehr genau verfolgen.
Solche Orte wie Luxemburg auf der Welt zu haben, bleibt wichtig
Wer in Luxemburg-Stadt über den Boulevard Royal schlendert, sieht auf beiden Seiten chinesische Banken. Wie kommt es, dass sie alle Luxemburg als Einstiegstor in den europäischen Markt gewählt haben?
Luxemburg hat einen sehr soliden Finanzmarkt mit vielen internationalen Talenten und einem sehr breiten Netzwerk, das Europa, Amerika und China verbindet. Luxemburg mag ein kleines Land sein, aber es ist ein Drehkreuz für die globale Finanzindustrie. Deshalb kommen die Banken hierher. Und dieses Jahr richtet die erste chinesische Versicherungsgesellschaft ihre EU-Zentrale in Luxemburg ein.

Luxemburg ist kleiner, ruhiger, gemütlicher als andere europäische Hauptstädte und steht folglich weniger im Rampenlicht. Macht das das Großherzogtum zu einem besonderen Ort für Diplomaten? Kommt man hier leichter ins Gespräch?
Wir haben sehr gute Beziehungen zu allen diplomatischen Vertretungen hier. Ich erinnere an das Treffen in Luxemburg vor zwei Jahren, kurz bevor ich hierherkam, zwischen dem damaligen Direktor des Büros für auswärtige Angelegenheiten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas und dem Nationalen Sicherheitsberater der USA. Das fand in Luxemburg statt, weil Luxemburg gute Beziehungen zu China und den Vereinigten Staaten pflegt. Luxemburg trat immer als Vermittler zwischen den großen EU-Mitgliedern auf. Die Luxemburger Diplomaten sind gut darin, einen Mittelweg zu finden. Natürlich kann es sein, dass die politischen Entscheidungen Luxemburgs als EU-Mitglied durch die gemeinsame europäische Politik eingeschränkt werden. Wir verstehen das, aber wir vertrauen darauf, dass Luxemburg seine traditionelle Rolle als Vermittler weiterspielen kann. Solche Orte auf der Welt zu haben, bleibt wichtig.
Solarpanele und Elektroautos, Europa und China
Vor zehn Jahren rief Europa zur Revolution bei Solaranlagen und Elektroautos auf. Jetzt importieren die europäischen Staaten Solarmodule aus China und auch in Sachen Elektromobilität hat uns China den Rang abgelaufen. Auf die Frage, was Europa falsch gemacht hat, weicht Chinas Botschafter in Luxemburg, Hua Ning, aus. Er überlasse es lieber der europäischen Seite, dies zu bewerten, sagt der Diplomat. Aus chinesischer Sicht heraus erfordere die Entwicklung einer neuen Industrie, eines neuen Sektors, „systematische Wege“, sagt Hua aber und erklärt: „Man braucht hohe Investitionen in Forschung und Entwicklung und manchmal auch einen sehr harten Wettbewerb auf dem Markt. Und Sie brauchen die nötige Infrastruktur. Wenn es für die Menschen sehr schwierig ist, eine Ladestation zu finden, wird sie das vom Kauf eines Elektroautos abhalten. Zudem ist saubere Energie wichtig. Wenn das Elektroauto mit Strom aus Kohle betrieben wird, ist es kein Elektroauto im eigentlichen Sinne. Das Umweltbewusstsein der Menschen ändert sich sehr stark.“ Vor zehn Jahren habe China, und Hua schließt sich dabei bewusst ein, noch große Zweifel an der Zukunft von Elektroautos gehabt. Das sei jetzt „ganz anders“.
Überrascht ist Hua darüber, wie wenige Elektroautos er auf Luxemburgs Straßen sieht. Aber China fange gerade erst an, in die europäischen Märkte einzusteigen. Insgesamt seien mehr Investitionen und mehr Zusammenarbeit nötig, ist der Diplomat überzeugt: „Das könnte auch die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Autohersteller stärken.“ Die meisten europäischen Autohersteller seien gegen die Entscheidung der EU, den Zoll auf chinesische Elektrofahrzeuge zu erhöhen, und hätten einen Weg gefunden, mit chinesischen Partnern zusammenzuarbeiten. „Es gibt also noch Möglichkeiten, wie wir eine Win-win-Situation erreichen können“, sagt Hua, „solange beide Seiten am Dialog festhalten.“
China hat in den vergangenen 20 Jahren ein beeindruckendes Wachstum erzielt und die Armut von Hunderten Millionen Menschen beseitigt. Wurde dies durch den Kommunismus oder durch den Kapitalismus erreicht?
Die Leitphilosophie der Kommunistischen Partei Chinas bleibt der Marxismus. Aber seit wir Ende der 1970er-Jahre die Reformpolitik eingeführt haben, haben wir versucht, die Marktwirtschaft mit der Planwirtschaft zu verbinden. Später haben wir die sozialistische Marktwirtschaft eingeführt. Wir überlassen dem Markt die entscheidende Rolle bei der Entscheidung über die Ressourcen. Das bedeutet aber nicht, dass die Regierung ihre Verantwortung für die Regulierung der Märkte oder die Überbrückung der Kluft zwischen Arm und Reich aufgeben sollte. Manchmal kann der Kapitalismus keine soziale Gerechtigkeit gewährleisten. Und je reicher die Reichen werden, desto ärmer werden die Armen. Das ist nicht die Gesellschaft, die wir aufbauen wollen. Eine Gesellschaft der Armut ist kein Sozialismus. In Luxemburg konzentrieren sich die LSAP oder die Linkspartei mehr auf soziale Gerechtigkeit, auf soziale Sicherheit und gleiche Bezahlung, angemessene Gehälter. Das ist etwas, worauf auch die Chinesen Wert legen. Alle fünf Jahre erstellen wir einen neuen nationalen Plan. Daran arbeiten wir sehr hart.
Der nächste, der 14. Fünfjahresplan, steht kurz bevor. Was kann sich die Welt erwarten?
Wir wollen 300 institutionelle Reformen umsetzen und ein Umfeld schaffen, das mehr Rechtsstaatlichkeit, Gleichbehandlung für inländische und ausländische Investoren und ein erstklassiges Geschäftsumfeld bietet. Es wird also viele Veränderungen geben. In fünf Jahren, im Jahr 2029, werden wir sehen, wo wir dran sind.
Die Passagierfluglinie zwischen China und Luxemburg ist die erste, die in mehr als 50 Jahren diplomatischer Beziehungen eingerichtet wurde. Wie fällt die erste Bilanz aus?
Viel besser als erwartet. Normalerweise dauert es drei bis fünf Jahre, bis man das Wachstum der Passagierzahlen sieht. Aber jetzt übertrifft die Leistung bereits unsere Erwartungen, insbesondere in der Sommersaison.
Wir wollen auch über die internationale Lage sprechen. Seit der russischen Invasion der Ukraine herrscht wieder Krieg in Europa und die Welt ist unsicherer geworden, die Polarisierung gestiegen. Aus westlicher Sicht ist es schwer zu verstehen, warum China Russland bei seinem Krieg gegen die Ukraine unterstützt. Können Sie das nachvollziehen?
Nein, das kann ich nicht. Wir unterstützen keine der beiden Seiten in diesem Krieg. Und wissen Sie, wir Chinesen haben die Tradition, ein sehr kompliziertes Thema nicht auf eine sehr vereinfachte Weise zu betrachten. Wir stehen für den Frieden und sind der Meinung, dass der Krieg sehr bedauerlich ist und auf beiden Seiten Opfer fordert. China leistet humanitäre Hilfe für die Ukraine. Dieser Krieg findet nicht wegen China statt. Er hat nichts mit China zu tun. Er findet in Europa statt und hat einen historischen und einen politischen Hintergrund. Wir verkaufen keine Waffen an die Kriegsparteien. Unsere Position entspricht also eher jener der Mehrheit innerhalb der internationalen Gemeinschaft. Wir stehen für einen umfassenderen und ausgewogeneren Weg und wollen nicht, dass der Krieg noch mehr Unheil über die Welt bringt. Aber es scheint, dass die Situation auf dem Schlachtfeld und der politische Wille noch nicht bereit sind. Es ist unfair, China die Schuld zu geben. Wir sind nicht Teil des Krieges.
Wir wollten China nicht die Schuld am Ukraine-Krieg zuschreiben, fragen uns aber, ob China nicht noch stärker bei der Lösung dieses Problems helfen könnte. Wladimir Putin hat kurz vor Beginn des Krieges Ihren Präsidenten Xi Jinping besucht. Und es sah ein bisschen so aus, als wäre er dorthin gereist, um grünes Licht für seinen geplanten Krieg zu bekommen …
Wladimir Putin hat sich damals die Eröffnungsfeier der Winterspiele angesehen. Wir waren über keine Kriegsabsichten informiert. Ich denke, es war nicht Moskaus Plan, irgendjemanden zu informieren. Wir betrachten niemanden als unseren Feind. Auch Luxemburg spielt manchmal die Rolle des Mediators und ist auch nicht immer erfolgreich. Es braucht manchmal Zeit, um Kriegsparteien zurück an den Verhandlungstisch zu bringen.
China ist selbst eine Militärmacht. Könnten Sie nicht mehr Druck machen?
Die chinesische Philosophie erinnert unsere Herrscher immer daran, dass man äußerst vorsichtig sein muss, wenn man Gewalt einsetzt, um eine Lösung zu finden. Deshalb haben wir fast alle Grenzprobleme mit unseren Nachbarländern friedlich gelöst, außer mit Indien. Einige Leute nutzen den Krieg, um die Welt zu spalten, und teilen die Welt in verschiedene politische Gruppen auf. Das führt zu einer Art Kaltem Krieg. Wir haben jetzt schon den heißen Krieg. Wir brauchen keinen weiteren Kalten Krieg. Wenn wir in die 1970er- bis 1990er-Jahre zurückgehen, wird das ein absolut historischer Fehler sein.
Sie haben die chinesischen Philosophen erwähnt, die sagen, dass man sehr vorsichtig sein muss, wenn man Gewalt anwendet. Die chinesische Position ist in Bezug auf Taiwan sehr klar, indem Sie sagen, dass es eines Tages nach China zurückkehren muss. Könnte Taiwan China also einen großen Krieg wert sein?
Taiwan war historisch gesehen nie ein unabhängiges, souveränes Land. Ein Regierungswechsel bedeutet nicht den Wechsel des Territoriums. In Ihrem Land gibt es alle vier oder fünf Jahre eine neue Regierung, aber das Territorium bleibt dasselbe. Doch eine Partei wie die Demokratische Fortschrittspartei (DPP) in Taiwan hat sich für die Unabhängigkeitsbewegung engagiert. Und es gibt auch einige externe Störungen oder Einmischungen. Es sollte doch eigentlich unvorstellbar sein, dass ein souveränes Land Waffen an einen Teil eines anderen Landes verkauft!
Sprechen Sie jetzt von den Vereinigten Staaten?
Ja, wir haben wiederholt unsere Position zu den Waffenverkäufen Amerikas an Taiwan zum Ausdruck gebracht. Die DPP hat das Gefühl, dass sie von externen Kräften unterstützt wird. Das wird sie nur dazu ermutigen, einen riskanteren Ansatz zu verfolgen.
Und das bedeutet was in den Augen Pekings?
Wissen Sie, wir sind sehr geduldig. Aber Taiwan ist eine historische Ungerechtigkeit, die wiederhergestellt werden muss. Wenn Taiwan nicht zu China gehört, wofür haben wir dann gekämpft? Wir haben 35 Millionen Menschen verloren, darunter Soldaten und Zivilisten, und den Zweiten Weltkrieg gegen die japanische Invasion gewonnen. Ihr Blut wird umsonst vergossen worden sein. Dieses Thema ist eine historische Wunde Chinas. Jedes Land mit einer solchen Verletzung versteht uns. Einige sprechen von der Souveränität der Ukraine, aber sie ignorieren die Souveränität des palästinensischen Volkes und verletzen weiterhin unsere Souveränität über Taiwan. So etwas nennen wir Doppelmoral.
Eine Unabhängigkeit Taiwans bleibt ausgeschlossen?
Die Unabhängigkeit Taiwans ist völlig unmöglich. Wir waren, wie bereits erwähnt, sehr geduldig. Wir haben uns immer für eine friedliche Vereinigung eingesetzt. Aber es kann keine friedliche Unabhängigkeit geben. Kein Land würde eine solche Art von Trennung zulassen.
Wir können nicht versprechen, dass wir auf die mögliche Anwendung von Gewalt verzichten werden. Wir hoffen also, dass die internationale Gemeinschaft das voll und ganz versteht.
Nach einer friedlichen Wiedervereinigung sieht es derzeit aber auch nicht aus. Taiwan ist hochgerüstet und China intensiviert seine Militärmanöver, die einen Angriff auf die Insel simulieren.
Wissen Sie, warum die Beziehungen über die Taiwanstraße vor zehn Jahren recht stabil waren?
Sie werden es uns sagen.
Weil beide Seiten, weil alle anerkannt haben, dass es nur ein China gibt. Aber die DPP versucht, die historischen und kulturellen Verbindungen zum Festland zu kappen. Die Menschen, die Chinesen auf der Insel Taiwan, sind aufgrund von Propaganda verwirrt über ihre eigene Identität. Wir warten jetzt seit 1949 …
Können Sie nicht weiter geduldig bleiben, für den Frieden in der Welt sozusagen?
Nur die Unabhängigkeit wird den Krieg bringen. Wir haben immer noch Hoffnung in die Menschen in Taiwan. Doch wir haben unsere Prinzipien, unsere Fristen, unsere roten Linien, die unsere Kerninteressen betreffen. Wir können nicht versprechen, dass wir auf die mögliche Anwendung von Gewalt verzichten werden. Wir hoffen also, dass die internationale Gemeinschaft das voll und ganz versteht.
Aus europäischer Sicht muss man sagen: Wir sehen, was in Europa passiert ist mit der russischen Invasion der Ukraine. Es ist der erste große Krieg auf dem Kontinent seit Jahrzehnten. Würde auch ein Krieg um Taiwan ausbrechen, würde die Welt endgültig an der Schwelle zum nächsten Weltkrieg stehen. Das ist unsere Sorge, die, ehrlich gesagt, nicht kleiner geworden ist gerade.
Der grundlegende Unterschied zwischen der Ukraine-Frage und der Taiwan-Frage ist, dass die Ukraine ein souveräner Staat ist und Taiwan nicht. Taiwan ist ein Teil Chinas. Die Ukraine ist die Ukraine.
Wie sehen Sie die Position Luxemburgs in dieser Frage?
Luxemburg hat sich an das Ein-China-Prinzip gehalten. Allein das ist entscheidend.
De Maart
"Solarpanele und Elektroautos, Europa und China." A propos Datenklau, hat er nix über Airbus erzählen wollen?
Opgepasst ob déi Luussepätteren!