Samstag8. November 2025

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MehrwertstudieInternationale Expertin spricht von einem „sensationellen Ergebnis“ für Luxemburger Nationalbibliothek 

Mehrwertstudie / Internationale Expertin spricht von einem „sensationellen Ergebnis“ für Luxemburger Nationalbibliothek 
Über die Hälfte (54 Prozent) der Befragten besucht die BnL seit vier Jahren oder länger Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Was nützt die Nationalbibliothek der Wirtschaft und wer besucht sie? Antworten darauf gibt eine neue Mehrwertstudie. Was sich der Direktor, Claude D. Conter, wünscht und wofür es Lob aus Deutschland gibt. 

Im Januar kündigte die Nationalbibliothek Luxemburg (BnL) sie an, jetzt liegen die Ergebnisse der Mehrwertstudie durch das Münchner Institut „bms marketing research + strategy“ vor: Die BnL erwirtschaftet jährlich 38,13 Millionen Euro. Das übersteigt die rund neun Millionen Euro Staatsgelder, die ihr 2025 zur Ausstattung, Ressourcenbeschaffung und ähnlichen Investitionen zur Verfügung stehen.* Doch was, wenn diese öffentlichen Gelder ausbleiben würden? Das könnte die luxemburgische Wirtschaft und Gesellschaft rund 29 Millionen Euro kosten. Mit jedem Euro, den die BnL bezieht, generiert sie rund drei Euro für die Luxemburger Wissensgesellschaft.

„Die Ergebnisse zeigen klar: Öffentliche Investitionen in die BnL haben einen messbaren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Nutzen“, so der Direktor der BnL, Claude D. Conter, am Montag bei der Pressekonferenz zu den Ergebnissen. Dieser wohnten auch Kulturminister Eric Thill (DP), Sabine Graumann („Senior Vice President Information & Library Consultancy“, bms marketing research+ strategy) und Peter Kurz („Senior Vice President Innovations & Methods“, bms marketing research+ strategy) bei. Die BnL ist die erste Kultureinrichtung Luxemburgs, die ihren wirtschaftlichen Einfluss auf die Gesellschaft und Wissensgemeinschaft in Luxemburg messen ließ.

V.l.: Kulturminister Eric Thill, BnL-Direktor Claude D. Conter, Sabine Graumann und Peter Kurz (beide „bms marketing research + strategy“)
V.l.: Kulturminister Eric Thill, BnL-Direktor Claude D. Conter, Sabine Graumann und Peter Kurz (beide „bms marketing research + strategy“) Foto: Editpress/Hervé Montaigu

Muss wer nachziehen?

Claude D. Conter unterstrich bei der Präsentation mehrfach, bei der Studie handele es sich nicht um einen Auftrag des Kulturministeriums, sondern um einen Bestandteil des Projekts „Vision 2020-2030“ der Nationalbibliothek – darin sind unter anderem strategische Ziele festgeschrieben. Trotzdem deckt sich das Vorhaben mit dem Regierungsprogramm. Dort ist eine Studie zum Einfluss der Kultur auf die Gesamtwirtschaft vorgesehen. Entsprechende Gespräche mit der Statistikbehörde Statec wurden bereits aufgenommen, Ergebnisse sind bis zum Ende der Legislaturperiode vorgesehen. Die BnL griff also vor, doch stellt das die anderen Kulturinstitutionen unter Zugzwang?

„Wir stehen mit anderen Kulturinstitutionen im Austausch, aber es ist nicht die Aufgabe des Kulturministers, sich in das Alltagsgeschäft der Häuser einzumischen“, versicherte Kulturminister Eric Thill (DP) bei der Pressekonferenz. „Ich finde es richtig und wichtig, dass die BnL diesen Schritt gewagt hat, aber wir werden keinen Kulturbetrieb zur Durchführung solcher Studien zwingen. Auch wenn ich der Meinung bin, dass die Ergebnisse – egal, wie sie ausfallen – hilfreich sind, um gegebenenfalls Anpassungen vorzunehmen und den Zugang zu Kultur zu erleichtern.“ Rote Zahlen würden allerdings keine Schließungen oder Kürzungen staatlicher Gelder nach sich ziehen.

Conter offenbarte derweil, anfangs hätten nicht alle Mitarbeitenden der BnL die Durchführung der Studie unterstützt. Teils aus Unbehagen hinsichtlich der Resultate. „Die Kulturbranche sollte sich nicht vor solchen Datenerhebungen fürchten“, kommentiert er dies. „Wären die Ergebnisse schlecht ausgefallen, hätten wir das als Herausforderung begriffen, die Menschen stärker für unsere Angebote zu sensibilisieren.“ Es ginge vor allem darum, das Vertrauen der Politik in die Kulturinstitutionen zu stärken und den Regierungsmitgliedern Zahlen an die Hand zu geben, welche die Vergabe öffentlicher Gelder legitimieren. „Wir leben in Zeiten von Polykrisen, in anderen Ländern wird das Kulturbudget deswegen gekürzt“, merkte Conter an. „Dabei ist es Kultur, die Menschen zusammenbringt und uns resilient macht. In Luxemburg wird momentan noch nicht an den Zuschüssen für Kultur gespart, aber wer weiß, was die Zukunft bringt? Wenn es hart auf hart kommt, will ich in der Lage sein, mit Daten zu beweisen: Investitionen in den Kulturbereich zahlen sich aus und bringen Gelder ein.“ Der kostenfreie Zugang zum Großteil der BnL-Angebote sei für ihn nicht verhandelbar, auch wenn die Studie zeigt: 59 Prozent der 2.166 Befragten – davon sind 96 Prozent in der BnL eingeschrieben – wären bereit, notfalls für das Fortbestehen der BnL in die Tasche zu greifen. Derzeit geben 72 Prozent von ihnen weniger als 20 Euro im Monat aus, um kostenpflichtige Dienste in der BnL zu nutzen (z.B. Drucker, Scanner usw.).

Hohe Zufriedenheitswerte

Die erwähnte Zahlungsbereitschaft zeugt von der hohen Loyalität der Nutzenden gegenüber der Institution. Über die Hälfte (54 Prozent) der Befragten besucht die BnL seit vier Jahren oder länger. Die Treue sowie die Begeisterung für die BnL ziehen sich wie ein roter Faden durch die Ergebnisse. Neben dem wirtschaftlichen Mehrwert befasste sich „bms marketing research + strategy“ nämlich auch mit der Zufriedenheit und den Gewohnheiten der Nutzenden. Diese Aspekte wurden per Online-Umfrage ermittelt (Januar-März 2025).
Allen voran greifen Privatpersonen (66 Prozent) und Studierende (13 Prozent) auf die BnL zurück. „Der Großteil verfügt über einen hohen Bildungsabschluss (74 Prozent, d.R.)“, so Conter über die Ergebnisse. Versteht er dies in der Pressemitteilung als Bestätigung der internen Zielsetzung („Mit unserer Positionierung als wissenschaftliche Bibliothek (…) liegen wir genau auf Kurs“), begreift er diesen Umstand bei der Pressekonferenz auch als Herausforderung: „Wenn wir unser Streben nach sozialer Kohäsion ernst nehmen – und das tun wir –, müssen wir uns bemühen, auch andere Menschen in die BnL zu locken.“

„Ich möchte eine breite Debatte“

„Ich werde ständig von Privatnutzern bis hin zu Abgeordneten und anhand der mittlerweile schon dritten Petition zu längeren Öffnungszeiten befragt“, so der Direktor Claude D. Conter der „Bibliothèque nationale du Luxembourg“ (BnL) bei der Pressekonferenz am Montag auf Nachfrage des Tageblatt. Zum Hintergrund: Seit dem 12. Juni dieses Jahres läuft eine Petition, die fordert, dass die BnL 24 Stunden, sieben Tage die Woche ihre Türen öffnet. Bis jetzt erhielt sie 30 Unterschriften (Stand: 7. Juli 2025). Die Petition benötigt mindestens 5.500 Unterschriften, damit es zur Debatte in der Abgeordnetenkammer kommt. Bereits vor 2024 beschäftigte die Frage um längere Öffnungszeiten der BnL das Kulturministerium – eine Antwort liefert die Bestandsaufnahme zur Bibliothekslandschaft sowie eine dazugehörige Studie zum Leseverhalten in Luxemburg (2024). In diesem Rahmen wurden 1.030 Teilnehmende befragt. Das Ergebnis: Insgesamt waren 69 Prozent der Befragten zufrieden mit den Öffnungszeiten der BnL. Claude D. Conter betonte, dass die BnL ihre Öffnungszeiten seit seinem Amtseintritt 2020 bereits wochentags auf 20 Uhr verlängert habe und es aktuell keinen Grund gäbe, dieses Angebot weiter auszubauen. Conter sagte auch, die Frage um mögliche Öffnungszeiten am Sonntag betreffe nicht nur die BnL, sondern stelle eine „gesellschaftspolitische Debatte“ dar. „In dem Fall würde es immer Menschen geben, die den Sonntag nicht mit ihrer Familie verbringen – und dann müssen wir uns die Frage stellen: Wollen wir das?“, fragte er. „Hierzu fordere ich eine gesamtgesellschaftliche Debatte zur Sonntagsarbeit, wie sie derzeit bereits stattfindet.“
(Oriana Furtado Ennulat)

Wer diese erste Hürde bereits überwunden hat, ist mit der BnL „zufrieden“ und würde sie „bestimmt weiterempfehlen“ (jeweils 96 Prozent). Somit erreicht die BnL einen Zufriedenheitswert von 94 von 100 Punkten. „Das ist ein sensationelles Ergebnis im Vergleich zu anderen Branchen, deren bester Wert im Bildungsbereich gerade einmal 56 Punkte erreicht“, betonte Sabine Graumann. Damit bezog sie sich auf Studien ihres Instituts seit der Gründung 1995.

Was macht die BnL aus?

Am häufigsten leihen die Nutzenden Material in den Bereichen Geschichte und Geografie aus (34 Prozent), dicht gefolgt von Literaturwissenschaft (26 Prozent) und Philosophie oder Psychologie (20 Prozent). „Diese Ergebnisse hängen mit dem Studienangebot in Luxemburg zusammen“, vermutet Conter. „Überraschend ist hingegen: Nur 11 Prozent leihen Material zu Jura aus, dabei gibt es zahlreiche Studierende in diesem Fachbereich.“ 

So weit zum Ausleihverhalten, aber was schätzen die Befragten am meisten an der BnL? Hier die „Top 3“: den kostenlosen Zugang (73 Prozent), den attraktiven Bestand (60 Prozent) und die inspirierende Atmosphäre (50 Prozent). Verbesserungspotential sehen die Umfrage-Teilnehmenden im Hinblick auf die Nutzung der Online-Angebote, zum Beispiel den Zugriff auf das Webarchiv der BnL außerhalb der Bibliothek.
Claude Conter nannte weitere Prioritäten: „Die Studie belegt, dass 88 Prozent unserer Nutzer aus Luxemburg und nur neun Prozent aus der Großregion stammen. Genau dieses Publikum wollen wir in Zukunft erreichen, denn auch Menschen aus den Nachbarländern können unsere kostenlosen Angebote nutzen.“ Die BnL stelle ein Unikat in der europäischen Nationalbibliothekslandschaft dar. Nirgendwo sonst könnten Besuchende gratis Lesesäle nutzen, noch dazu ohne Mitgliedsausweis. Am Ende äußerte der Direktor schließlich noch einen persönlichen Wunsch: „In meiner Traumvorstellung besitzt in Zukunft jeder Haushalt mindestens einen Bibliotheksausweis.“

* Allgemein fördert das Kulturministerium die BnL dieses Jahr mit 26.145.792 Euro, was neun Prozent des Gesamtbudgets des Ministeriums entspricht. Davon ausgenommen sind unter anderem Sonderausgaben, etwa zum Erwerb der Riesenbibel aus Echternach zum Preis von 4,6 Millionen.

Conter Claude D.
8. Juli 2025 - 10.10

Wie dem Jahresbericht der Nationalbibliothek zu entnehmen ist, besuchten 322.264 Personen im vergangenen Jahr den Lesessal, im Schnitt gibt es 1279 Besucher pro Tag. Anbei können Sie den Jahresbericht downloaden: https://bnl.public.lu/en/a-la-une/publications/rapports-annuels/rapport-activite-2024.html

Michaux Merle
7. Juli 2025 - 23.11

Viele 'Prozente' aber wie steht's mit den tatsächlichen Besucherzahlen?