Dienstag4. November 2025

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„Schädliches wird abgestoßen“In Wladiwostok erklärt Putin einmal mehr seine Sicht der Welt – das Ziel bleibt die Vernichtung der Ukraine

„Schädliches wird abgestoßen“ / In Wladiwostok erklärt Putin einmal mehr seine Sicht der Welt – das Ziel bleibt die Vernichtung der Ukraine
„Auf bewaffnetem Weg, wir haben das bewusst getan“: Wladimir Putin am Mittwoch in Wladiwostok Foto: AFP/Sergej Bobylow

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Beim Wirtschaftsforum in Wladiwostok erklärt Russlands Präsident Wladimir Putin einmal mehr seine Sicht der Welt: Der Westen führe alle in den Abgrund, die USA seien ein Diktator. Und in der Ukraine „erfüllen wir unsere Pflicht bis zum Ende“.

Der Moderator gibt sich kritisch. Knapp 30 Minuten hatte Russlands Präsident Wladimir Putin da an seinem Stehpult auf dem Wirtschaftsforum in Wladiwostok von den Veränderungen in der Welt gesprochen. Hatte die „Vorzüge des globalen Ostens“ erwähnt, den „Weg zu einer multipolaren Welt“ erklärt, wie das Forum im Fernen Osten Russlands überschrieben war. Er hatte über „freundliche und unfreundliche Länder“ gesprochen – in solche teilt Russland die Staaten nach dem Krieg in seinem Nachbarland ein, den es angefangen hat, aber euphemistisch als „militärische Spezialoperation“ bezeichnet. Er hatte dem Westen einen „Sanktionsschüttelfrost“ diagnostiziert und unterstellt, die USA seien eine „Diktatur mit hoffnungsloser Währung“. Die EU hatte er als „Kolonisatoren, die nicht aufhören zu lügen“ bezeichnet, die nach Regeln lebe, der nur ihr selbst als nützlich erschienen. Der Westen betreibe gerade „wirtschaftliche und technische Aggression gegenüber Russland“. Russland dagegen habe alles, um wirtschaftlich und sozial zu gedeihen. Wladiwostok sei ein Tor nach Osten, dem er mit vielerlei Finanzierungsprogrammen zum Bau neuer Wohnviertel und Unternehmen zum weiterem Aufschwung verhelfen wolle.

Es ist die gewohnte Putin’sche Rhetorik: der Westen als Übel in der Welt, Russland als das starke, souveräne Land, das sich diesem Übel trotz aller Nadelstiche entgegenstelle. Schon setzt sich der Präsident aufs Podium zu seinen Gästen aus Myanmar, China und Armenien, und Ilja Doronow, der Moderator, sagt: „Sie haben die Ukraine mit keinem Wort erwähnt.“ „Ist sie denn in dieser Region?“, sagt Putin mit einer gewöhnlichen Portion Zynismus. Das Ergebnis dessen, was gerade passiere, so fährt er fort, sei die „Stärkung der Souveränität Russlands“. „Wir haben nichts verloren und wir werden nichts verlieren.“ Die Polarisierung, auch innerhalb der russischen Familien, geschehe „zum Wohle des Landes“: „Unbrauchbares, Schädliches wird abgestoßen.“ Russland habe lediglich „spiegelbildlich auf Handlungen unseres potenziellen Feindes“ reagiert: „Auf bewaffnetem Weg. Wir haben das bewusst getan.“ Die Situation verändere sich zum Besseren. „Wir werden unsere Pflicht bis zum Ende erfüllen.“

Die Vernichtung der Ukraine bleibt das Ziel

Russland werde keinen Schritt weichen, bis das „Ziel“ der „Spezialoperation“ nicht erreicht sei, das sagt Russlands Präsident immer wieder. Seine Propagandisten tragen es – durchaus erfolgreich – ins Volk. Das „Ziel“, mag es sich in einzelnen Sätzen und Ausdrücken auch immer wieder ändern, ist die Vernichtung der Ukraine. Und doch sagt Putin auch in Wladiwostok immer wieder: „Wir haben nichts angefangen.“ Oder: „Man hat es uns aufgedrängt.“ Oder: „Was haben wir denn damit zu tun?“

Jegliche Kritik wird als „Unsinn“ und „Fantasie“ abgetan. Gas und Öl als Waffe? „Wir sind außen vor“, sagt Putin. Europa sei „auf Druck der Amerikaner“ in der Sanktionssackgasse gelandet und schade sich selbst. Russland erfülle alle Verträge. Nord Stream 2 könne sofort eingeschaltet werden. „Wir müssen nur den Knopf drücken.“ Aber, aber, aber. Der Westen, der Westen, der Westen.

Putin hat sich in seinem Irrglauben verfangen, die Ukraine sei Russland, hat sein Land in eine Spirale von einem übergroßen Feind im Westen, der Russland in seinem Gedeihen vernichten wolle, hineinmanövriert und bedient mit Mitteln der Gewalt dieses Narrativ der verdrehten Tatsachen. In manchen Ländern greift dieses Narrativ. China steht Moskau bei, afrikanische Länder sehen für sich neue Möglichkeiten und auch manche Europäer zeigen sich geradezu begeistert über die „tektonischen Verschiebungen“, wie Österreichs Ex-Außenministerin Karin Kneissl die Entwicklungen in der Welt in Wladiwostok nannte. Zweifel an Putins Verdrehungen? Äußert sie, die mit Putin auf ihrer Hochzeit tanzte, freilich nicht.