Paul Thomas Andersons „One Battle After Another“ beginnt mit einer Szene, die den Ton für alles Folgende setzt: eine bewaffnete Befreiungsaktion in Los Angeles, durchgeführt von einer Gruppe, die sich „French 75“ nennt. An ihrer Spitze steht Perfidia Beverly Hills (Teyana Taylor), eine Figur, deren Name wie eine Übertreibung klingt und die auch so inszeniert wird: glamourös, furchteinflößend, getrieben von einem Furor, der politisches Pathos und körperliche Begierde in einem einzigen Gestus bündelt.

Zwischen dem Zischen einer Bombe und dem Stöhnen einer schnellen Liebesszene mit ihrem Freund Bob (Leonardo DiCaprio) liegt hier kein Widerspruch, sondern das Programm: Politik und Intimität verschränken sich in diesem Kosmos permanent. Auch dem Erzfeind Colonel Steven J. Lockjaw (Sean Penn), einem harten, in sich verbissenen Militär, begegnet Perfidia nicht mit strategischer Kälte, sondern mit offener Demütigung, die ihn zugleich erregt. Gewalt und Begehren, Revolte und Machtdemonstration sind in diesen frühen Sequenzen untrennbar verbunden.
Schon in diesem Einstieg deutet sich an, was Anderson im Verlauf der knapp dreistündigen Erzählung entfaltet: kein linearer Plot, sondern ein Geflecht aus Episoden, Figuren und Zeiten. Die Handlung setzt zu Beginn in den frühen 2000er-Jahren an, markiert dies aber nie durch exakte Daten, die Übergänge sind fließend. Stattdessen begegnen sich Autos aus den Achtzigern und Geräte aus der Jetztzeit, Werbeplakate wirken wie Relikte, Innenräume wie museale Vitrinen. Anderson entwirft einen Kosmos, der an unsere Gegenwart erinnert, sie jedoch bewusst verschiebt. Dieses Changieren erzeugt eine Verfremdung, die seine Adaption von Thomas Pynchons „Vineland“ prägt: keine exakte Umsetzung der literarischen Vorlage, sondern eine eigensinnige Mischung aus Fragmenten, Übertragungen und Neukombinationen.
Gesellschaft am Kipppunkt
Der Sex zwischen Perfidia und Bob mündet bald in eine Schwangerschaft. Doch die Aussicht auf Mutterschaft zügelt Perfidias Exzesse nicht. Mit freiem Bauch feuert sie Maschinengewehrsalven ab, kurz darauf verrät sie ihre Gruppe und verschwindet aus der Geschichte. Nach einem Zeitsprung tritt ihre Tochter Willa (Chase Infiniti) ins Bild, die nun mit Bob im Verborgenen lebt. Der ehemalige Aktivist, längst ein paranoider, lethargischer Mann, raucht, schaut alte Revolutionsfilme wie „Schlacht um Algier“ (1966) und versucht vergeblich, die Tochter durch Misstrauen vor der Welt zu schützen. Willa selbst begegnet man im Karateunterricht: stark, eigensinnig, in ihrer Körperlichkeit eine Fortsetzung der Mutter, deren Bild sie aber nie ganz auszufüllen vermag. Als Lockjaw die Fährte aufnimmt, gerät sie unweigerlich ins Zentrum der alten Konflikte.

Damit ist der Rahmen gesteckt: Die Geschichte und Motive aus der Feder von Pynchon überträgt Anderson in ein eigenständiges filmisches Gefüge. Es geht um eine Gesellschaft am Kipppunkt, Ideologien, die über Generationen hinweg weiterwirken, und Figuren, die nicht zwischen Vergangenheit und Gegenwart unterscheiden können. Bob bleibt ein Mann, der einst revolutionär handelte und nun unfähig ist, seinen Alltag zu bewältigen. Leonardo DiCaprio legt seine Figur bewusst als heruntergekommene Erscheinung an: meist im abgetragenen Bademantel, mit verstrubbelten Haaren und einem Gesicht, das Müdigkeit und Paranoia gleichermaßen trägt. Sein Körper wirkt etwas aufgequollen, der Gang schwerfällig, als ob er die Last vergangener Jahre sichtbar mit sich schleppe. Dieses äußere Bild unterstreicht die Figur eines Mannes, der aus der Zeit gefallen ist und nur noch in Resten an frühere Entschlossenheit erinnert. Lockjaw wiederum ist äußerlich ein militärischer Hardliner, innerlich ein Getriebener, der Anerkennung sucht. Beide Männer, Gegner im Plot, sind im Kern Spiegelbilder: scheiternde Existenzen, deren starre Rollen aufgebrochen werden, sobald sie den eigenen Mangel spüren. Anderson konzentriert sich auf diese beiden Figuren, und die Dynamik zwischen DiCaprio und Penn ist das dramaturgische Zentrum des Films.
Stilistisch setzt Anderson auf eine Mischung aus Spektakel und Abschweifung. Actionsequenzen sind mit großer Akribie inszeniert: Überfälle, Verfolgungsjagden, urbane Panikbilder. Doch immer wieder unterbricht er das Tempo durch lange Einstellungen, unerwartete Dialogmomente, oder durch das Zitieren von Bild- und Klangmotiven, die aus der Zeit gefallen wirken. Kameramann Michael Baumann findet dafür Bilder im Licht der kalifornischen Sonne, die zugleich episch und intim wirken. Die Musik von Jonny Greenwood schwankt zwischen brachialen Orchesterpassagen und improvisiert anmutenden Klavierfragmenten, die den Szenen eine brüchige Struktur verleihen. Gerade in einer Sequenz, in der Bob mithilfe von Sensei Sergio (Benicio Del Toro) untertauchen will, während auf den Straßen Chaos herrscht, zeigt sich, wie Anderson orchestriert: simultane Handlungsstränge, ein hörbar stolpernder Score, Bilder voller Bewegung und Unruhe. Der Film kann an diesen Stellen überziehen, doch die Übertreibung gehört zum Verfahren.
Andersons Entwicklung
Im Kontext von Andersons Gesamtwerk markiert „One Battle After Another“ einen Einschnitt. Während „Magnolia“ (1999) oder „Licorice Pizza“ (2021) durch menschliche Verflechtungen geprägt waren, „There Will Be Blood“ (2007) und „The Master“ (2012) durch obsessive Männerfiguren und „Inherent Vice“ (2014) bereits eine Pynchon-Adaption bot, stellt dieser Film eine Synthese dar, die zugleich in ein neues Terrain führt. Aus „Inherent Vice“ übernimmt er den paranoiden Tonfall, aus seinen früheren Filmen die Faszination für Männer zwischen Macht und Zerfall, doch die politische Dimension ist hier schärfer gezeichnet.

Anderson wagt ein Amalgam aus Satire, Action und Melodram, das Elemente von Coen und Tarantino streift, dabei aber unverkennbar seine Handschrift behält. Gerade in seiner zeitlichen Schwebe wirkt der Film überraschend gegenwärtig. Der Blick auf staatliche Überwachung, auf paramilitärische Strukturen, auf die Fragilität von politischem Widerstand berührt Themen, die sich im politischen Klima der 2020er-Jahre mit neuer Dringlichkeit stellen. Die Präsenz einer rechtsreaktionären Miliz im Film, deren Gesten deutlich in heutige Bewegungen verweisen, macht klar, dass es nicht um Nostalgie geht, sondern um Spiegelungen aktueller Spannungen. Auch die Frage nach den Generationen zieht sich leitmotivisch durch: Die Tochter, die in den Konflikt hineingeboren wird, ohne ihn gewählt zu haben, verkörpert eine heutige Jugend, die mit Altlasten ringt, die ihr nicht gehören, aber ihr Leben bestimmen.
Mehr Fragen als Antworten
Die Schauspieler tragen entscheidend zu dieser Konstellation bei. Leonardo DiCaprio verkörpert Bob als schlaffe, misstrauische Figur, deren frühere Leidenschaft nur noch in Bruchstücken aufscheint. Seine Gesten, sein Bademantel, seine verkrampften Versuche, alte Codes zu erinnern, machen aus ihm einen ehemaligen Kämpfer, der längst aus der Zeit gefallen ist. Sean Penn hingegen spielt Lockjaw mit steifem Gang, nervösen Zuckungen, fast überzeichnet, aber doch nicht frei von Tragik. Seine unsicheren Gesten offenbaren die Verletzlichkeit einer Figur, die äußerlich als Bösewicht entworfen ist. In dieser Mischung aus Karikatur und Pathos liegt die eigentliche Wirkung von Penns Spiel.
Am Ende steht ein Film, der seine Widersprüche nicht auflöst. „One Battle After Another“ lässt politische Ideale in familiären Bindungen fortwirken und zeigt, wie Vergangenes die Gegenwart unablässig durchdringt. Statt Geschlossenheit entsteht ein Geflecht aus Brüchen, Übertreibungen und Abschweifungen, das die Figuren wie auch die Zuschauer in einer Schwebe hält. Anderson präsentiert keine Antworten, sondern legt ein Bild frei, in dem Kämpfe nie abgeschlossen, sondern immer schon in die nächste Auseinandersetzung überführt sind.
De Maart
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