Deutscher BundestagIn Berlin wird über die Migrationspolitik gestritten

Deutscher Bundestag / In Berlin wird über die Migrationspolitik gestritten
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser wurde bei der Debatte am Freitag hart von den Unionsparteien angegangen Foto: Odd Andersen/AFP

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Bei der Migrationsdebatte im Bundestag werden die angeblich ausgestreckten Hände zur Zusammenarbeit schnell wieder weggezogen. Es entwickelt sich vor allem eine Auseinandersetzung zweier Wahlkämpfer.

Ein Tag der ausgestreckten Hand ist es im Parlament wahrlich nicht. Die Union hält sie der Regierung nur ganz kurz entgegen, zieht sie dann rasch wieder weg und knöpft sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) vor. Die wahlkämpfende Hessin auf der Regierungsbank sieht man immer wieder den Kopf schütteln. Später sagt sie zwar, sie werte es als „gutes Zeichen“, dass die Union mit ihrem Antrag zur Migration endlich mal was vorgelegt habe. Danach feuert aber auch Faeser aus allen Rohren gegen die Opposition. Der „Deutschlandpakt“ – er wird zum Deutschlandkrampf.

Das ist auch den Landtagswahlen geschuldet in Hessen und Bayern am 8. Oktober. CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt eröffnet daher die Debatte für die Union. Er und Faeser, die beiden Wahlkämpfer, liefern sich am Freitag unter der Reichstagskuppel einen beachtlichen Schlagabtausch. Der Kanzler habe mit seinem „Deutschlandpakt“ ein „großes Wort in den Mund genommen“, erklärt der CSU-Mann zunächst. Und er, Dobrindt, habe für die Union betont, „dass wir zur Verfügung stehen“. Seitdem sei aber nichts unternommen worden, „diese Worthülse mit Leben zu füllen“. Also hat die Union einen eigenen Zwölf-Punkte-Antrag vorgelegt, wie sie den Flüchtlingsstrom regulieren und begrenzen will.

„Deutschlandpakt in der Migrationspolitik – Irreguläre Migration stoppen“, lautet der genaue Titel. Der Kanzler hatte sich freilich etwas anderes unter seinem Pakt vorgestellt: Planungsbeschleunigung, mehr Digitalisierung, Wachstum stärken. Doch angesichts steigender Asylanträge – bereits 200.000 in diesem Jahr – und überlasteter Kommunen – auch wegen der Aufnahme von rund einer Million Ukraine-Flüchtlingen – sowie der immer hitziger werdenden Debatte im Land hat die Union sich vorgenommen, den Druck auf Scholz zu erhöhen. Wohlwissend, dass er und die Ampel über dieses Stöckchen im Bundestag nicht springen werden. Allein schon aus Rücksicht auf die Grünen. Ihre Abgeordnete Katrin Göring-Eckardt spricht zwar auch von einem „erheblichen Kraftakt“, den die Kommunen leisteten. Sie sagt aber ebenfalls: „Wir brauchen Ordnung, aber wir brauchen auch Humanität.“

Viel Neues steht zudem nicht drin im Unions-Antrag. CDU/CSU verlangen verschärfte Abschieberegeln, stationäre Grenzkontrollen zu Polen, Tschechien und der Schweiz, mehr sichere Herkunftsländer sowie den Wechsel von Geld- auf Sachleistungen. Auch die Zurückweisung an den Grenzen soll möglich sein – ein Punkt, der 2018 zu der bitteren Auseinandersetzung zwischen der damaligen CDU-Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer führte. Seinerzeit war man aber Regierung, heute ist man Opposition. Fordern fällt da leichter. Für SPD-Mann Helge Lindt steckt freilich mehr hinter dem Maßnahmenkatalog: „Wir sind Zeuge eines klaren Rechtsrucks der Union“, ruft er. Der „Deutschlandpakt“ von CDU/CSU sei „eine Mogelpackung, bestehend aus populistischen Maßnahmen und Scheinlösungen“.

Keine Erleichterung des Familiennachzugs

Dobrindt sieht das gänzlich anders. Er schießt vor allem gegen Faeser, die ohnehin mächtig unter Druck steht, weil es im hessischen Wahlkampf nicht läuft. Dobrindt ruft: „In Europa ist Frau Faeser kein Zugpferd, sondern Sie sind das trojanische Pferd zur Verschärfung der Migrationskrise.“ Außerdem betreibe die Innenministerin keine Flüchtlingspolitik, die bremse, „sondern die die illegale Migration antreibt und fördert“. Da wundert es nicht, dass Faeser später auf das Dobrindt-Angebot nicht eingeht, „dieses Thema mit uns zu lösen, weil es sich sonst zu einem gesellschaftlichen Großkonflikt entwickeln kann“.

Vielmehr attackiert auch die SPD-Frau. „Das ist doch lächerlich, was Sie hier machen“, hält sie der Union vor. „Unsere Maßnahmen wirken. Wir steuern und ordnen Migration.“ Faeser listet auf: Die geplante Reform des europäischen Asylsystems, die Kooperationen an den Grenzen und der Einsatz der Schleierfahndung seien erfolgreich. Verstärkt gehe sie überdies gegen Schleuser vor. Berichte, wonach sie eine Erleichterung des Familiennachzugs für Geflüchtete plane, weist sie zurück. Das habe sie „im Moment“ nicht vor, betont die Innenministerin. Noch mehr Aufregung kann Faeser derzeit auch nicht gebrauchen.