Freitag7. November 2025

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Dem Himmel entgegenIn Barcelona entsteht die höchste Kirche der Welt – Gaudís „Sagrada Família“ steht kurz vor dem Gipfel

Dem Himmel entgegen / In Barcelona entsteht die höchste Kirche der Welt – Gaudís „Sagrada Família“ steht kurz vor dem Gipfel
Menschen beobachten eine Lichtshow, die an die Fassade der Sagrada Familia Basilika des spanischen Architekten Antoni Gaudi projiziert wird und den Beginn der Karwoche in Barcelona am 14. April 2025 markiert Foto: Lluis Gene/AFP

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Die Sagrada Família in Barcelona steht kurz vor einem historischen Meilenstein: Der zentrale Jesus-Turm wird bald fertig – und macht das Bauwerk zur höchsten christlichen Kirche der Welt.

Wer dieser Tage an der Sagrada Família („Heilige Familie“) vorbeischlendert, muss unweigerlich staunen: Ja, die Kirche wächst immer noch – und wie! Seit mehr als 140 Jahren schraubt sich Barcelonas berühmteste Baustelle Stück für Stück dem Himmel entgegen. Jetzt steht das Herzstück kurz vor der Vollendung: der Jesus-Turm. Ganze 172,5 Meter hoch soll er werden – und er krönt das wohl spektakulärste Gotteshaus Europas mit einem riesigen gläsernen Kreuz.

Damit wird Gaudís Meisterwerk zur höchsten christlichen Kirche der Welt. Der bisherige Rekordhalter, das baden-württembergische Ulmer Münster mit 161,5 Metern, muss sich bald mit Platz zwei zufriedengeben. Und sogar das derzeit höchste Gotteshaus überhaupt – die Große Moschee von Algier mit ihrem 265 Meter hohen Minarett – bekommt Konkurrenz im globalen Höhen-Wettbewerb der Sakralbauten.

Der große Moment ist nah: Ende 2025 soll der Jesus-Turm fertig sein. 2026, exakt 100 Jahre nach dem Tod des genialen katalanischen Architekten Antoni Gaudí (1852–1926), wird gefeiert – mit Segnung, Glanz und Gloria.

„Wunderbare Synthese aus Technik, Kunst und Glauben“

Bereits 1984 adelte die UNESCO das Bauwerk zum Weltkulturerbe, 2010 wurde die Basilika von Papst Benedikt XVI. geweiht. Damals nannte er die Kirche eine „wunderbare Synthese aus Technik, Kunst und Glauben“ – eine Beschreibung, die kaum treffender sein könnte.

Rund um den Hauptturm gruppieren sich vier kleinere Türme (jeweils 123 Meter hoch), die den Evangelisten gewidmet sind. Dazu kommt ein 138 Meter hoher Maria-Turm – und zwölf weitere Türme für die Apostel. Ganz schön viel Symbolik – ganz schön viel Stein.

Aber nichts übertrifft das, was bald oben draufkommt: ein Kreuz. Siebzehn Meter hoch, 13,5 Meter breit, aus Glas und Stahl – und mit integrierter Aussichtsplattform, erreichbar per Aufzug! Tagsüber spiegelt es das Sonnenlicht, nachts soll es leuchten wie ein Stern. Architekt Jordi Faulí ist stolz: „Das Kreuz verändert im Laufe des Tages sein Aussehen.“ Ein Spiel aus Licht, Farbe und Perspektive.

Genaues Fertigstellungsdatum gibt es bis heute nicht

Doch auch wenn das neue Wahrzeichen bald glänzt – ganz fertig ist die Sagrada Família damit noch lange nicht. Wann wird es endlich so weit sein? Tja, gute Frage. Seit dem ersten Spatenstich 1882 wurde viel gemeißelt, gesägt und geplant – aber ein genaues Fertigstellungsdatum gibt es bis heute nicht. Die mutigsten Prognosen sprechen von 2033, vorsichtigere Verantwortliche flüstern „vielleicht eher 2035“. Andere sagen: „Schauen wir mal …“

Denn es gibt noch einiges zu tun: eine Kapelle für die Himmelfahrt Mariens, die monumentale Hauptfassade mit sieben Portalen, ein großer Vorplatz mit Freitreppe – und genau der sorgt derzeit für Ärger. Zwei ganze Wohnblocks müssten dafür abgerissen werden. Die Anwohner sind – wenig überraschend – nicht begeistert. Von den Balkonen hängen Protestbanner wie: „Unsere Wohnungen bleiben!“ Oder: „Der Kirchenbau ist ein großes Geschäft!“

Rein finanziell läuft es jedenfalls derzeit gut für den Kirchenbauverein: 133,9 Millionen Euro hat die Sagrada Família im Jahr 2024 eingenommen – vor allem durch die knapp 4,9 Millionen Besucher. Der Eintritt kostet 26 Euro, mit Turmbesuch 36 Euro. Die Tickets müssen wegen des großen Andrangs oft Tage oder Wochen im Voraus reserviert werden. Auch Souvenirshops und Spenden tragen zum Budget bei.

Mehr als nur ein Gotteshaus

Schon jetzt ist das Gotteshaus ein Wallfahrtsort für Millionen – das meistbesuchte Monument Spaniens und das Wahrzeichen der Mittelmeermetropole Barcelona. Und das alles ohne einen einzigen Cent an Steuergeldern oder Kirchensteuer. Die Basilika finanziert sich selbst. Ein Modell, das funktioniert – und eine Seltenheit in der Welt der Großprojekte. Aber leicht war das nicht immer: Finanzkrisen, Kriege und der Verlust vieler Originalpläne – sie wurden 1936 beim Brand von Gaudís Werkstatt im Bürgerkrieg vernichtet – warfen das Projekt immer wieder zurück.

Für Bauherren wie Besucher ist die Sagrada Família mehr als nur ein Gotteshaus. Sie ist eine Idee aus Stein. Ein Kunstwerk, das mit jeder Säule, jedem Lichtspiel und jeder Form an die Natur erinnert und sich nicht an klassische Baustile hält. Gaudí wollte keine gewöhnliche Kathedrale – er wollte eine spirituelle Landschaft. „Alles fließt“, sagte er einmal. Und: „Mein Auftraggeber hat keine Eile.“ Gemeint war – natürlich – Gott persönlich.

Gaudí übernahm die Bauleitung 1883 und starb 1926 mit 73 Jahren – tragisch von einer Straßenbahn überfahren, nur wenige Meter von seiner geliebten Kirche entfernt. Seitdem tragen Generationen von Architekten, Künstlern und Handwerkern seine Vision weiter.

Heute ist die Sagrada Família, die auf ihren 4.500 Quadratmetern bis zu 14.000 Besucher gleichzeitig aufnehmen kann, ein Symbol für Geduld, Glauben – und Entschlossenheit. Und bald wird sie auch noch die höchste Kirche der Welt sein.

Was würde Gaudí dazu sagen? Wahrscheinlich nur: „Endlich!“

Grober J-P.
19. April 2025 - 20.58

Herrliches Bauwerk!