In einer Zeit, in der sexuelle und reproduktive Rechte europaweit wieder unter Druck geraten, positioniert sich das „Planning familial“ in Luxemburg bewusst als Anlaufstelle – nicht nur für medizinische Versorgung und Beratung, sondern auch als gesellschaftliche Stimme für Selbstbestimmung, Gleichstellung und Aufklärung. „Daran zu erinnern, dass der Körper der Frauen ihnen gehört, ist kein Slogan, sondern ein Grundrecht.“ Mit diesen Worten beginnt die Organisation ihren kürzlich veröffentlichten Tätigkeitsbericht für 2024. Laut Bericht leben 22 Prozent der Frauen in Luxemburg in prekären Situationen. Das schränkt ihren Zugang zu Gesundheitsversorgung, Verhütungsmitteln und verlässlicher Information erheblich ein.
Besorgnis erregen die Entwicklungen im Bereich häuslicher und sexualisierter Gewalt. Das „Planning familial“ betreute im vergangenen Jahr 278 Betroffene familiärer Gewalt – ein Anstieg um zehn Prozent – sowie 127 Opfer sexualisierter Gewalt. 65 Prozent der betreuten Personen erlebten den ersten Übergriff vor dem 18. Lebensjahr, 31 Prozent sogar vor dem zwölften. Die Mehrheit der Täter stammt laut der Organisation aus dem familiären oder nahen Umfeld. Im Schnitt vergehen mehr als 16 Jahre zwischen dem ersten Missbrauch und dem Beginn einer Therapie.
Die psychischen und sozialen Folgen sind gravierend: Angstzustände, Isolation, Schulabbrüche und Beziehungsstörungen. Auch der Zugang zur Justiz bleibt für viele hürdenreich. Das „Planning familial“ fordert daher eine frühe und systematische Aufklärung über Einvernehmlichkeit sowie einen umfassenden gesellschaftlichen Ansatz zur Prävention sexualisierter Gewalt – von der Schule bis ins digitale Umfeld.
Frühzeitige Sexualaufklärung als Schutz

Der Anstieg gemeldeter Gewaltfälle deutet weniger auf eine tatsächliche Zunahme von Übergriffen hin als vielmehr darauf, dass das Thema zunehmend enttabuisiert wird und Betroffene eher Hilfe suchen, sagt Ainhoa Achutegui, Präsidentin des „Planning familial“, gegenüber dem Tageblatt. Dennoch sei dies nur die Spitze des Eisbergs – viele Opfer bleiben weiterhin unsichtbar. Umso wichtiger seien Unterstützungsangebote, mehr Notunterkünfte und gezielte Schulungen für Fachkräfte in allen Bereichen.
Zugleich betont Achutegui die zentrale Rolle früher und systematischer Sexualaufklärung als präventive Maßnahme – insbesondere in den Schulen. Angesichts des leichten Zugangs zu Pornografie und Fehlinformationen im Internet sei es unerlässlich, Kinder und Jugendliche professionell zu begleiten und ihnen zu vermitteln, was Einvernehmlichkeit bedeutet. „Es ist ein Schutz für die Kinder“, betont die Präsidentin der Organisation. Die Sexualaufklärung hilft, Missbrauch vorzubeugen, Rollenbilder zu hinterfragen und Gleichberechtigung zu fördern. Dennoch erhalten viele Jugendliche in Luxemburg, wenn überhaupt, nur einmal im Leben eine entsprechende Aufklärung. Doch „es muss viel mehr passieren“, findet Achutegui. Die Organisation fordert daher ein strukturiertes Modell – ähnlich dem im kanadischen Québec – bei dem altersgerechte Sexualerziehung im Schulalltag verankert ist.
De Maart

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