Donnerstag6. November 2025

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ÖsterreichImmer lautere Rufe nach härterem Asylkurs

Österreich / Immer lautere Rufe nach härterem Asylkurs
Bereits im Oktober wurden in Österreich Zelte für Migranten – wie hier auf dem Gelände einer Polizeischule in der Nähe von Innsbruck – errichtet  Foto: Daniel Liebl/various sources/AFP

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Angesichts steigender Asylwerberzahlen überbieten sich Österreichs Parteien gerade mit Rufen nach einer restriktiveren Asylpolitik. Doch die FPÖ lässt sich nicht rechts überholen und reagiert mit noch härteren Forderungen.

Rund 90.000 Asylanträge wurden in diesem Jahr in Österreich bereits gestellt, 100.000 werden bis Jahresende erwartet – mehr als im Jahr 2015. Fast die Hälfte der Migranten kommt aus Indien, Pakistan, Tunesien und Marokko. Sie haben so gut wie keine Chance auf Anerkennung als Flüchtlinge gemäß der Genfer Konvention. Zwar warten viele Asylwerber den Ablauf des Verfahrens gar nicht erst ab, sondern ziehen in andere EU-Staaten weiter, da aber auch 56.000 ukrainische Kriegsflüchtlinge zu versorgen sind, herrscht ein dramatischer Mangel an Unterkünften. Die meisten Bundesländer ignorieren zudem ihre Aufnahmequoten, weshalb Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) Notzelte für Asylwerber aufstellen ließ, um die Landesregierungen so über die Bande unter Druck zu setzen. Diese stehen jedoch zwischen den Fronten: In den Gemeinden, wo Flüchtlingsunterkünfte geplant werden, formieren sich sofort Bürgerproteste. Ukrainer sind willkommen, nicht aber Asylwerber aus anderen Kulturkreisen, zumal es sich bei diesen meist um junge Männer handelt.

„Wehrhaft Kante zeigen!“

Vor diesem Hintergrund liefern sich die Parteien einen regelrechten Wettbewerb um den härtesten Kurs. So räumt die Chefin der liberalen Neos-Partei, Beate Meinl-Reisinger, inzwischen offen ein, ihre Meinung seit 2015 grundlegend geändert zu haben. „Wir können uns keine offenen Tore leisten“, sagt sie und begründet den Kurswechsel mit der derzeitigen wirtschaftlichen Situation. Man müsse „wehrhafter Kante zeigen“. Auch aus der SPÖ, deren Vorsitzende Pamela-Rendi-Wagner im Sommer den Zustrom noch nicht als wachsendes Problem werten wollte, ertönt inzwischen der Ruf nach mehr Härte. Das Jahr 2015 dürfe sich „nicht wiederholen“, mahnt etwa der in Tirol für Flüchtlingspolitik zuständige Vize-Landeshauptmann Georg Dornauer. Der sozialdemokratische Landeshauptmann des Burgenlandes, Hans Peter Doskozil, warnt schon seit Wochen vor einer Wiederholung der bis dahin beispiellosen Flüchtlingswelle vor sieben Jahren. Das südöstliche Bundesland ist am unmittelbarsten mit dem Zustrom aus Ungarn konfrontiert. Täglich setzen hier Schlepper mehrere hundert Asylwerber ab. Die SPÖ wirft der türkis-grünen Bundesregierung vor, nichts aus 2015 gelernt zu haben.

Das Thema Asyl droht sogar das Megathema Inflation aus dem Fokus zu verdrängen, was vor allem die in Umfragen immer tiefer sinkende ÖVP von Bundeskanzler Karl Nehammer zunehmend nervös macht. Seinem Vorgänger Sebastian Kurz hatte die Migration einst zum Ikarus-Flug verholfen, jetzt schafft die ÖVP bei dem Thema nur noch Verwirrung. So stiftet Fraktionschef August Wöginger gerade mit dem Versuch eines Tabubruchs Irritation, indem er eine Überarbeitung der in Österreich im Verfassungsrang stehenden Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) forderte. Was er genau geändert haben möchte, sagte Wöginger freilich nicht. Mit Verfassungsministerin Karoline Edstadler stellte sogar eine Parteifreundin fest, dass die EMRK „nicht verhandelbar“ sei. Genauso sieht das auch Justizministerin Alma Zadic von den Grünen. Mittlerweile ist nicht einmal klar, ob Wöginger überhaupt die EMRK gemeint hat. Neos-Chefin Meinl-Reisinger vermutet, dass der ÖVP-Fraktionsobmann sie mit der Genfer Flüchtlingskonvention verwechselt haben dürfte.

„Festung Österreich“

Wie auch immer: Der aktuelle Zustrom wird nicht durch akademische Debatten über kaum realisierbare Änderungen internationaler Verträge zu bewältigen sein. Um solche kümmert sich eine Partei ohnehin überhaupt nicht. Die FPÖ lässt sich von niemandem rechts überholen und schlägt daher noch lautere Töne an. Parteichef Herbert Kickl rief am Montag die „Festung Österreich“ als Ziel aus. Noch diese Woche wollen die Rechtspopulisten im Parlament beantragen, dass Österreich überhaupt keine Asylanträge mehr annimmt, selbst Asylberechtigte keine Sozialhilfe, sondern nur die viel geringer dotierte Grundversorgung bekommen, und grundsätzlich keine österreichische Staatsbürgerschaft. Österreich sei als Asylstandort zu „deattraktivieren“, fordert Kickl, pocht auf ein „Recht auf Selbstverteidigung“ Österreichs gegenüber der EU und warnt vor „bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. In den Umfragen zahlt sich der Hardliner-Kurs aus: Die FPÖ liefert sich bereits ein Match mit der SPÖ um Platz eins, während die Kanzler-Partei weiter abstürzt.