Sonntag19. Oktober 2025

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ReportageIm serbischen Brezjak soll Europas größtes Lithium-Bergwerk entstehen – doch es mehrt sich der Widerstand

Reportage / Im serbischen Brezjak soll Europas größtes Lithium-Bergwerk entstehen – doch es mehrt sich der Widerstand
„Leben ja, Bergwerk nein“: Protestbanner im westserbischen Trsic bei Loznica Foto: Thomas Roser

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Weltweit steigt die Nachfrage nach Lithium, dem für die Batterien von Elektroautos benötigten Rohstoff. Im westserbischen Jadar-Tal soll Europas größtes Lithium-Bergwerk entstehen. Doch es regt sich Widerstand.

Ein lauer Herbstwind streicht über die kahlen Hecken der Felderböschung. Gemächlich tuckert ein roter Traktor über die Hauptstraße im westserbischen Weiler Brezjak. Von der Anhöhe hinter dem Friedhof weist Momcilo Alimpic über die Felder der weiten Ebene des Jadar-Tals. Für das Bergwerk solle eine „der fruchtbarsten Regionen Serbiens zerstört werden“, sagt bitter der bärtige Obstbauer und Vorsitzende der Bürgerbewegung „Lasst uns Jadar und Radjevina schützen“: „Sie wollen uns wie Indianer und Aborigines ins Reservat sperren.“

2,4 Milliarden Dollar will der australisch-britische Bergbaukonzern Rio Tinto in das geplante Lithium-Bergwerk bei Loznica investieren. Ab 2026 soll das Jadar-Werk jährlich 58.000 Tonnen Lithiumcarbonat produzieren – und den Konzern in die Riege der zehn größten Lithium-Produzenten der Welt katapultieren. „Jadar könnte genug Lithium liefern, um jährlich über eine Million Elektrofahrzeuge anzutreiben“, frohlockt Konzernchef Jakob Stausholm.

Das Jadar-Projekt sei weder ausreichend untersucht noch transparent, warnen hingegen Professoren von Serbiens Akademie der Wissenschaften in einem offenen Brief an die Regierung vor „inakzeptablen Risiken“. Eine Gefahr sei der hohe Arsengehalt des Erzes, so der Chemieprofessor Bogdan Solaja: Bei einer Laufdauer von 40 Jahren könnten 6.000 Tonnen Arsen auf den Abraumhalden landen. Ein weiteres Risiko sei „die große Wahrscheinlichkeit“, dass das Bergwerk die wertvollen Grundwasserreserven „komplett zerstören“ werde: Im Fall eines Störfalls auf der Deponie sei nicht nur die Trinkwasserversorgung in der Region, sondern von zahlreichen Städten an der Drina und Save bedroht.

Zumindest der Unterstützung von Serbiens Regierung kann sich Rio Tinto sicher sein. Bei der „grünen Transformation“ Europas werde Serbien das „Zentrum für Lithium“ sein, verkündete Regierungschefin Ana Brnabic hoffnungsfroh bereits im letzten Jahr: „Gemeinsam mit Rio Tinto werden wir hier Potenziale für die Produktion von Batterien und Elektroautos entwickeln. Wir wollen aus diesem Mineral für alle Menschen den größtmöglichen Nutzen ziehen – nicht nur in Loznica, sondern in ganz Serbien.“

60 Prozent der Bürger wollen harte Umweltauflagen

Leere Fensterhöhlen und abgedeckte Dächer künden in Brezjak von der gelobten Zeitenwende. „Privatgrundstück, Zutritt verboten“, prangt auf den Schildern vor den unwohnbar gemachten Einfamilienhäusern. „Die Ruinen sollen diejenigen entmutigen, die ihre Liegenschaften nicht an Rio Tinto verkaufen wollen“, sagt die Französisch-Lehrerin Marija Alimpic. Der Konzern lasse selbst einen Sicherheitsdienst in den umliegenden Dörfern patrouillieren: „Sie wollen den Psycho-Druck auf die Leute erhöhen, die noch da sind.“

„Leben ja, Bergwerk nein“, prangt am Ortseingang von Trsic ein grün-braunes Banner unter einer Eiche. Sollten die Konzernpläne verwirklicht werden, könnte er das von ihm betriebene Altersheim mit 50 Plätzen gleich schließen, sagt Milan Starcevic: „Wer will seine alten Tage auf einem Bergwerksgelände verbringen?“ Der hagere Serbe spricht von einer „stillen Besatzung“: „Heute werden um Ressourcen keine Kriege mehr geführt: Sie werden einfach gekauft.“

Über 30 Prozent sind laut einer im Sommer veröffentlichten Umfrage gegen eine Konzession für Rio Tinto, über 60 Prozent würden diese nur unter harten Umweltauflagen erteilen. Es ist der wachsende Widerstand gegen das Großprojekt und Serbiens erstarkte Umweltschutzbewegung, die Belgrad offiziell mit dem grünen Licht für den Lithium-Abbau noch zögern lassen. Im Sommer kündigte Staatschef Aleksandar Vucic ein Referendum an: Wo, wann und mit welcher Frage es durchgeführt werden soll, ließ er offen.

Nach Kräften bemüht sich die Regierung derweil, Presseberichte zu dementieren, wonach Vucic mit dem Segen der EU und der USA Rio Tinto die Betriebsgenehmigung bereits zugesagt habe – und die Bauarbeiten unmittelbar nach den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen im April beginnen sollten. Es existiere „keinerlei Vereinbarung“, beteuert Energieministerin Zorana Mihajlovic: „Solange die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht abgeschlossen ist, wird es keine Entscheidung über das Bergwerk geben.“

Schmieren und kaufen mit Spenden

Erweisen sich die Lithium-Vorkommnisse im Jadar-Tal als Serbiens „weißes Gold“ oder Fluch? Über 2.000 Jobs bei den auf vier Jahre veranschlagten Bauarbeiten und langfristig 1.000 Arbeitskräfte auf dem Bergwerk gelobt Rio Tinto. Doch dem stehen allein in der Region Loznica 19.000 Landwirte gegenüber. Die Regierung verspricht sich durch die erhoffte Ansiedlung von Batterie-Produzenten und E-Autozulieferern zwar einen industriellen Quantensprung. Doch die für serbische Verhältnisse relativ wohlhabende Region lebt hauptsächlich von der Landwirtschaft – und dem Tourismus.

Unsere Popen haben den Kommunismus überstanden und nehmen nun Geld von einem Konzern, der die Leute vertreibt

Momcilo Ampilic, Obstbauer und Vorsitzender einer Bürgerbewegung

„Rio Tinto Informationszentrum“ prangt in Trsic auf einem roten Schild vor einem zweistöckigen Haus. „Wenn Sie Informationen wollen, müssen Sie einen Termin beantragen“, antwortet der Portier verlegen auf die Frage nach einem Prospekt über das geplante Projekt. Zwar verspricht der Konzern „neue innovative Technologien“ für den Lithiumabbau in Serbien. Doch es ist auch sein rabenschwarzer Ruf als notorischer Umweltsünder, der in Serbien auf Skepsis stößt. Ob in seinen Bergwerken in Australien, Papua-Neuguinea, Indonesien, Madagaskar oder Mongolei: Auffällig oft hat der Konzern heftige Kontroversen über verseuchte Flüsse, Korruption, Menschenrechtsverletzungen und die Zerstörung geschützter Kulturdenkmäler ausgelöst.

Der bärtige Pope vor der Dorfkirche von Brezjak hat keine Zeit. Das Gotteshaus könne man fotografieren, zu Aussagen über das Bergwerk stehe er nicht zur Verfügung, so die Auskunft des wortkargen Geistlichen. „Unsere Popen haben den Kommunismus überstanden und nehmen nun Geld von einem Konzern, der die Leute vertreibt“, ärgert sich kopfschüttelnd Momcilo Alimpic: „Sie versuchen, hier überall reinzukommen. Sie schmieren und kaufen mit ihren Spenden Schulen, Sportvereine, Kulturzentren – und die Kirche.“

Leise plätschert ein Bach am Geburtshaus von Serbiens Sprachreformer Vuk Karadzic vorbei. Gefragt, was er von dem Bergwerk halte, zuckt der Wirt der Gaststätte im Freiluftmuseum von Trsic vorsichtig mit den Schultern: „Die Frage ist, ob der kleine Mann überhaupt gefragt wird.“ Häufig würden seine Mitbürger glauben, dass „die Sache bereits entschieden“ sei, seufzt Altersheimdirektor Starcevic: „Sie sagen, dass man gegen einen so mächtigen, von der Regierung unterstützten Konzern ohnehin nichts ausrichten könne. Die Leute sind passiv, tun zu wenig, um ihre Umwelt und Gesundheit zu schützen.“

Nicht auf ein Referendum einlassen

In der 315 Jahre alten Kirche von Brezjak bessert ein Maler mit feinem Pinselstrich die Fresken aus. Sie sei „sicher“, dass das Bergwerk nicht in Betrieb genommen werde, sagt die Lehrerin Marija. Denn bisher sei Rio Tinto nur der Ankauf der Hälfte der benötigten Parzellen geglückt: „Und Enteignungen sind für Projekte privater Firmen nicht möglich.“

Doch schon bei der Verabschiedung der durch das Parlament gepeitschten Sondergesetze zur Verwirklichung des umstrittenen Großprojekts „Belgrad am Wasser“ haben Serbiens Machthaber einen sehr elastischen Umgang mit lästigen Vorschriften demonstriert. Falls die Umweltverträglichkeitsprüfung nicht das erwünschte Ergebnis liefere, werde die Regierung das Projekt per Referendum durchzusetzen versuchen, fürchtet der Obstbauer und pensionierte Jurist Momcilo Alimpic: „Wir sollten uns keineswegs darauf einlassen.“

Über den Feldern von Brezjak krächzt ein Rabe. Seit sie sich gegen das Bergwerk engagiere, habe sie an vier Schulen in drei Orten zu unterrichten, berichtet beim Abschied die Lehrerin Marija: „Ich habe kein Auto und schaffe das kaum. Aber das ist ihre Art Strafe für mich.“

Noch mehr macht der alleinerziehenden Mutter aber das ihrer Meinung nach verfehlte Setzen auf Lithium zur Verminderung der globalen Luftverschmutzung zu schaffen. Von einer „grünen Agenda“, wie von der EU behauptet, könne bei der weltweiten „Schaffung neuer Opferzonen“ keine Rede sein. Batterien seien nur der Aufbewahrungsort von Energie, die oft erneut aus fossilen Quellen gewonnen werde: „Lithium ist keine Lösung. Um mit dem Komfort des Fahrens von Elektroautos das eigene Gewissen zu beruhigen, soll hier ein riesiges Gebiet unberührter Natur zerstört werden.“

„Lithium ist keine Lösung“: Die Lehrerin Marija Alimpic, der Altersheim-Betreiber Milan Starcevic und der Obstbauer Momcilo Alimpic wollen das Bergwerk von Rio Tinto verhindern
„Lithium ist keine Lösung“: Die Lehrerin Marija Alimpic, der Altersheim-Betreiber Milan Starcevic und der Obstbauer Momcilo Alimpic wollen das Bergwerk von Rio Tinto verhindern Foto: Thomas Roser
Wieder Mann
10. November 2021 - 14.06

Etwas verspätet das Tageblatt in seiner Berichterstattung.Über dieses Thema hat Arte schon vor etlichen Monaten berichtet, wie auch in Portugal (Covas do Barroso)eine größere Waldfläche gerodet und landschaftliche Zerstörung durch Abtragen der Bergketten zur Gewinnung, Verarbeitung von Lithium geplant ist. Für die grünen Phantasten und ihre E-Mobilität wird hier willkürlich die Zerstörung von Natur , Rodung großer Flächen von Wald in Kauf genommen, „ awer den Letzebuerger mat CO2 Steier ofzocken“.So nachhaltig ist grüne Politik.