Am 30. März 2020 hat Viktor Orban einen zeitlich unbegrenzten Notstand in Ungarn beschlossen. Er hat das ungarische Parlament für unbegrenzte Zeit suspendiert und so die Regierung ermächtigt, durch Dekrete zu regieren, auf eigene Faust und ohne Kontrolle. Damit wurden die unabhängige Gerichtsbarkeit und die Medien weiter beschädigt.
Eine solche Machtkonzentration hat es in der Europäischen Union noch nicht gegeben. Sie dient nicht dem Kampf gegen Covid-19 oder dessen ökonomische Folgen. Sie öffnet vielmehr die Türen für alle Arten von Missbrauch. Denn alles, was uns öffentlich und privat wert ist, hängt nun von der Gnade einer Regierung ab, die kaum noch Rechenschaft abliefern muss. Das ist der Höhepunkt von Ungarns Drift in den Autoritarismus, die seit zehn Jahren anhält. Sie ist gefährlich.
Wir haben mit großer Sorge beobachtet, wie Viktor Orban sein Land in den letzten zehn Jahren auf ein Gleis gesetzt hat, auf dem es gegen die europäischen Normen und Werte fährt. Die aktuelle Machtergreifung in der Antwort auf das Covid-19-Virus ist nur ein neues Kapitel in einem langen Prozess, in dem das Land der Demokratie abtrünnig wird.
Wir erkennen an, dass Orban in den Wahlen im Jahre 2010 eine erhebliche Wählerunterstützung erhalten hat. Aber seitdem haben seine politischen Reformen die ungarische Demokratie geschwächt, den Rechtsstaat unterminiert und immer wieder Spannungen mit der Europäischen Union ausgelöst.
Es ist wahr, dass Viktor Orban seit 2010 zwei Mal im Parlament erneut eine Mehrheit gewonnen hat, aber diese Ergebnisse ergaben sich mehr und mehr aus einer Verbiegung der Verfassungsstrukturen und aus einer direkten Kontrolle der Regierung über einen immer größeren Teil der öffentlichen und privaten Medien. Die politische Opposition, der gesellschaftliche Dialog, die freie Rede wurden zunehmend zum Schweigen gebracht. Dabei haben verschiedene Universitäten, Kulturorte, Unternehmen und zvilgesellschaftliche Organisationen unter der Last von Viktor Orbans autoritärer Herrschaft gelitten.
Das Europäische Parlament hat mit dem Tavares-Bericht von 2013 und dem Sargentini-Bericht von 2018 zwei Mal diese undemokratische Drift verurteilt.
Da diese sich jetzt mit der Suspension der ungarischen parlamentarischen Demokratie verfestigt hat, dürfen wir nicht tatenlos bleiben. Damit würde die Union die Diskreditierung aller ihrer Bemühungen riskieren, demokratische Prozesse, den Rechtstaat, Transparenz, Solidarität und den gesellschaftlichen Dialog nicht nur in den Mitgliedstaaten, sondern auch in den Anwärter-Staaten zu stärken.
Sanktionierung dringender denn je
Um der aktuellen, Generationen betreffenden Pandemie zu begegnen, müssen alle EU-Länder schwierige Maßnahmen ergreifen, die zu einem gewissen Grade die Grundrechte ihrer Bürger beschränken. Aber diese Maßnahmen müssen verhältnismäßig, zu rechtfertigen und in ihrer Natur zeitlich begrenzt sein. Das Parlament zu suspendieren, wie das in Ungarn geschehen ist, ist eine schwere Verletzung der EU-Verträge, der Grundrechte-Charta und der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Deshalb ist die Verurteilung und Sanktionierung von Viktor Orbans Angriff auf die Demokratie dringender denn je.
Deshalb rufen wir alle Stakeholder – die Europäischen Institutionen, die nationalen Institutionen, die Bürgerinnen und Bürger, die Zivilgesellschaft und die Medien – auf, so wachsam wie nur irgend möglich zu sein. Es ist an der Zeit, breit zu mobilisieren und gemeinsam zu handeln.
Wir rufen alle nationalen Medien auf, der ungarischen Situation Teile ihrer Nachrichten zu widmen, wenn nötig täglich. Wir bitten sie auch, ungarischen Bürgern als europäischen Bürgern freien Zugang zu ihren Inhalten zu gewähren als Quelle von pluralistischen und unabhängigen Informationen.
Wir rufen die Kommission als Hüterin der Europäischen Verträge auf, schnellstens zu reagieren und Sanktionen zu verhängen, die dem Ernst eines solchen unerträglichen Verstoßes gegen die Europäischen Regeln und Werte (die „Kopenhagen-Kriterien“) entsprechen.
Covid-19 muss und wird geschlagen werden durch demokratische Prozesse, transparente Aktionen und pluralistische Informationen. Indem wir diese Werte verteidigen, mobilisieren wir die europäischen Gesellschaften breit und stellen sicher, dass unser gemeinsamer Weg zur Erholung breite Unterstützung genießt.
Wir fordern alle Europäischen Bürger auf, auf das zu schauen, was in Ungarn passiert, und zwar nicht als eine äußere Angelegenheit, sondern als fundamentale Bedrohung unseres gemeinsamen Interesses.
Wir müssen uns jetzt alle in diesem Kampf vereinigen. Auf dem Spiel steht nicht nur unsere Gesundheit, auf dem Spiel stehen unsere gemeinsamen Ideale sowie das Überleben unserer Union und unserer Demokratien.
(*) Auf Initiative unserer Mitglieder von Civico Europa (www.civico.eu/news):
Laszlo Andor (Ungarn), Ökonom, ehemaliges Mitglied der Europäischen Kommission
Guillaume Klossa (Frankreich), Ko-Präsident von Civico Europa, ehemaliger Direktor der European Broadcasting Union, ehemaliger Sherpa der Reflexionsgruppe über die Zukunft Europas (Europäischer Rat)
Francesca Ratti (Italien), Copresident of Civico Europa, former Deputy Secretary general of the European Parliament
Guy Verhofstadt (Belgien), Europaabgeordneter und ehemaliger belgischer Premierminister
Jean-Claude Juncker (Luxemburg), ehemaliger EU-Kommissionspräsident
Jyrki Katainen (Finnland), ehemaliger EU-Kommissar und von 2011-2014 finnischer Ministerpräsident
Die vollständige Liste finden Sie auch auf www.civico.eu
Gian-Paolo Accardo (IT), Editor in chief of VoxEuropa
Brando Benefei (IT), MEP
Andras Bozoki (HU), Professor, former Minister of Culture
Jean-Pierre Bourguignon (FR), Mathematician, former President of the European Research Council
Saskia Bricmont (BE), MP
Philippe de Buck (BE), former DG Business Europe
Jasmina Cibic (SLO), Artist
Tremeur Denigot (FR), Director of communications CIVICO Europa
Mladen Dolar (SLO), Philosopher
Paul Dujardin (BE), BOZAR Director General
Pascal Durand (FR), MEP
Uffe Ellemann-Jensen (DK), former Minister of Foreign Affairs
Michele Fiorillo (IT), Philosopher, Responsible for civic movements network CIVICO Europa
Cynthia Fleury (FR), Philosopher, Psychoanalyst
Markus Gabriel (DE), Philosopher
Sandro Gozi (IT), MEP, President of the European Federalist Union, former Secretary of State for European Affairs
Ulrike Guerot (DE), Political scientist
David Harley (UK), Writer, former Deputy Secretary General of the European Parliament
Gabor Horvath (HU), Journalist
Danuta Hübner (PL), MEP, former Member of the European Commission
Tvrtko Jakovina (HR), Historian
Miljenko Jergovic (HR), writer and journalist
Jyrki Katainen (FI), former Prime Minister, former Vice-president of the European Commission
Aleksander Kwasniewski (PL), former President of the Republic
Christophe Leclercq (FR), Founder Euractiv
Sándor Léderer (HU), Co-founder and Director of K-Monitor
Bernard-Henri Lévy (FR), Philosopher
Sven-Otto Littorin (SW), former Secretary general of the Swedish Moderate Party
Henri Malosse (FR), 30th President of the European Economic and social Committee
Joëlle Milquet (BE), former special Adviser of the President of the European Commission, former Deputy Prime Minister
Alexandra Mitsotaki (GR), President of the World Human Forum
Carlos Moedas (PT), former Member of the European Commission
Franziska Brantner (DE), MP, speaker of the Green party, former European MP
Cécilia Malmstrom (SW), former European Commissioner
Srecko Horvath (HR), Philosopher
Der Aufruf erscheint an diesem Montag auch in folgenden europäischen Zeitungen:
Aftonbladet (SW)
Capital (BU)
Delo (SLO)
De Morgen (BE)
Denik Referendum (CZ)
Die Presse (AT)
Gazeta Wyborcza (PL)
Jutarnij.hr (HR)
Ekathimerini (GR)
La Stampa (IT)
Le Soir (BE)
Libération (FR)
Nepszava (HU)
Politiken (DK)
Público (PT)
VoxEurop (EU)
Tageblatt (LU)
Ungarn ist eine echte Rechtstaat!Schaemen Sie sich!
Natürlich hat Ungarn die europäischen Ideale untergraben, dich auch Länder wie Deutschland , Österreich, Niederlande,...bewiesen in dieser Krise unsolidarische Handlungsweise entgegen europäischen Partnern. Deutschland das Bürger in eine Zweiklassengesellschaft einteilt, die Grenzen zu den Niederlanden, Belgien offen lässt, zu Luxemburg, Frankreich schliesst. Wohlwissend Luxemburg im Verhältnis zu den Niederlanden,Belgien weniger Infizierte hatte, strikte Maßnahmen im Kampf gegen Corona applizierte.Dieses unsolidarische Europa lehne ich ab.