Naher OstenHunger quält Menschen im Gazastreifen – Israel sieht Hamas angezählt – Netanjahu: „Gerechter Krieg“

Naher Osten / Hunger quält Menschen im Gazastreifen – Israel sieht Hamas angezählt – Netanjahu: „Gerechter Krieg“
Palästinenser, die aus Khan Yunis im südlichen Gazastreifen in Richtung Rafah fliehen, starren auf einen Krater, der durch israelische Bombardements auf der Salah-Al-Din-Straße verursacht wurde Foto: AFP

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Im dritten Kriegsmonat wird die Versorgung der Zivilisten im Gazastreifen immer prekärer. Wer die Bombardierungen überlebt hat, leidet Hunger und Durst. Die deutsche Außenministerin Baerbock warnt, daraus könne das entstehen, was Israel bekämpfen will: Terrorismus.

Angesichts der immer katastrophaleren Lage im Gazastreifen wächst der Druck auf Israel, bei der Bekämpfung der islamistischen Hamas mehr Rücksicht auf die Zivilbevölkerung zu nehmen. Die israelische Armee verbreitete Erfolgsmeldungen. „Wir rücken an die Kommandozentralen der Hamas heran“, sagte Israels Nationaler Sicherheitsberater Zachi Hanegbi. Regierungschef Benjamin Netanjahu bekräftigte das Ziel, die Hamas zu zerschlagen und die Geiseln zu befreien. Dafür werde der Krieg „mit größerer Intensität“ fortgesetzt.

Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation (WHO), Tedros Adhanom Ghebreyesus, forderte bei einer Sondersitzung des WHO-Exekutivrats am Sonntag in Genf jedoch eine neue Feuerpause. Das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (WFP) betonte, es könne kaum noch humanitäre Hilfe für die Bevölkerung leisten. Und die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock warnte vor den Folgen. „Wir sehen auf dramatische Art und Weise nicht nur das Leid, sondern der Hunger nährt auch weiteren Terrorismus“, sagte sie in Dubai. In einem Interview des Deutschlandfunks rief sie arabische Staaten auf, die Hamas dazu zu bewegen, die Waffen niederzulegen.

OCHA: Beschuss bei europäischem Gaza-Krankenhaus

Auslöser des Kriegs war das schlimmste Massaker in der Geschichte Israels, das Terroristen der Hamas sowie anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober in Israel nahe der Grenze zum Gazastreifen verübt hatten. Mehr als 1.200 Menschen wurden dabei getötet. Durch die darauf folgenden israelischen Angriffe auf den Gazastreifen starben nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums inzwischen 17.700 Menschen.

Ein Bild aus dem Süden Israels nahe der Grenze zum Gazastreifen vom 10. Dezember zeigt Rauch, der über dem nördlichen Teil der palästinensischen Enklave aufsteigt, während die Kämpfe zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Bewegung andauern
Ein Bild aus dem Süden Israels nahe der Grenze zum Gazastreifen vom 10. Dezember zeigt Rauch, der über dem nördlichen Teil der palästinensischen Enklave aufsteigt, während die Kämpfe zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Bewegung andauern Foto: AFP

Ziele in der Nähe des europäischen Gaza-Krankenhauses und des Al-Amal-Krankenhauses im Süden des Küstenstreifens sind nach Informationen des UN-Nothilfebüros OCHA wiederholt beschossen worden. Dutzende Verletzte hätten deshalb die Notaufnahmen nicht erreichen können, berichtete OCHA am Sonntag. Die beiden Krankenhäuser sind ebenso wie andere Spitäler völlig überfüllt. Nach Schätzungen des UN-Hilfswerks für Palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA) mussten 85 Prozent der einst rund 2,2 Millionen Einwohner aus ihren Häusern fliehen, weil sie beschädigt oder zerstört wurden oder weil Israel wegen der Kämpfe zur Räumung von Gebieten aufgerufen hatte.

Palästinenser: Tote bei Luftangriff auf Gebäude

Nach palästinensischen Angaben wurden bei einem israelischen Luftangriff auf ein Wohnhaus in dem Flüchtlingsviertel Dschabalia im Norden des Gazastreifens mindestens 31 Menschen getötet. Die israelische Armee äußerte sich zunächst nicht dazu. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde teilte unterdessen mit, in das Al-Aksa-Krankenhaus im zentralen Teil des Gazastreifens seien seit Samstagabend 45 Leichen gebracht worden, die bei israelischen Angriffen getötet worden seien.

Am 9. Dezember werden inmitten der anhaltenden Kämpfe zwischen Israel und der militanten Palästinensergruppe Hamas Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert
Am 9. Dezember werden inmitten der anhaltenden Kämpfe zwischen Israel und der militanten Palästinensergruppe Hamas Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert Foto: AFP

Die israelische Armee teilte am Sonntag mit, erstmals seit Beginn des Krieges vor mehr als zwei Monaten seien Truppen der Artillerie auch innerhalb des Gazastreifens im Einsatz, ergänzend etwa zu Panzer- und Bodentruppen. Bislang war die Artillerietruppe von der Grenzlinie aus im Einsatz. Bei Einsätzen im Bereich von Schedschaija seien mehr als 20 Ziele angegriffen worden. Dabei handele es sich um Waffenlager, mit Sprengfallen präparierte Häuser sowie Infrastruktur der islamistischen Terrororganisation Hamas.

Die Armee veröffentlicht seit Tagen auf Telegram Videos und Fotos vom riskanten Häuserkampf gegen die Hamas. In den teils engen Gassen der Orte im Gazastreifen kommt es dabei zu einem Nahkampf von Tür zu Tür mit Maschinenpistolen, Handgranaten und Panzerfäusten. Immer wieder werden dabei auch Eingänge zu Hamas-Tunneln in Schulen oder Wohnhäusern sowie umfangreiche Waffenfunde gezeigt. Sogar von Waffen, die in Plüschtieren versteckt seien, wurde berichtet. Die Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Hamas-Chef Sinwar bisher nicht gefasst

Den Chef der Hamas im Gazastreifen, Jihia Sinwar, konnten die Israelis bisher nicht aufspüren. Er soll sich kurz nach Beginn des Krieges in einem Hilfskonvoi in den Süden des abgeriegelten Küstenstreifens abgesetzt haben, meldeten israelische Zeitungen unter Berufung auf Informationen des Senders Kan. Israels Armee ist dabei, öffentlich den Eindruck zu vermitteln, dass die Hamas ins Schwanken geraten ist. Armeesprecher Daniel Hagari erklärte, Terroristen, die sich ergeben haben, hätten ausgesagt, dass sich die Kämpfer in einer „schwierigen Lage“ befänden und die Hamas-Führung unter Sinwar die „Realität leugnet“. Keine dieser Angaben kann von unabhängiger Seite überprüft werden.

Palästinenser stehen am 10. Dezember in Rafah während der anhaltenden israelischen Bombardierung des Gazastreifens für Kochgas an
Palästinenser stehen am 10. Dezember in Rafah während der anhaltenden israelischen Bombardierung des Gazastreifens für Kochgas an Foto: Hatem Ali/AP/dpa

In der Nacht zum Sonntag kursierte ein Video aus dem nördlichen Gazastreifen im Internet, auf dem laut der Times of Israel ein mutmaßlicher Hamas-Kämpfer zu sehen sei. Der Mann tritt aus einer Reihe anderer Männer, die wie er nur mit Unterhose bekleidet sind, mit erhobener Waffe hervor, geht an einem Panzer vorbei und legt sie vor einem israelischen Soldaten nieder. Die Szene zeige, wie sich die Männer den israelischen Truppen ergeben, hieß es in dem Bericht. Ihre Identität konnte jedoch zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Israelische Einheiten seien sehr nah an Kommandozentralen der Hamas in Dschabalia und Schedschaija herangerückt, sagte derweil Hanegbi. Es seien bereits 7.000 Hamas-Terroristen getötet worden. Eine totale Niederlage der Hamas werde auch den Weg zur Befreiung von derzeit noch 138 Geiseln aus der Gewalt der Islamisten frei machen.

Weiter Raketenangriffe auf israelische Grenzorte

Der Gaza-Krieg überlagert auch Ägyptens Präsidentenwahl, die am Sonntag begonnen hat. Es wird erwartet, dass Amtsinhaber Abdel Fattah al-Sisi die Wahl erneut für sich entscheiden wird. In Ägypten gibt es die Sorge, dass die zu seinem Land gehörende und an Gaza grenzende Sinai-Halbinsel zum Ausgangsort neuer Angriffe auf Israel werden könnte, wenn Bewohner des Küstenstreifens wegen des Krieges dorthin flüchten. Gleichzeitig befürchtet die Regierung in Kairo, dass aus einer Massenflucht eine dauerhafte Vertreibung werden könnte.

Die ehemalige russisch-israelische Geisel Irena Tati (Mitte) hält ein Bild ihres 27-jährigen Enkels Alexander (Sasha) Tropanov während einer Demonstration in Tel Aviv am 2. Dezember, bei der die Freilassung der israelischen Geiseln gefordert wird, die seit den Angriffen vom 7. Oktober in Gaza festgehalten werden
Die ehemalige russisch-israelische Geisel Irena Tati (Mitte) hält ein Bild ihres 27-jährigen Enkels Alexander (Sasha) Tropanov während einer Demonstration in Tel Aviv am 2. Dezember, bei der die Freilassung der israelischen Geiseln gefordert wird, die seit den Angriffen vom 7. Oktober in Gaza festgehalten werden Foto: AFP

„Gerechter Krieg“

Nach dem Veto der USA gegen eine sofortige Waffenruhe im Gazastreifen hat der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eine Fortsetzung des „gerechten Kriegs“ gegen die radikalislamische Hamas angekündigt. In einer Videobotschaft begrüßte Netanjahu am Samstag die „korrekte Haltung der USA im UN-Sicherheitsrat“, die als einziger der 15 Mitgliedstaaten gegen den Resolutionsentwurf gestimmt und ihn mit ihrer Veto-Macht blockiert hatten.

Ein junger Mann entlädt am 10. Dezember während der Kämpfe zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Bewegung einen Lastwagen mit humanitärer Hilfe in Rafah im südlichen Gazastreifen
Ein junger Mann entlädt am 10. Dezember während der Kämpfe zwischen Israel und der palästinensischen Hamas-Bewegung einen Lastwagen mit humanitärer Hilfe in Rafah im südlichen Gazastreifen Foto: AFP

Die anderen Länder müssten begreifen, dass „man nicht die Vernichtung der Hamas unterstützen und gleichzeitig ein Ende des Krieges fordern kann, was die Vernichtung der Hamas verhindern würde“, sagte Netanjahu. „Deshalb wird Israel seinen gerechten Krieg fortsetzen, um die Hamas zu vernichten und die restlichen Kriegsziele zu erreichen.“

Der israelische Armeechef Herzi Halevi kündigte gleichzeitig eine Ausweitung der Offensive gegen die Hamas an. Jeden Tag würden mehr und mehr „Terroristen“ getötet oder verwundet, einige von ihnen hätten sich zudem in den vergangenen Tagen ergeben, sagte Halevi. Dies sei „ein Zeichen, dass ihr Netzwerk auseinanderfällt, ein Zeichen, dass wir härter durchgreifen müssen“.

JJ
10. Dezember 2023 - 19.54

Krieg ist die Hölle. Wenn die Hamas keine Feiglinge wären,würden sie sich nicht hinter Zivilisten verstecken. Wir kennen das von japanischen Soldaten die Frauen mit Sprenggürteln versahen und sie an die Front schickten um sie zu gegebener Zeit in die Luft zu sprengen,nämlich wenn die amerikanischen Soldaten Hilfe leisten wollten. Homo homini lupus.