Mittwoch22. Oktober 2025

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LuxemburgHonigbienen vs. Wildbienen: Mangelnde Biodiversität führt zu Konkurrenzkampf

Luxemburg / Honigbienen vs. Wildbienen: Mangelnde Biodiversität führt zu Konkurrenzkampf
Eine Wildbiene auf der Suche nach frischem Blütennektar Foto: SIAS

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Die Wildbiene steht unter Druck. Dabei spielt auch der Konkurrenzkampf mit der Honigbiene eine Rolle. „Es kommt immer wieder zu Gesprächen zwischen Imkerei und Naturschutz“, sagt Marc Thiel. Er ist Naturschützer – und Imker.

Marc Thiel ist als Naturschützer und Imker tätig
Marc Thiel ist als Naturschützer und Imker tätig Foto: SIAS

Honigbienenstöcke – vor allem in den Städten – sind nicht unproblematisch. Das belegt eine Schweizer Studie. Die Überbevölkerung der Honigbiene kann erheblichen Druck auf Wildbienen und andere Bestäuber ausüben. Das Thema sorgt auch in Luxemburg regelmäßig für Diskussionen zwischen Imker*innen und Naturschützer*innen. Das Tageblatt unterhielt sich mit Marc Thiel, Zuständiger für die Biodiversität in der Landwirtschaft beim Gemeindesyndikat SIAS.

Marc Thiel ist selbst Imker und plant seine Bienenstände und -völker mit Bedacht: Er züchtet maximal sieben Bienenvölker pro Standort. „Bei manchen Imkern steigt diese Zahl auf 30 bis 50 Völker pro Stand – das ist meiner Meinung nach zu viel.“ Hier sei das Feingefühl des Imkers gefragt. „Man muss sich lediglich fragen: Was liefert meine Landschaft? Wie viele Bienenvölker verträgt meine Landschaft?“, erklärt der Imker.

Man müsse dabei aufpassen, dass genügend Obstbäume, Blumenwiesen und Heckenpflanzen vorhanden sind, damit sich Honig- und Wildbiene nicht zu sehr in die Quere kommen. Passe man sich nicht an die natürlichen Gegebenheiten an, entstehe nicht nur Konkurrenz zwischen den Honig- und Wildbienen, sondern auch unter den Honigbienen selbst. Die Anzahl der Bienenvölker pro Stand sei bisher gesetzlich nicht reguliert.

Unterschiede zwischen Honig- und Wildbienen

Ein Honigbienenvolk zählt rund 50.000 Bienen. Honigbienen bleiben ihrem Bestäubungsbereich treu: Fühlen sie sich beispielsweise an einem Obstbaum wohl, kehren sie immer wieder zu ihm zurück und beachten die anderen Blüten nicht. Die Honigbienen verlassen ihr Volk ab einer Außentemperatur von zehn bis zwölf Grad.
Wildbienen sind hingegen oft Einsiedler; ein Wildbienenvolk zählt maximal 100 Bienen. Die Bestäubung erfolgt flächendeckender. Sie verlassen ihr Nest bereits ab einer Außentemperatur von sechs Grad. Die Wildbiene ist deswegen unerlässlich für unsere Natur.

„Früher gab es deutlich mehr Imker“

Honigbienen auf einer Wabe
Honigbienen auf einer Wabe Foto: SIAS

Vor rund 15 Jahren war die Imkerei in Luxemburg an ihrem Tiefpunkt angelangt. Das SIAS bot daraufhin Imker-Schnupperkurse für Interessierte an. „Das Projekt war ein großer Erfolg“, so Thiel. So groß, dass man im vergangenen Jahr entschied, die Workshops wieder einzustellen. „Wir haben unsere Aufgabe erfüllt, die Imker-Vereine verzeichnen einen Aufschwung“, ergänzt er. Auch viele junge Leute haben die Imker-Ausbildung beim Luxemburger Landesverband für Bienenzucht abgeschlossen. Die Imkerei sei aktuell sehr „en vogue“. Gerade deswegen sei es wichtig, weiterhin zu sensibilisieren.

„Früher gab es deutlich mehr Imker in Luxemburg als heute“, erzählt Thiel. Im Jahre 1902 gab es ganze 3.422 Imker in Luxemburg, 2012 waren es nur noch 333. Aktuell liege die Zahl bei rund 700. „Trotz der hohen Anzahl von Imkern gab es früher keine Konkurrenz zwischen der Honig- und Wildbiene. Die Biodiversität war damals viel höher und jeder Imker besaß nur rund sechs Bienenvölker“, erklärt er. So komme es gar nicht zu einem Engpass beim Blütenangebot.

Die Initiative, dass Firmen und Hotels Bienenvölker auf ihren Dächern züchten, begrüßt Marc Thiel. „Sie setzen sich dadurch für die Natur ein“, sagt er. Hinter dieser Art der Imkerei stecke natürlich auch eine kluge Marketing-Strategie. „Honigbienen haben ein gutes Image. Die Produkte vom eigenen Dach dann der Kundschaft anbieten zu können, ist zweifellos eine gute Werbung“, so Thiel.

Imkerei trägt keine Schuld an Druck auf Wildbienen

Tipps zum Erhalt der Biodiversität für Wildbienen

– Legen Sie eine Wildblumenwiese an.
– Mähen Sie Ihren Rasen nicht zu oft.
– Legen Sie Niststellen für Bienen an.
– Pflanzen Sie (Obst-)Bäume.
– Belassen Sie Ihr Totholz im Garten.

Honigbienen im Anflug auf die Bienenstände
Honigbienen im Anflug auf die Bienenstände Foto: SIAS

Um die Problematik besser zu verstehen, müsse man einen Blick in die Vergangenheit werfen. Die Entwicklung der Landwirtschaft habe in den letzten 100 Jahren viele Opfer gefordert: „Die Biodiversität hat unter dem Einsatz von Pestiziden und modernen Maschinen gelitten“, erklärt der Naturschützer. Der Rückgang der Biodiversität bedeute ein eingeschränktes Nahrungsangebot für die Wildbienen und andere Bestäuber. „Manche Wildbienen-Arten sind oligolektisch, das heißt, sie sind auf einen spezifischen Blütenpollen angewiesen. Wenn diese Blume dann verschwindet, stirbt auch die Biene aus“, erläutert Thiel.

Hinzu komme der fortschreitende Verlust des Lebensraums: „Früher nistete die Wildbiene sich gerne zwischen den Pflastersteinen ein, heute bietet der Straßenbeton dafür keine Möglichkeit mehr. Auch Totholz kann nicht mehr als Unterschlupf genutzt werden, da es heutzutage sofort in den Wäldern und Gärten beseitigt wird“, so Thiel.

Ob die Schweizer Studie sich auch in Luxemburg bewahrheiten lässt, könne man so pauschal nicht sagen. „Es kommt immer wieder zu Gesprächen zwischen Imkerei und Naturschutz. Dabei sehen viele den Zusammenhang zwischen den zwei Welten nicht: Häufig fehlt den Naturschützern die Sicht der Imker. Die Imker verstehen oft den Wandel der Natur nicht und warum es wichtig ist, achtsam bei der Platzierung der Bienenstände zu sein“, so Thiel. Die Imkerei sei nicht schuld am Druck, unter dem die Wildbienen aktuell stehen: „Die Schuld liegt bei uns als Gesellschaft. Wir alle sorgen dafür, dass die Grünbestände immer geringer werden“, ergänzt er.