10. Dezember 2025 - 11.47 Uhr
470 geplante EntlassungenHistorisch größter Sozialplan Luxemburgs: Amazon bricht negativen Rekord
Der angekündigte Stellenabbau bei Amazon wird zum größten Sozialplan in der jüngeren Geschichte Luxemburgs. Mit 470 betroffenen Arbeitsplätzen übertrifft der US-Konzern alle vergleichbaren Fälle der vergangenen Jahrzehnte. Die große Mehrheit der Sozialpläne betrifft jeweils deutlich weniger als 100 Mitarbeiter.
Der bisherige „Spitzenreiter“ im negativen Sinne war der Elektronikkonzern TDK, wie aus der vom OGBL erstellten Liste hervorgeht. Im Jahr 2006 kam es bei dessen Werk in Bascharage zu einem Sozialplan mit 342 Entlassungen. Hintergrund waren Veränderungen bei der Nachfrage. Die Produktion von beschreibbaren CDs und DVDs wurde eingestellt.
Auch die bisherige Nummer zwei der Sozialpläne betrifft einen internationalen Konzern. Zusammen mit der Umstellung auf E-Autos und einem Kauf der Muttergesellschaft wurde eine konzerninterne Restrukturierung beschlossen. 2020 folgte ein heftiger Sozialplan mit insgesamt 243 Entlassungen. In den Vorjahren hatte es bereits mehrere „kleinere“ Sozialpläne gegeben.
Strategische, firmeninterne Überlegungen
Auf den folgenden Plätzen liegen vornehmlich Finanzinstitute, die meist aus strategischen, firmeninternen Überlegungen ihr Geschäft umbauen wollten, was dann zulasten der Beschäftigten ging. RBC taucht in der Liste gleich dreimal auf. Mit dabei auch die Bank ING, die in den letzten beiden Jahren entschieden hat, das Geschäft mit den kleineren Kunden einstellen zu wollen, und daher die betreffenden Mitarbeiter entließ.

Nur ein einziger Fall in der jüngeren Vergangenheit übertrifft den US-Internetkonzern rein zahlenmäßig, berichtet der OGBL weiter: die Socimmo-Insolvenz von 2011, bei der 477 Mitarbeiter ihre Jobs verloren. Doch hier gibt es einen entscheidenden Unterschied: Das war eine Pleite, kein Sozialplan. Bei einer Insolvenz/Pleite gibt es keine Verhandlungen, keine Abfindungen nach Sozialplan-Standards, keine Möglichkeit für interne Versetzungen oder Umschulungen. Bei einem Sozialplan (siehe Kasten) gibt es wenigstens noch die Möglichkeit, zu verhandeln, um den Erhalt einiger Stellen zu kämpfen, oder sich zumindest dafür einzusetzen, die Kündigungsbedingungen für die Betroffenen zu verbessern.
In diesem Sinne konnte beispielsweise 2020/21 dank Verhandlungen eine gewaltige Masse an Entlassungen abgewendet werden. Damals hatte ArcelorMittal angekündigt, 578 Arbeitsplätze, etwa 15 Prozent der gesamten Belegschaft in Luxemburg, abbauen zu wollen. Das Stahlunternehmen, Regierung und Gewerkschaften fanden zusammen aber einen alternativen Weg. Durch das Tripartite-Abkommen „LUX 2025“ konnte ein klassischer Sozialplan mit harten Entlassungen vermieden werden.
Doch bei Amazon gibt es scheinbar kein Interesse daran, die Entlassungen abzuwenden. Im Gespräch mit dem ehemaligen Arbeitsminister Georges Mischo wurde die Idee eines staatlich gestützten Beschäftigungsplans vom US-Konzern abgelehnt.
Nicht aus der Not heraus entstanden
Amazon gehört zu den Unternehmen, die einen Sozialplan durchziehen, der nicht aus der Not heraus entstanden ist. Es gibt keine strukturellen Probleme, wie es sie beispielsweise 2006 mit der eingebrochenen Nachfrage nach Produkten von Villeroy&Boch gab. Bei Amazon steigt der Umsatz immer weiter: Erwirtschaftet werden Rekordgewinne in Milliardenhöhe.
Der Konzern betreibt einfach weltweit einen Jobabbau, um Kosten zu sparen und künftige Gewinne möglichst hoch zu halten. Die einzelnen menschlichen Schicksale sind für ihn keine Priorität. Wer nicht mehr genug zu neuem Wachstum beitragen kann, muss gehen – neue bsp. KI-Experten werden dann eingestellt.
„Dies ist kein verantwortungsvolles Vorgehen des Unternehmens“, haben OGBL und LCGB in einer gemeinsamen Pressemeldung geschrieben: „Diese grausame Entscheidung stellt den Profit über die Existenzgrundlage von Hunderten von Arbeitnehmern und stürzt deren Familien und ihr Umfeld in eine tiefe Unsicherheit auf einem ohnehin schon schwierigen Arbeitsmarkt.“
Für einen Teil der Angestellten dürfte es besonders schwer werden. Viele Beschäftigte aus Drittstaaten könnten ihre Blaue Karte EU verlieren, wenn sie entlassen werden, warnen die Gewerkschaften. Dies bedeutet, dass sie möglicherweise das Land verlassen müssen.
Bleibt noch zu erwähnen, dass die Zahl der gewünschten Entlassungen mit 470 zwar enorm hoch ist, sie jedoch „nur“ jeden 10. oder 15. Mitarbeiter treffen wird. Im Gegensatz zu Fällen wie TDK, Delphi oder Villeroy&Boch, wo ganze Firmenbereiche den Schlüssel unter die Tür legten und fast alle Kollegen ihre Jobs verloren, wird die Mehrheit der Angestellten bei Amazon ihre Jobs behalten. Es ist das Gewicht des Konzerns, landesweit wie weltweit, das das Handeln der Unternehmensgruppe so unübersehbar macht.
Sozialplan
Ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, innerhalb von 30 Tagen mindestens sieben Arbeitnehmer oder innerhalb von 90 Tagen mindestens 15 Arbeitnehmer aus nicht in der Person des Arbeitnehmers liegenden Gründen zu entlassen, muss auf das Verfahren der Massenentlassung zurückgreifen. Dieses ist in vier Etappen gegliedert: 1. Inkenntnissetzung der ADEM und der Arbeitnehmervertreter; 2. Aushandlung eines Sozialplans; 3. Umsetzung des Sozialplans; 4. gegebenenfalls Beantragung der Steuerbefreiung der ausgehandelten oder gesetzlich vorgesehenen Abfindungen. (guichet.lu)
De Maart

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