Eine Überraschung war es nicht: Nachdem Anfang der Woche die Differdinger Gemeinderätin Morgan Engel ihren Wechsel von den Piraten zur LSAP bestätigt hatte, trat nun die Escherin Tammy Broers aus der Partei aus. Darüber informierte sie die Parteizentrale in einem Schreiben am Mittwochabend. Gleichzeitig stellte sie und der bisherige Präsident der Escher Piraten, Patrick Steffen, einen Mitgliedsantrag bei den Grünen, dem das Exekutivkomitee von „déi gréng“ allerdings noch zustimmen muss. Neben Broers und Steffen werden weitere fünf Escher Piraten der Partei den Rücken kehren, so Broers.
„Ich habe lange überlegt, mir viele Gedanken gemacht“, sagte Tammy Broers am Donnerstag gegenüber dem Tageblatt, „es gab null Zusammenarbeit und keinerlei Unterstützung von der Piratenpartei, dazu kam dann das Bashing der letzten Zeit, bei dem einer gegen den anderen schoss“. Mit Sven Clement habe sie nie Probleme gehabt, anders so mit Marc Goergen, dem Parteikoordinator aus dem Süden. „Er hat mich nie unterstützt, im Gegenteil. Er wollte mich von Anfang an nicht und das hat er mich spüren lassen. Ich finde das nicht fair. Zumal er Probleme mit Frauen zu haben scheint“, klagt Broers an. Deshalb habe sie sich von Anfang an zusammen mit Sektionspräsident Steffen „durchwurschteln“ müssen. Sie gehe nun mit positiven Erwartungen zu den Grünen, denn nun sei sie nicht mehr alleine und man könne im Team zusammenarbeiten. „Ich bin erleichtert, dass ich bei den Piraten raus bin. Denn die letzten Monate waren seelisch alles andere als einfach. Das Kapitel Piraten ist für mich endgültig abgeschlossen“, so Broers.
Es war meine Entscheidung, ich habe nichts versprochen bekommen, außer Zusammenhalt und Zusammenarbeit

Marc Goergen hat für solche Aussagen nur ein müdes Lächeln übrig: „Ich gebe zu, dass wir bei den Gemeindewahlen nicht mit einem Sitz in Esch gerechnet hatten. Und ich gebe zu, dass ich nicht glücklich darüber war, dass gerade Tammy als Rätin gewählt wurde. Ich war auch nicht froh über das Bild, das sie im Gemeinderat von der Partei abgegeben hat“, sagt der Abgeordnete. In der Tat waren die wenigen Wortmeldungen von Broers im kommunalen Gremium seit der Wahl im Juni 2023 nicht sonderlich souverän. Vielmehr brachten sie Broers über die sozialen Netzwerke landesweite Häme ein. „Man muss sich auch helfen lassen wollen“, sagt dazu Marc Goergen. Zudem habe Broers nicht an den diversen Weiterbildungsmöglichkeiten für Gemeinderäte teilgenommen. „Ich bin nicht traurig über den Wechsel“, so Goergen weiter. Und: „Ich mache keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. In Petingen sitzen zwei Frauen für die Piraten im Gemeinderat. Fragen Sie doch mal bei denen nach.“
„Nichts versprochen bekommen“
„Es war meine Entscheidung, ich habe nichts versprochen bekommen, außer Zusammenhalt und Zusammenarbeit“, sagt unterdessen Tammy Broers zu ihrem Wechsel zu den Grünen. Der ist noch nicht vollzogen und muss formal von der Exekutive von „déi gréng“ abgesegnet werden. Laut Meris Sehovic, der dem Tageblatt den Eingang des Mitgliederantrags von Broers und Steffen bestätigte, eine Formalität: „Wir sind die Grünen, nicht irgendein exklusiver Klub. Wir wollen die Gesellschaft repräsentieren. Und jeder, der sich mit unseren Werten identifiziert, ist willkommen“, sagt der frühere Co-Präsident der Partei und jetzige Schöffe in Esch. Zwei Grundvoraussetzungen gibt es, um in die Partei aufgenommen zu werden: keine andere Parteikarte und das Bekenntnis zu den Grundwerten der Grünen.
„Wir haben uns in der Escher Sektion mit Tammy getroffen. Sie hat uns von ihrer Partei erzählt, dass sie nicht unterstützt wurde und ihr sogar Steine in den Weg gelegt wurden“, sagt Sehovic. „Wir haben alle mal jung angefangen. Ich persönlich hatte das Glück, in einer Partei zu sein, in der man nicht Fehler beurteilt, sondern unterstützt wird.“ Demnach fürchtet der Schöffe durch den Wechsel auch keinen Imageschaden für die (Escher) Grünen: „Wir haben in den Gesprächen gemerkt, dass Tammy extrem gut informiert ist über die sozialen Probleme der Stadt z.B., oder aber über LGBTQ-Themen. Sie ist eine junge Frau, die der Politik guttut, da sie Menschen repräsentiert, die sonst kaum in der Politik repräsentiert werden. Prinzipiell geben wir nichts auf den Ruf einer Person, sondern vielmehr auf das, was sie macht.“
Sehovic: „Nice to have“

Dass die schwarz-blau-grüne Mehrheit im Escher Rathaus nun um eine Stimme ausgebaut wurde (11 zu 8 anstelle von 10 zu 9), bezeichnet Meris Sehovic als „nice to have“, mehr nicht. Schließlich habe auch die knappe Mehrheit zuletzt stets ausgereicht. „Ich hatte Gespräche mit den Kollegen aus dem Schöffenrat und wir waren uns einig, dass sich nichts ändert, außer vielleicht die Sitzordnung.“ Fest steht: Eine oder einen Abtrünnigen in den eigenen Reihen brauchen die CSV-DP-„déi gréng“-Koalitionäre im Escher Rathaus nun nicht mehr zu fürchten.
Auch Tammy Broers weiß, dass sie jetzt zur Mehrheit gehört und nicht mehr, wie in der Vergangenheit fast immer geschehen, mit der Opposition abstimmen kann. „Ich bin mir dessen bewusst“, sagt sie. Mit der LSAP hatte sie keinen Kontakt, ein Wechsel zum ADR war für sie keine Option. Zu rechtsradikal, frauen- und LGBTQ-feindlich sei die Partei, so Broers.
Wie es bei den Piraten weitergeht, bleibt abzuwarten. Die Aufarbeitung der MALT-Affäre mitsamt der atmosphärischen Störungen zwischen den Abgeordneten Sven Clement und Marc Goergen haben Spuren hinterlassen und die Partei an den Rand des Abgrunds gebracht. Nach den Abgeordneten Ben Polidori (zur LSAP) und den Gemeinderäten Steven Curfs (Monnerich), Marie-Marthe Muller (Luxemburg-Stadt), Vincenzo Turcarelli (Käerjeng) und Morgan Engel (Differdingen) hat nun mit Tammy Broers eine sechste Mandatsträgerin der Partei den Rücken gekehrt. Goergen meint nicht, dass das der Todesstoß für die Piraten ist. „Imagemäßig vielleicht, vor allem, was die Transparenz betrifft“, so Goergen, „auf der anderen Seite kann sich der Rest nun auf gute politische Arbeit konzentrieren. Denn die, die Probleme bereitet haben, sind weg.“ Mit Ausnahme vielleicht der Familie Clement, schränkt er ein. Sven Clement sitzt neben Goergen in der Chamber, Clements Mutter Sonja Barthel im Gemeinderat von Dalheim.
Verpackung geändert, Inhalt derselbe.
Piraten oder Grüne... who cares?