Hesperingen: Laut Bürgermeister Marc Lies lässt die Regierung die Gemeinde im Regen stehen

Hesperingen: Laut Bürgermeister Marc Lies lässt die Regierung die Gemeinde im Regen stehen

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Es ist eine „never-ending story“ um die seit langem geplante Hesperinger Umgehungsstraße: Viele Bürger haben die leeren Versprechungen und das Verkehrschaos vor Ort längst satt. Inzwischen hat die Gemeindebürgerin Fabienne Even eine Facebook-Seite gegründet, die für die Umsetzung des Bauvorhabens kämpft. Bürgermeister Marc Lies (CSV) zeigt Verständnis. Das Tageblatt sprach mit ihm über die Problematik des Projekts.

Von Raphael Lemaire

Tageblatt: Seit wann gibt es die Idee, eine Umgehungsstraße für Hesperingen zu bauen?

Marc Lies: Die Idee stammt vom ehemaligen sozialistischen Minister für Transport und öffentlichen Bau, Albert Bousser (Regierung Pierre Werner 1964-1969), der ebenfalls ein Jahr lang Bürgermeister von Hesperingen war. Damals war das Projekt aber eher eine Art Bypass als eine Umgehungsstraße. Danach war es lange Zeit ruhig.

Wie ging es weiter?

Mit der Entwicklung des Ban de Gasperich und der Cloche d’Or kam Anfang der 2000er wieder Bewegung ins Dossier. 2005 hatten wir intensive Gespräche mit dem damaligen „Stater“ Bürgermeister Paul Helminger, der ebenfalls der Auffassung war, dass doch etwas geschehen müsste. 2008 kam das Projekt dann in den sektoriellen Leitplan und 2011 genehmigte der Regierungsrat das Bauvorhaben.

Wann fingen die Schwierigkeiten an?

2017 trafen wir uns mit den Verantwortlichen von „Ponts et chaussées“ sowie mit Camille Gira, der Vertretung des damaligen Transportministers Bausch. Uns wurden fünf verschiedene Versionen einer möglichen Umgehungsstraße vorgestellt, die im Laufe der Monate jedoch auf zwei reduziert wurden. Die öffentliche Konsultation sollte bis Ende des Jahres erfolgen. Passiert ist nichts, obwohl wir mehrmals auf kommunaler Ebene und sogar per parlamentarische Anfrage nachgehakt haben. Als ehemaliger Verkehrsschöffe der Stadt Luxemburg wusste Bausch außerdem schon vor seinem Ministeramtsantritt von den massiven Verkehrsproblemen unserer Gemeinde.

Wie reagierten die Verantwortlichen anschließend?

Am 23. Januar 2019 sprach Minister Bausch laut „Chamber-Verbatim“ davon, dass die öffentlichen Anhörungen vor der diesjährigen Sommerpause kommen sollten. Einige Tage später erklärte Umweltministerin Carole Dieschbourg, man wisse nicht, wann die Anhörungen stattfinden – ein Paradox.

Wurden Gründe für die Verschleppung des Dossiers genannt?

Das Umweltministerium versteckt sich hinter immer neuen Studien. Es ist eine pure Verhinderungstaktik. Für uns wäre es besser gewesen, wenn die Anhörungen um das Projekt der Umgehungsstraße 2017 umgesetzt worden wären. 2018 ist nämlich zwischenzeitlich ein neues Naturschutzgesetz herausgekommen. Seitdem fällt in Hesperingen ein Teil der Naturfläche unter eine „Zone de protection nationale“. Natürlich fällt ein Teil dieser geschützten Fläche in die Version der Umgehungsstraße, die für uns aufgrund größerer Verkehrsentlastung am besten wäre.

Hatten Sie in Ihrer Bürgermeisterfunktion mehrere Zwischenfälle nach solchem Muster?

Ja, in der Tat. Ich gebe Ihnen noch ein Beispiel. Im Oktober 2018 lancierten wir eine Kampagne über die Luftqualität. Dazu installierten wir in unserer Gemeinde einen Apparat, der die Stickstoffdioxidwerte gemessen hat. Das Ergebnis: Unsere Gemeinde hatte die höchsten Schadstoffwerte im ganzen Land. Daraufhin schrieb uns Umweltministerin Carole Dieschbourg an: In Hesperingen müsste eine Reduktion an Verkehr und Dieselautos stattfinden sowie eine stärkere Förderung der sanften Mobilität.

Wie haben Sie reagiert?

Meine Partei erkundigte sich in einer parlamentarischen Anfrage, ob die Regierung Projekte zur Reduzierung der Dieselfahrzeuge sowie des Autoverkehrs in den betroffenen Straßen umsetzen wolle. Die Antworten der Minister Bausch und Dieschbourg: ein klares Nein. Im Bereich der sanften Mobilität hat unsere Gemeinde ein vollständiges Konzept für zusätzliche Fahrradwege präsentiert. Minister Bausch schien das in der zuständigen Parlamentskommission nicht sonderlich zu interessieren. Und Umweltministerin Dieschbourg blockierte das Fahrradwege-Projekt mit der Begründung einer neuen, internen Studie über eine seltene Orchidee, die in dem Gebiet vorkommt, deswegen dürfe man dort nicht mit dem Fahrrad entlangfahren. Die sollen uns arbeiten lassen! Man kann nicht immer nur fordern und gleichzeitig alle Initiativen aufgrund einer gewissen Ideologie im Hintergrund blockieren.

Haben Sie schon Kontakt mit Fabienne Even und ihrer neuen Initiative gehabt?

Ja, sicher. Fabienne ist ein sehr nettes Mädchen, das ich seit vielen Jahren kenne. Sie hat diese Aktion damals gestartet, weil sie weiß, dass man in der Politik nicht immer alle seine Vorhaben umsetzen kann. Ich habe zu ihr gesagt: Ich werde dich definitiv nicht davon abhalten, Bewegung in die Sache zu bringen! Mittlerweile zählt die Facebook-Gruppe bis zu 1.600 Mitglieder. Die Frage ist jetzt, ob der sich langsam aufbauende öffentliche Druck nun reichen wird, um ein Umdenken im Ministerium zu erzwingen.

Wie wird es nach Ihrer Einschätzung in diesem Dossier weitergehen?

Ich schätze, dass die öffentlichen Anhörungen zur Umgehungsstraße nach den Sommerferien im Herbst stattfinden werden. Das Umweltministerium unter Frau Dieschbourg positioniert sich ganz klar für die Nullvariante, also gegen die Umgehungsstraße. Es ist mir unbegreiflich, dass das Land und die Gemeinden ständig wachsen, aber verschiedene Politiker sich wegen einer Ideologie weigern, geeignete Verkehrs- und Transportmaßnahmen zu ergreifen, die dem Wachstumsprozess Rechnung tragen. Der Individualverkehr bleibt dabei auf der Strecke. Ich bin völlig damit einverstanden, dass die Tram und die Zugstrecken ausgebaut werden müssen, aber da fragt niemand nach, wie viele Bäume deswegen abgeholzt wurden!


Minister Bausch reagiert

Der Mobilitätsminister reagiert auf die Vorwürfe. Laut Bausch kenne der Hesperinger Bürgermeister die allgemeine Gesetzeslage nicht, denn das betroffene Gemeindegebiet liege in einem europäischen Vogelschutzgebiet. Außerdem schreibe eine europäische Richtlinie vor, dass man bei Bauprojekten im öffentlichen Raum immer eine Umweltverträglichkeitsprüfung vornehmen müsse. Was die öffentlichen Anhörungen betrifft, so wollte der Minister den Vorwurf vermeiden, die Termine absichtlich ins Sommerloch zu legen. Wenn der zweite Teil der öffentlichen Anhörungen im September starten wird, werde es sich eh nur um die Differenz eines Monats handeln. Bausch bezichtigte Lies gar der Parteipolitik und forderte ihn zu einem öffentlichen „face-à-face“ auf. Aus dem Umweltministerium heißt es, man gehe neutral und nur nach den offiziellen Regeln vor.

Einstweilen erstickt die Gemeinde Hesperingen weiter im Verkehr …


Steckbrief der Gemeinde

Die 27,22 km² große Gemeinde besteht aus den Ortschaften Hesperingen, Alzingen, Fentingen, Howald und Itzig. Im Nordwesten grenzt sie an die Hauptstadt Luxemburg und im Osten an die Gemeinde Contern. Die Kommune zählt 15.246 Einwohner (Stand: 1. Januar 2018).

J.C.KEMP
19. Juli 2019 - 10.17

Und wer hat sich gegen die Bousser-Initiave damals am meisten gewehrt? Dreimal brauchen Sie überhaupt nicht zu raten- "Dann verschwindet der Durchgangsverkehr, und die Geschäftswelt geht kaputt!" In Ettelbrück lief übrigens das gleiche Szenario. Beide stramme C-Gemeinden.

Jemp
19. Juli 2019 - 1.57

Wo war Herr Lies zu Zeiten der CSV-Regirung? Weshalb macht jetzt soviel Gdöns? Lächerlich! Armselig!

Pierre Ravarin
18. Juli 2019 - 20.03

In dieser Angelegenheit benimmt der gute Herr Lies sich genauso wie betreffend Wohnungsbau. Als seine Partei in der Regierung war, kam kein Sterbenswörtchen von seinen Lippen! Jetzt macht er auf dicker Macker!!! Macht sich selbst dadurch sehr unglaubwürdig.

trotinette josy
18. Juli 2019 - 19.32

So klar wie " Boulettenzopp ", ein billiges Ablenkungsmanöver von dem eigentlichen Skandal, der Finanzaffäre, für die Lies mitverantwortlich ist!

Jang
18. Juli 2019 - 18.40

Typisch CSV Bürgermeister,immer die anderen.

Clemi
18. Juli 2019 - 14.52

"Man kann nicht immer nur fordern und gleichzeitig alle Initiativen aufgrund einer gewissen Ideologie im Hintergrund blockieren." ... spannende aussage ...

KTG
18. Juli 2019 - 13.11

Und der Finanzskandal? Hat der CSV-Bürgermeister dazu nichts zu sagen oder geht's hier nur um die Abteilungen "Attacke" und "Ablenkungsmanöver". (Kein Fragezeichen, die Antwort ist ja wohl eher offensichtlich)

titi
18. Juli 2019 - 13.09

Früher, als solche Umgehungsstrassen problemlos zu bauen waren, hat man die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Albert Bouser und Victor Bodson waren die rühmlichen Ausnahmen, die vorausplanten, vor allem Erstgenannter ohne den es den Stausee in Esch/ Sauer und die Ourtalsperre zur Wasserversorgung resp. zur Stromerzeugung wahrscheinlich heute noch nicht gäbe. Beide waren LSAP Politiker.Beide waren Pioniere, ihrer Zeit voraus. In der CSV gab es solche Vordenker nicht. Eine unrühmliche Ausnahme, Joseph Bech und sein Maulkorbgesetz, ein peinliches und unrühmliches Vorhaben, das Gott sei Dank scheiterte.

Zahlen
18. Juli 2019 - 13.04

Die Regierung? Nach Lektüre des Artikel glaube ich eher dass ein Dutzend CSV-Regierungen sie im Regen haben stehen lassen und jetzt, wo die CSV weg vom Fenster ist, macht der CSV-Bürgermeister Wind?