„Herchesfeld“ – Mit Rammstein wurden die Grenzen des Machbaren erreicht

„Herchesfeld“ – Mit Rammstein wurden die Grenzen des Machbaren erreicht

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Weniger als 20 Stunden nach Konzertende war die imposante Rammstein-Bühne, deren Aufbau sich über den Zeitraum von mehr als einer Woche hinwegzog, verschwunden. Und auch sonst erinnerte – abgesehen von unzähligen Konfetti-Schnipseln, die über einen weiten Raum verstreut am Waldboden  lagen – kaum mehr etwas an das Spektakel aus donnernden Bässen und gleißendem Feuer vom Samstagabend. Doch das Konzert hat die Grenzen dessen aufgezeigt, was auf dem „Herchesfeld“ machbar ist.

Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Francis Besch

Dass in den letzten Tagen kaum mehr Singvögel im Crauthemer Wald zu hören waren, liegt mit höchster Wahrscheinlichkeit nicht an Rammstein! Von der ornithologischen Abteilung des „Haus vun der Natur“ war zu erfahren, dass die Ursache hierfür wohl eher bei den hohen Temperaturen, die zurzeit vorherrschen, zu suchen ist. Die gefiederten Freunde würden sich ihre Energie aufsparen. Außerdem sei das Ende der Balzzeit erreicht, sodass sich singen nahezu nicht mehr lohne, heißt es. Andererseits seien der Lärm und die Pyrotechnik, die am Samstagabend dem ansonsten idyllischen Rahmen die Show stahlen, natürlich nicht gut für die Tierwelt im Allgemeinen. Doch Vögel und anderes Getier würden sich wohl rasch wieder von den Strapazen erholen, so die Spezialisten aus Kockelscheuer.

Das Rammstein-Event hat die Facebook-Nation gespaltet: Einerseits waren da jene, die ihrer Freude über das „genialste Konzert ever“ im Land fleißig über die sozialen Medien Ausdruck verliehen und andererseits diejenigen, die ihrem Ärger über selbiges Luft machten.

Stundenlange Menschen-Staus

Wobei sich die meisten nicht über die Einflüsse von Konzerten einer Rammstein-Dimension auf die Natur aufregten, sondern über zu hohe Preise für Essen und Trinken sowie extrem lange Wartezeiten am Ausgang, wo es zu stundenlangen Menschen-Staus gekommen war. Auf der Veranstaltungsseite auf Facebook ging es rund – wohl zu rund für das „Atelier“, das die Kommentarfunktion kurzerhand deaktivierte.

Fünf Jahre vor Rammstein hatten Iron Maiden das „Herchesfeld“ gerockt. Damals waren etwas mehr als halb so viele Besucher erschienen, Situationen wie die am vergangenen Samstag, wo sich wahre Massen von Menschen nur zentimeterweise fortbewegen konnten, blieben damals aus. Das gilt auch für das „Rock-A-Field“, das vor vier Jahren ein letztes Mal stattfand. Fazit: Bis zu 10.000 Musikfreunde sind für den Standort noch recht locker zu stemmen. Aber mit 18.000 wurden die Grenzen des Machbaren mindestens erreicht, wenn nicht sogar überschritten.

Eine natürliche Lichtung

Beim „Herchesfeld“ handelt es sich übrigens um eine natürliche Lichtung in dem von Wanderwegen und einem Fitness-Parcours durchzogenen Waldgebiet, das auch über einen Weiher verfügt. „Eigentlich wurden lediglich die Ränder angeglichen“, erklärt Bürgermeister Tom Jungen (LSAP) – und betont, dass im Laufe der letzten beiden Jahrzehnte nicht wenig Geld in den Standort investiert wurde. So mussten Strom- und Wasserleitung dorthin verlegt und erst vor wenigen Jahren ein größerer, befestigter Parkplatzbereich angelegt werden. Letzteres, um zu verhindern, dass die Fahrzeuge bei Regen im Schlamm stecken bleiben.

Los ging die Nutzung dieses Geländes für Veranstaltungen im Jahr 1993 mit den „Réiser Päerdsdeeg“, die seitdem jedes Jahr im Juni hier Reiter, Pferde und Besucher aus vielen verschiedenen Ländern anziehen. Lange Zeit war dies das einzige große Event, das jährlich in dem idyllischen Gebiet  stattfand. 2006 kam das „Rock-A-Field“ (RAF) hinzu, ein Musikfestival, das, bevor die Organisatoren es einstellten, jeweils an zwei oder drei Tagen zigtausende vorwiegend junge Besucher aus Luxemburg und der Großregion anlockte. 2015 zum bislang letzten Mal.

20.000 Euro Miete für das „Atelier“

Das „Herchesfeld“ wurde und wird aber auch in unregelmäßigen Abständen für andere, etwas kleinere Veranstaltungen genutzt – wie etwa für Agility-Wettbewerbe von Hundesportlern oder aber auch für Betriebsfeiern, so wie in diesem Jahr, wo neben der Post auch die Baufirma Karp-Kneip ihr Personal nach Crauthem geladen hatte. Doch eine große Einnahmequelle bedeutet dies für die Gemeindekasse von Roeser nicht.

„Was das Rammstein-Konzert angeht, so haben wir dem ‚Atelier‘ den Platz zum Pauschalpreis von 20.000 Euro vermietet“, erklärt Bürgermeister Jungen. Das ist derselbe Tarif, den es damals für Iron Maiden auch gab. Mit dem Unterschied, dass 2014 die Gemeinde auch das nötige Sicherheitspersonal stellte. Dies war vergangenes Wochenende jedoch anders. Die Kosten für die vom CGDIS gestellten Sanitäter und Feuerwehrleute muss das „Atelier“ diesmal  selbst tragen.

Über die Landesgrenzen hinaus bekannt

Ansonsten beträgt der Mietpreis bei  Veranstaltungen 2.500 Euro für den ersten Tag und 1.250 für jeden weiteren. Eine Ausnahme stellen die „Réiser Päerdsdeeg“ dar. „Wir sind bei dieser Veranstaltung als Partner tätig und stellen daher das Gelände zum Nulltarif zur Verfügung“, so Tom Jungen. Sicher ist, dass die Veranstaltungen aber zum Bekanntheitsgrad der Gemeinde Roeser, des Dorfes Crauthem und des „Herchesfeld“ weit über die Landesgrenzen beigetragen haben.

Und ein ganz kleines bisschen scheint sich dies auch auf die lokale Geschäftsfeld und den Tourismus im Land auszuwirken. „Ich habe am Samstag einige Menschen gesehen, die sich zu Fuß vom Hotel Ibis aus auf den Weg zum Rammstein-Konzert gemacht haben“, betont der Bürgermeister und ergänzt, dass er ebenfalls von einem Restaurantbetreiber angesprochen wurde, der Gäste verpflegte, die in Zusammenhang mit dem Konzert in einem hauptstädtischen Hotel einige Übernachtungen in Luxemburg gebucht hatten.

„Es gibt keine Alternativen“

Das „Herchesfeld“ sei eigentlich auch der einzige Ort im Land, den er sich für solche Mega-Events vorstellen könne: „Wir haben in Luxemburg kein Stadion, in welchem Gruppen wie Rammstein auftreten könnten, es gibt keine Alternativen für eine Veranstaltung dieser Dimension.“ Doch sei es auch so, dass die Gemeinde längst nicht alles hier zulassen werde.

„Wir wurden schon einmal kontaktiert wegen eines Motorsportereignisses im Crauthemer Wald. Natürlich haben wir da abgesagt, schließlich geht es bei sowas vor allem um etwas: den maximalen CO2-Ausstoß!“ Und das ließe sich natürlich absolut gar nicht mit dem Standort vereinen. Auch für eine Opernproduktion sei man bereits kontaktiert worden. „Dies hätte jedoch bedeutet, dass 100.000 Kubikmeter Erde verlegt werden müssten, was wir auch nicht zulassen können.“

Bis auf Weiteres herrscht auf dem „Herchesfeld“ nun erst einmal wieder Ruhe. Ein Festival- oder Konzerttermin sei derzeit nicht in Aussicht. Nächstes Event dürften somit die „Réiser Päerdsdeeg 2020“ sein.