Zum Beispiel der iranische Künstler Alborz Teymoorzadeh. „Was hast du hier verloren?“, wurde er gefragt. „Pack deine Koffer und ab über die Grenze!“ Zum Rausschmiss des Unliebsamen hatte der Kulturminister nicht viel zu vermelden. Er strich wieder einmal um den heißen Brei und betonte, selbstverständlich würde sein Ministerium die Kunstfreiheit voll unterstützen. Eine derart tollkühne Behauptung muss man wirklich vom Stapel lassen, nachdem die Regierung dem Abgeschobenen bescheinigt hatte, seine Kunst besitze „keinen Mehrwert für Luxemburg“. Vielleicht unterstützt Herr Thill im Geheimen ja tatsächlich den vertriebenen Künstler. Das heißt, solange der Unerwünschte schön brav außer Landes bleibt.
Dieser Tage kam es zur zweiten Verbannung von Alborz Teymoorzadeh. Er durfte nicht zur Vernissage seiner eigenen Werkschau in Wiltz einreisen. Der Organisator der Ausstellung „Eternelles instantanéités“, das neu gegründete Künstlerkollektiv der Plattform „dialogue“, hatte alle Minister, die vor Jahresfrist an der Vertreibung des Künstlers beteiligt waren, schriftlich gebeten, eine Ausnahme zu machen und die punktuelle Einreise des Ausstellenden zu genehmigen.
Arroganz statt Empathie
Njet! Abgelehnt! Kommt nicht in Frage! Einmal mehr bewies Friedens Regierung, was sie drauf hat: Arroganz statt Empathie. Dumme Paragrafenreiterei statt nuanciertes Nachdenken. Süffisanz der Macht statt Menschlichkeit. Mitten im Kreis der amtlichen Starrköpfe: unser unbedarfter Kulturminister. Er hat übrigens genau wie seine tollen Regierungskollegen die Vernissage boykottiert. Wie nennt man das? Staatstragende Feigheit? Oder einfach erschreckende Gefühllosigkeit?
Langsam stellt sich die Frage, ob man der DP nicht prinzipiell untersagen sollte, den Kulturminister zu stellen. Diese flächendeckend kulturferne Unternehmerpartei hat im staatlichen Kulturressort bisher nur für Ärger gesorgt. Nach dem desaströsen Zwischenspiel der Mondorfer Kulturvermasslerin Nagel, das für sie vorzeitig im goldenen Käfig von Dubai endete, hieß es landauf, landab: Schlimmer kann es nicht kommen.
Doch dann übernahm unerwartet Herr Bettel. Mit seiner toxischen Mischung aus Hemdsärmeligkeit und hochfliegender Unbekümmertheit wollte er seine profunde kulturelle Unkenntnis übertünchen. Es gelang ihm nicht ansatzweise. Nur einmal war er wirklich gefordert. Und zwar, als ein sensationslüsterner RTL-Mitarbeiter versuchte, vor laufender Kamera den Mudam-Direktor Enrico Lunghi zu stürzen. Bettel erhob die Affäre zur Chefsache, machte Enrico Lunghi den Garaus und liebäugelte öffentlich mit RTL. Als Kulturminister, der ja aufseiten der Kulturschaffenden stehen soll, hatte Bettel völlig versagt.
Heute ist er Außenminister und hat soeben die gesamte EU vor den Kopf gestoßen, indem er im Alleingang europäische Sanktionen gegen ruandische Killerkommandos blockierte. Eine veritable kulturelle Glanztat à la DP. Angesichts solcher verheerenden Eskapaden packt uns die Nostalgie. Wo bleiben intelligente und einfühlsame Kulturminister wie Robert Krieps, Erna Hennicot-Schoepges oder Sam Tanson?
Perverse Logik
Enrico Lunghi ist der Kurator von Alborz Teymoorzadehs Ausstellung in Wiltz. In seiner Vernissagerede beschrieb er eindringlich „unsere armen politischen Instanzen, die die Welt mit ihrer düsteren Geldbesessenheit, ihrer eigennützigen Hypokrisie und ihrer tödlichen Hybris ersticken“. Die Szene wirkte schon fast gespenstisch. Zwei Geächtete und zu Unrecht staatlich Sanktionierte, die sich gegenseitig schätzen, dürfen nur virtuell miteinander kommunizieren. Teymoorzadehs Kunstwerke dürfen in Luxemburg zugänglich bleiben, ihr Schöpfer aber nicht. Dahinter steckt eine perverse Logik. Sie macht überdeutlich klar, dass der staatliche Ausweisungsbefehl nur den Menschen visiert. Er soll verschwinden. Seine Werke lassen den Staat kalt. Er beklagt bestenfalls ihre ökonomische Minderwertigkeit. Indem der Staat Teymoorzadeh von seinen eigenen Kunstwerken abtrennt, verhöhnt er ihn doppelt.
Wozu brauchen wir überhaupt einen Kulturminister? Ganz sicher nicht, damit er bei mondänen Events – die Berlinale lässt grüßen – den Partyboy spielt oder sich als smarter Walking-Dinner-Jongleur betätigt. Er sollte Würde zeigen und in Fragen der Kulturfreiheit unnachgiebig sein. Indem Herr Thill der Teymoorzadeh-Vernissage fernblieb, brachte er sich selbst um die letzte Chance, zu seinen rabiaten und menschenfeindlichen Regierungskollegen auf Distanz zu gehen.
Wozu ein Kulturminister?
Er hätte ein Zeichen setzen können, dass er die Abschieber und Rausschmeißer aus den Ministerien für Wirtschaft und Arbeit, Migration und Innenpolitik ablehnt. Doch er bringt es nicht fertig, dem ausgeschlossenen Künstler gegenüber ein bisschen menschliche Wärme zu bekunden. Nun gehört auch er zum Club der offiziellen Kulturverächter. Er verrät seinen eigenen Auftrag. Dazu passt, dass er zum falschen Anlass Toleranz übt. Sein Escher Parteikollege, der Kulturschöffe Knaff, freut sich bestimmt über Thills tiefes Schweigen, wenn zur Debatte steht, ob ein verurteilter Steuerhinterzieher wirklich der ideale kommunale Kulturrepräsentant sein kann. Der Künstler wird vertrieben, der nachweislich kriminelle Kulturbürokrat wird hofiert. Auf diese sonderbar abseitige Kulturpraxis können wir liebend gern verzichten.
Wetten, dass Herr Thill beim nächsten CinEast-Wettbewerb in Luxemburg wieder als schöne Schaufensterpuppe auftreten wird. Vielleicht gewinnt sogar ein Regisseur, der nicht einreisen darf, weil in seiner Heimat ein autokratisches Regime die Filmkunst kontrolliert. Der Kulturminister wird den abwesenden Preisträger über den grünen Klee loben, blumig die Kulturfreiheit beschwören und den hinterhältigen Unterdrückerstaat ermahnen und kritisieren. Und die Sektflöten werden verführerisch leuchten wie immer.

De Maart
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