„Guter“ Populist streitet gegen Populismus: Premier Sarec warnt vor Fake News und dem Erstarken EU-skeptischer Kräfte

„Guter“ Populist streitet gegen Populismus: Premier Sarec warnt vor Fake News und dem Erstarken EU-skeptischer Kräfte

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Eigentlich gilt Sloweniens Premier Marjan Sarec selbst als Mann der griffigen Vereinfachungen. Aber dennoch warnt er im Europawahlkampf vor der Gefahr des Populismus. Es sind auch die Erfahrungen mit Ungarns Medienengagement in seinem Land, die ihn gegen das Übel der Fake News in der EU streiten lassen.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Belgrad

Für griffige Zitate ist Sloweniens Premier Marjan Sarec immer gut. Ob der frühere Politikerimitator Politik mit Spaghetti-Kochen und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel mit einer zu lange abgekochten Nudel vergleicht, das Geschacher um EU-Spitzenämter als „Game of Thrones“ kritisiert oder sich selbst als den „gesunden Menschenverstand“ preist: Bewusst bedient sich der sich selbst der liberalen Mitte zuschreibende Regierungschef einer vereinfachenden, populistischen Wortwahl.

Mit Populismus sei es wie beim Cholesterin, es gebe gutes – und schlechtes, dozierte der 41-Jährige kürzlich in einem Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wenn dieser dazu genutzt werde, den Menschen das Geschehen zu verdeutlichen, handele es sich um „guten Populismus“. Wenn andere Staaten und Menschen als Sündenböcke für die eigenen Fehler herhalten müssten und Populismus dazu diene, das Blaue vom Himmel zu versprechen, sei dies „negativer Populismus“, so Sarec: „Dann müssten wir als Politiker ehrlich sagen: Houston, wir haben ein Problem!“

Noch im März hatte der wortgewandte Politnewcomer die Gelegenheit zu einer Rede vor dem Europaparlament über die Zukunft Europas zur Überraschung von Freund und Feind dankend ausgeschlagen. Im Europawahlkampf sucht sich Sloweniens „guter“ Populist nun verstärkt als Vorstreiter gegen das Erstarken EU-skeptischer Populisten zu profilieren: Es sind auch die Erfahrungen mit Ungarns verstärktem Medienengagement in seinem Land, die den Chef von Sloweniens regierender Mitte-links-Koalition für einen entschlosseneren Kampf gegen das sich ausbreitende Übel manipulativer „fake news“ plädieren lassen.

Pressefreiheit gefährdet

Ungarische Geschäftsleute aus dem Dunstkreis der Fidesz-Partei haben in Slowenien in den letzten drei Jahren vermehrt rechte, der oppositionellen SDS nahe TV-Sender, Nachrichtenportale und Zeitungen aufgekauft. Kritiker sehen in den Kapitalspritzen nicht nur mediale Steigbügelhalterdienste, sondern auch eine kaum verhüllte Finanzhilfe der Fidesz für die SDS von Oppositionschef Janez Jansa. Es sei „nicht gut“, wenn eine ungarische Partei „auch mit Geld“ eine slowenische Partei unterstütze, ärgert sich Sarec.

Für offene Empörung sorgte in Ljubljana jedoch vor allem eine undiplomatische Protestnote Budapests gegen eine missliebige Orban-Karikatur auf dem Titelblatt der Zeitschrift Mladina im März. Auf das als Aufforderung zur Pressezensur empfundene Gesuch zur „Verhinderung ähnlicher Vorfälle in der Zukunft“ reagierte Sloweniens Außenministerium kühl: Presse- und Meinungsfreiheit würden in Slowenien „strikt respektiert“.

Die Populisten würden in der EU an Boden gewinnen, weil sich ihnen die gemäßigten Kräfte nicht entschlossener entgegenstellten, so Sarec, der sich beim Umgang mit ihnen gar an die fatale Beschwichtigungspolitik des britischen Premiers Neville Chamberlaine gegenüber Adolf Hitler erinnert fühlt. Er plädiert stattdessen für eine „aktivere“ Auseinandersetzung mit den EU-skeptischen Kräften: „Wenn man nur sitzt und wartet, was passiert, werden die Populisten nur lauter und erhalten noch mehr Raum.“ Die EU benötige eine „neue und effektivere Führung“, um das Erstarken der Populisten sowie die politischen und wirtschaftlichen Expansionsgelüste von China und Russland zu parieren: „Denn wenn die EU zerfällt, sind wir alle verloren.“