Sexueller KindesmissbrauchGroße Mehrheit wünscht stärkere Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbeutung

Sexueller Kindesmissbrauch / Große Mehrheit wünscht stärkere Maßnahmen zur Bekämpfung der Ausbeutung
Die meisten Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind sich auch hierzulande darüber im Klaren, was „Sexting“ ist Foto: AFP/dpa Picture-Alliance

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Am Mittwoch stellte die Vereinigung zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung Ecpat („End Child Prostitution and Trafficking“) zusammen mit TNS-Ilres die Ergebnisse ihrer Umfrage vor, die sich damit beschäftigte, wie die Öffentlichkeit hierzulande die sexuelle Ausbeutung von Kindern wahrnimmt. Die Studie zeigt, dass in diesem Bereich auch weiterhin Aufklärungsarbeit notwendig ist.

Sexuelle Ausbeutung von Kindern ist kein Phänomen, das ausschließlich in Ländern der dritten Welt vorkommt. Erst kürzlich wurden in dem Zusammenhang 46 Hausdurchsuchungen in Luxemburg durchgeführt. Hierzulande geht es nicht vorrangig um Vorwürfe der Kinderprostitution, sondern eher um Vergehen, die im Netz begangen werden.

Die Antworten zur Wahrnehmung solcher Phänomene sind scheinbar stark vom Alter der Befragten abhängig. „Wenn man die Angaben der verschiedenen Altersgruppen miteinander vergleicht, so scheint es, als ob die Älteren gar nicht wissen, was die Jüngeren tun“, meinte Tommy Klein von TNS-Ilres bei der Vorstellung der Studie. Klein bezog sich dabei speziell auf das Thema „Sexting“. Hiervon spricht man, wenn eine Person erotisches Bildmaterial von sich selbst an andere verschickt und/oder per Chat „Dirty Talk“ betreibt. Personen im Alter von über 35 Jahren gaben an, dass dieses Phänomen ihrer Meinung nach doch eher selten sei, wohingegen Jugendliche und junge Erwachsene meinten, „Sexting“ komme recht häufig vor. Der Umfrage zufolge sollen bereits Jugendliche im Alter von 13 Jahren* anzügliche Fotos von sich online verschickt haben.

Eine Form des sexuellen Online-Missbrauchs scheint sämtlichen Teilnehmern gut bekannt zu sein: das Grooming. Beim „Cyber-Grooming“ treten Erwachsene online in Kontakt mit Minderjährigen, mit dem Ziel der Anbahnung sexueller Kontakte. Die Täter geben sich im Internet häufig als Jugendliche aus und versuchen so, das Vertrauen der Minderjährigen zu gewinnen. 67 Prozent der Befragten kennen das Phänomen, und die meisten sind sich auch bewusst, dass Kinder online mit Grooming, Pornografie, Cybermobbing oder Sextorsion (einer Form der Erpressung) konfrontiert werden. Zehn Prozent der Befragten gaben gar an, dass sie selbst bereits auf Missbrauchsdarstellungen im Internet gestoßen seien. Die meisten Eltern, die befragt wurden, meinten, sie würden ihre Kinder durch adäquate Maßnahmen – zum Beispiel in Bezug auf die Browsereinstellungen – schützen.

Sexuelle Ausbeutung von Kindern auf Reisen

Eine große Mehrheit der Befragten (86 Prozent) ist sich zwar bewusst, dass die sexuelle Ausbeutung in vielen Tourismusgebieten ein Problem darstellt, doch wie sie darüber urteilen, scheint auch stark vom Alter der Betroffenen abhängig zu sein. So werden sexuelle Handlungen mit Minderjährigen zwar von fast allen Befragten abgelehnt, Geschlechtsverkehr mit volljährigen Prostituierten finden 50 Prozent der befragten Erwachsenen allerdings annehmbar.

41 Prozent der Befragten gaben bei der Umfrage an, dass sie davon überzeugt sind, dass auch luxemburgische Touristen Kinder auf Reisen sexuell ausbeuten. Ecpat-Luxembourg-Direktor Thomas Kauffmann meinte diesbezüglich, dass die wenigsten Menschen, die ein solches Angebot annehmen, pädophil seien. Die meisten würden spontan eine „Gelegenheit“ nutzen, die sich ihnen vor Ort biete. Ganz nach dem Motto „Gelegenheit macht Diebe“ – nur in abgewandelter Form.

Dass die Informationspolitik von Ecpat notwendig ist, bezeugt die Antwort auf die Frage, ob die Menschen über die sexuelle Ausbeutung von Kindern im Rahmen von Tourismusreisen informiert sind. Nur 13 Prozent bejahten die Frage. 90 Prozent jener, die die Frage verneinten, wünschten sich allerdings, in Zukunft besser darüber informiert zu werden. Fast alle Befragten sind der Ansicht, dass auch die Tourismusbranche diesbezüglich Verantwortung trage. Die Mehrheit der Befragten gab an, dass sie, sofern ihnen bekannt ist, dass im Urlaubsziel Kinder sexuell ausgebeutet werden, sicherstellen wollen würden, dass ihr Reiseveranstalter nicht darin involviert ist. Ein Zehntel der Umfrageteilnehmer meinte zudem, dass sie im Urlaub schon mal den Verdacht gehegt haben, dass vor Ort Kinder sexuell ausgebeutet würden.

92 Prozent sind den Ergebnissen der Umfrage zufolge der Auffassung, dass weitere Maßnahmen nötig sind, um Kinder vor sexueller Ausbeutung zu schützen. An erster Stelle stehen dabei eine noch stärkere Aufklärung der Öffentlichkeit im Allgemeinen und eine stärkere Aufklärung der Kinder und der Eltern im Speziellen. Auch die Opferfürsorge sollte verbessert werden. Schließlich fordert eine knappe Mehrheit (57 Prozent), dass die Polizei mehr in diesem Bereich ermitteln soll.

Thomas Kauffmann erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass Luxemburger, die sich im Ausland eines solchen Vergehens schuldig machen, auch hierzulande dafür belangt werden können. 62 Prozent der Befragten sind sich eigenen Aussagen zufolge der gesetzlichen Lage bewusst.

Die ganze Umfrage finden Sie auf der Website von Ecpat unter www.ecpat.lu/document/enquete.

* Der Jahresbericht 2019 der Polizei scheint dies zu bestätigen: Voriges Jahr wurde die Polizei mit 304 neuen Fällen von sexuellen Vergehen an Minderjährigen befasst, ein Anstieg von 36 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Besonders sei die zuständige Abteilung von sogenannten “Sexting”-Fällen überschwemmt worden. Unter Schülern machten pädopornografische Fotos und Filme die Runde, ja sogar Filme von Morden, heißt es in dem Bericht.

Die richtige Wortwahl

Thomas Kauffmann von Ecpat wies bei der Vorstellung der Studie auch auf die Wichtigkeit der Verwendung der richtigen Terminologie hin. In Luxemburg ist die Arbeit von Ecpat – die Vereinigung ist in 103 Länden vertreten – vor allem im Bereich Aufklärung und Sensibilisierung der Öffentlichkeit angesiedelt. Deshalb sei die Wortwahl von großer Bedeutung. Der oft benutzte Begriff „Kinderpornografie“ vermittele z.B. nicht das ganze Ausmaß des Problems, erklärte Kauffmann. Es werde suggeriert, dass es „nur“ eine etwas andere Form von Pornografie sei, was nicht stimmt. 2016 einigten sich Vertreter von Ecpat, Interpol, Europol und weiteren internationalen Organisationen während einer Konferenz in Luxemburg auf eine einheitliche und ethisch korrekte Terminologie. Anstatt „Kinderpornografie“ heißt es „Missbrauchsdarstellungen“, und anstelle von „Sextourismus“ soll der Ausdruck „Sexuelle Ausbeutung von Kindern auf Reisen und im Tourismus“ verwendet werden.