„Wir müssen zusammen stehen, wir alle. Wir müssen sicherstellen, dass wir nicht erobert werden“, sagt Grönlands Finanzminister Erik Jensen, ein Mann in einem blauen Kapuzenpulli. Der Aufruf zur nationalen Einheit folgte auf Donald Trumps jüngste Äußerung, die USA würden die Kontrolle über die Insel bekommen, „auf die eine oder andere Weise“, so der Republikaner im Kongress. Eine Anspielung darauf, dass der Amerikaner auch Waffengewalt nicht ausschließt, sollte Dänemark die Insel nicht abtreten wollen.
Dem grönländischen Sozialdemokraten stieß nicht nur Trumps Forderung auf, die jener bereits 2019 erhoben hatte, sondern auch, dass die Mitglieder des Kongresses als Reaktion gelacht hatten – der fehlende Respekt sei ein „sehr besorgniserregendes Verhalten“.
Grönlands Regierungschef Mute B. Egede meinte selbstbewusster: „Über unsere Zukunft entscheiden wir in Grönland selbst.“ Und das wird zumindest formal bald geschehen: die Wahlberechtigten der 57.000 Insulaner werden am kommenden Dienstag für ein neues Parlament stimmen. Ein Wahlkampfthema ist der US-Einfluss, der nach Ansicht des Trump-Lagers nicht ausreicht. Die USA sehen angesichts der Präsenz der chinesischen und russischen Marine in der Arktis ihre Sicherheitsinteressen in der Region gefährdet. Ein weiteres Thema ist die angestrebte Unabhängigkeit von Dänemark, das weiterhin die Sicherheits- und Außenpolitik der Insel bestimmt.
Scharfer Ton
Das zwei Millionen Quadratkilometer große Gebiet birgt zudem viele Bodenschätze, die durch das zurückweichende Eis leichter abzubauen sind. Die meisten grönländischen Parteien glauben, mithilfe der USA an diese Ressourcen zu gelangen, ohne dabei die grönländische Unabhängigkeit zu verlieren. Die soll nach der Wahl mittels eines Referendums erreicht werden. Die Unabhängigkeit ist nach einem Abkommen mit Dänemark rechtlich möglich, allerdings wird Kopenhagen dann kaum mehr gewillt sein, die jährliche Unterstützung von umgerechnet 500 Millionen Euro zu zahlen. Dies deutete die dänische Regierungschefin Mette Frederiksen bereits an. Eine wirkliche Souveränität Grönlands scheint somit kaum möglich.
Doch die Debatten vor der Wahl zeigen: Viele Parteien wollen den Bruch mit der Krone. Dies zeigt allein der scharfe Ton in der Hauptstadt Nuuk. Regierungschef Mute B. Egede, gleichzeitig Vorsitzender der linken Partei „Gemeinschaft der Inuit“, warf Dänemark „Völkermord“ vor, da Mädchen und jungen Frauen vor rund 50 Jahren ohne ihr Wissen zur Verhütung die Spirale von dänischen Ärzten eingesetzt wurde.
Die bekannte Influencerin Qupanuk Olsen, seit Januar Mitglied der straff antidänischen Partei „Naleraq“, machte bei einer Wahlveranstaltung den vorgeschriebenen Dänisch-Unterricht für die vielen Suizide in Grönland verantwortlich, was am Donnerstag für mediales Aufsehen sorgte. Ihre Strategie: ohne Mitgliedschaft in der „Reichsgemeinschaft“, wie die Verbindung mit Dänemark genannt wird, fällt auch der Sprachunterricht weg und grönländische Schüler können sich der Weltsprache Englisch widmen.
Keine Ölförderung
Der Tenor scheint klar, ohne Dänemark geht es durchaus, ohne die USA jedoch nicht. Nur Amerikaner wollen die Insulanerinnen und Insulaner keine werden, zumindest nicht 85 Prozent von ihnen, glaubt man einer dänisch-grönländischen Umfrage.
Unklarer ist die Haltung der Parteien zum Abbau der Bodenschätze. Unter dem südgrönländischen Berg „Kuannersuit“ sollen ein Fünftel der „seltenen Erden“ schlummern, begehrte Metalle, die etwa für Akkumulatoren und Bildschirme benötigt werden. Doch ihr Abbau würde radioaktives Uran freisetzen. Egede gewann mit weiteren Parteien die vergangene Wahl durch das Versprechen, dass jener Bergbau nicht betrieben werde. Die Zusage an „Greenland Minerals“, ein australisch-chinesisches Unternehmen, wurde trotz Androhung einer Milliardenklage zurückgenommen. Auch die Ölförderung schloss die Regierung aufgrund des Klimawandels 2021 aus. Nun gibt es beim Koalitionspartner, der sozialdemokratischen Partei „Siumut“, Stimmen, die sich sowohl für die Ölförderung wie den Kuannersuit-Bergbau starkmachen. Allgemein wird vermutet, dass die USA versuchen, grönländische Politiker zu beeinflussen. Im Januar beschloss das Parlament ein Verbot ausländischer Parteispenden.
De Maart
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