GroßbritannienGriechenland fordert weltberühmte Skulpturen zurück: „Als würde man die Mona Lisa zerteilen“

Großbritannien / Griechenland fordert weltberühmte Skulpturen zurück: „Als würde man die Mona Lisa zerteilen“
Gehauene Steine des Anstoßes: Trennt sich das British Museum von den weltberühmten Parthenon-Marbles? Foto: AFP

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Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis hat von Großbritannien erneut Skulpturen zurückgefordert, die einst am Parthenon-Tempel der Athener Akropolis angebracht waren. Seine Hoffnungen ruhen auf einem Wahlsieg von Labour.

Trennt sich die Brexit-Insel bald von einem Kronjuwel aus dem gewaltigen Schatz weltweit zusammengesammelter Kulturgüter? Wie alle seine Vorgänger der vergangenen Jahrzehnte pocht zu Wochenbeginn der griechische Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis bei einem London-Besuch auf die Rückgabe des Parthenon-Frieses. Während der konservative Premierminister Rishi Sunak die Sache skeptisch beurteilt, macht Labour-Oppositionsführer Keir Starmer den Griechen Hoffnung: Er wolle einer geplanten Vereinbarung des British Museum (BM) mit den griechischen Kulturbehörden nicht im Wege stehen.

Das 1753 gegründete Haus nennt rund acht Millionen Gegenstände sein eigen, ganz genau kennt die Zahl niemand. Ohne Zweifel stellen die Parthenon-Marbles eines der herausragendsten Kunstwerke und damit einen der Publikumsmagneten für die jährlich mehr als vier Millionen BM-Besucher dar. Die Prozessionsszenen aus weißem Marmor wurden zu Beginn des 19. Jahrhunderts unter Lord Elgins Anleitung aus dem Tempel auf der Athener Akropolis gebrochen.

Die Briten pflegen in der Diskussion über die Rückgabe geraubter Kunstwerke an ihre Heimatländer bisher weitgehend vornehme Zurückhaltung. Auch der im Sommer zurückgetretene deutsche BM-Direktor Hartwig Fischer hielt sich stets an die geltende Sprachregelung: Man könne nicht ausschließen, dass Elgins Vandalismus noch größeren Schaden vom berühmten Tempel abgewendet habe, der doch vom damaligen Osmanischen Reich vollkommen vernachlässigt worden sei. Zudem gelte die Zuständigkeit heutiger Nationalstaaten nur sehr bedingt. Gern sprachen die BM-Spitzen auch davon, in ihrem Haus würden die aus aller Welt zusammengekommenen Gegenstände wenigstens sicher verwahrt.

Mindestens dieses Argument hat deutlich an Stärke verloren, seit im August ein Skandal um den Diebstahl Hunderter Sammlungsstücke aufflog. Prompt höhnten prominente Griechen wie Ex-Kulturministerin Lina Mendoni, sonderlich gut sei es um die Sicherheit im BM wohl doch nicht bestellt. In Bezug auf das Parthenon-Fries kann der Spott zwar kaum gelten; gewiss aber hat die Reputation des weltweit bekannten „Museums für die ganze Welt“ durch den offenbar langjährigen Klau schweren Schaden erlitten.

Werkeln an einem kreativen Deal

Angeführt vom Aufsichtsrats-Boss George Osborne, einem früheren langjährigen Finanzminister, verhandeln die Museums-Verantwortlichen seit Jahren mit den Griechen über einen kreativen Deal: Im Gegenzug für eine langfristige Leihgabe der Marmor-Kunstwerke – die Rede ist von zehn Jahren – an das längst fertige Akropolis-Museum in Athen sollten doch andere antike Kostbarkeiten gelegentlich in London zu sehen sein. „Hoffentlich finden wir einen Weg“, gibt sich der konservative Ex-Politiker hoffnungsvoll, „damit Teile des Frieses zeitweise in Athen sein können“.

Osborne, Sunak und Starmer wandeln auf schmalem Grat, verbietet doch ein 1963 erlassenes Gesetz dem Museum die Veräußerung wichtiger Kulturgüter. Sollte Labour die 2024 anstehende Wahl gewinnen, wie es die Umfragen vorhersagen, könnte Osborne zwar wohl die Leihgabe-Vereinbarung in die Tat umsetzen. Die neue Regierung würde aber gewiss nicht wertvolle Parlamentszeit damit verbringen wollen, das geltende Gesetz abzuschaffen.

Ob die Griechen damit zufrieden sind? Darauf lassen Mitsotakis’ Äußerungen in einem BBC-Interview vor seinen Londoner Gesprächen nicht unbedingt schließen. Es gehe nicht um eine Frage von Besitz, sondern um eine Wiedervereinigung: „Wo kann man am besten genießen, was eigentlich doch ein Monument ist?“, argumentierte der Ministerpräsident und schob noch den Vergleich mit Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde nach: Eine teilweise Leihgabe wäre so, „als würde man die Mona Lisa zerteilen und dann eine Hälfte im Louvre und die andere Hälfte im Britischen Museum ausstellen“.

Angesichts dieser verqueren Logik wirkt ein Satz von Osborne beinahe prophetisch. Die Anstrengung sei der angestrebte Leihgaben-Deal allemal wert, schrieb der Kulturmanager im Magazin Spectator, aber: „Kann gut sein, dass es uns nicht gelingt.“