Die als „touche-à-tout“ für ihre Skulpturen, Malereien, Fotografien und Performance-Events wie Installationen bekannte Künstlerin aus der Bourgogne präsentiert eine kleine Auswahl recht unterschiedlicher Arbeiten aus ihrem Werk: „Les magiciens du temps d’arrêt“ ist die Schau in der Galerie Ceysson & Bénétière überschrieben. Was damit wohl gemeint ist?
Gloria Friedmann, Jahrgang 1950, wurde in Kronach (Bayern) geboren. 1977 zog sie nach Frankreich, wo sie ihre Ateliers in Aignay-le-Duc in Burgund unterhält und mit dem französischen Künstler Bertrand Lavier verheiratet ist. Ab 1980 geht sie als Autodidaktin konsequent ihren ureigenen Weg, betätigt sich in Bildhauerei und Fotografie, später auch in Malerei und Installationen, wobei sie in der Wahl ihrer Mittel und Motive manchmal nicht zimperlich ist.
In und mit der Natur
Friedmann ist der Natur verbunden, lotet gerne das Verhältnis zwischen Mensch und Natur aus, wobei sie sich auch schon mal lauthals gegen die Zerstörung unserer Umwelt durch Menschenhand und blinden Fortschrittsglauben auflehnt. Nicht auf eine Ausdruckstechnik oder bestimmte Materialien festgelegt, wagt sie sich im Laufe der Jahre immer wieder an neue Herausforderungen heran, nutzt gar abgehäutete Tiere und sorgsam aufbereitete tote Vögel, um diese in Szene zu setzen oder ergänzend zu Bildern in den freien Raum ragen zu lassen. Ihre Methode, Korrespondenzen zwischen Jagdtrophäen und menschlichem Hochmut/Arroganz herzustellen, um auf diese Weise Machtspielchen in dieser/unserer manchmal ganz unmenschlichen Gesellschaft zu entlarven, können auch schon mal falsch interpretiert werden.

Ein Großteil ihrer kreativen Schaffenskraft hat der Skulptur gegolten, wobei sie diese gerne in natürlichem Ambiente in Mega-Gebilden einsetzt, um so in die „Landschaft“ einzugreifen, diese „umzuformen“, ihre Kunst aus dem „white cube“ der Museen und Galerien zu nehmen und ihre Zeitgenossen direkt in ihrem Umfeld damit zu konfrontieren, wie sie einleitend zum in Paris publizierten Katalog „à ciel ouvert …“ schreibt. Sie sieht sich mit dem „vivant“ verbunden und interessiert sich für die Biodiversität.
Seit 1980 hat Gloria Friedmann, die in Frankreich zu den führenden Künstlerinnen zählt und 1997 an einer diesbezüglichen Schau im Centre Pompidou teilnahm, im Rahmen zahlreicher Einzel- und Kollektivausstellungen ihre Werke unterschiedlicher Faktur und Deutung präsentiert. 1987 vertrat sie ihr Land bei der achten „documenta“ in Kassel, zeigte ihre Arbeiten in Hamburg, New York oder Rom, um nur einige Stationen zu nennen. Im 2013 veröffentlichten „Dictionnaire universel des créatrices“ beschreibt Chantal Béret ihr Schaffen mit diesen Worten: „Associant l’ironie, la parodie, l’incongru, Gloria Friedmann développe la logique d’une métaphore naturaliste, en exposant les pièces d’une nature vraie, dont elle déplace des fragments selon la procédure du ready-made pour restituer davantage l’idée du chaos que celle d’une harmonie proverbiale.“
Museal angelegt und abwechslungsreich
In den schwer bespielbaren Räumlichkeiten der Galerie Ceysson & Bénétière auf Wandhaff bieten Künstlerin und Galerist jedoch ein geordnetes „Chaos“ mit rund 100 Arbeiten an, wobei sie die von Gloria Friedmann erstellten verschiedenen Serien und Schaffensperioden sorgsam getrennt und anschaulich darbieten. Der breite Galerieraum ist Skulpturen, die der überdimensionale „Regardeur“ (2024) im Auge behält, gewidmet, dies mit einem Fokus auf den in Tonerde geformten „ancêtre du futur“ (1987), einem Seitenblick auf „Faune“ (2024), „Daphné“ (2024) oder „Diane“ (2024) sowie dem liegenden Samenspender „Le semeur“ (2024), Figuren, die alle vorwiegend aus Tonerde und/oder Holz gefertigt sind und schon mal „Schneckenhäuschen“ als Schutzkleid oder Geweihe als Kopfschmuck tragen. Eine literarisch-geschichtliche Anspielung mit „Ce qu’il faut de terre à l’homme“ (2024) sowie ein Viereck aus Baumrinde aus dem Jahr 1987, einige steinerne „Zeitzeugen“ aus Urzeiten und zwei bunte Abbildungen, „Images du monde“ (1995), runden diesen Expo-Teil ab.

Ihre Vorliebe für Mega-Formate – auch in der Fotografie (drei dystopische Arbeiten sind diesbezüglich zu sehen) – hält Gloria Friedmann nicht davon ab, sich in Miniaturen zu üben, etwa mit ihrer Theaterschatten-Reihe, 16 Schwarz-Weiß-Fotografien und Motiven im Spannungsverhältnis zwischen Mensch und Tier, eine Thematik, die auch in drei großen Acryl-Bildern auf Leinwand auf magistrale Weise vor allem im Werk „2 mondes à la fois“ (2013) dekliniert wird. Mit einer Fülle an kleineren Zeichnungen auf Papier spannt die Künstlerin den Bogen der Wechselwirkung zwischen Mensch, Fauna und Flora, bietet so mehrere Modelle der „Schwerkraft“ an. Der Besucher kann sich ungezwungen zwischen den auf Drähten angereihten Zeichnungen bewegen und sich so besser in diese spezifische Welt einfühlen.

Die delikat mit spezieller Technik, „terre sur toile“, aufgetragenen Tierabbildungen der Reihe „Animalia“ (2021) werden zwar in Reserve gehalten, sind ausdrucksstark und für den Besucher einsehbar, derweil die Reihe „Il Jardino“ (2021) mit Blumenmotiven nebst angepasster Farbmalerei hinter Glas auch durch Kunstpflanzen und/oder Blumen die flachen Bilder in den Raum ragen lassen. Das gleiche Prinzip wendet die Künstlerin bei ihren Malereien mit ausgestopften Papageien in der Reihe „Karaoke“ an, aus der vor allem das in tiefes Blau getränkte Bild „Pionus menstruus, Brésil“ (2015) hervorsticht. Die Hinwendung zum „Lebenden“ mit künstlicher Reproduktion von Blumen/Pflanzen und Einsatz von toten/ausgestopften Papageien glaubhaft zu vertreten, wirft doch wohl Fragen auf, wenn man das bewusst Provokative in ihrer Kunst nicht als „kreativ-ironische“ Geste interpretieren will. Drei Werke mit hinter Plexiglas-Bemalung aus der Fauna und Flora gegriffenen Zutaten zur Herstellung der bereits zitierten Dreidimensionalität versinnbildlichen den Garten Eden. Lebendige Farbbilder mit dramatischen Farbeffekten.
Mit dem Schriftbild „Nature“, links und rechts gehütet von einem Torso, „Naïade“(2024), mit Austernschalen als Haarschopf und einer aus Silikon geformten sogenannten „Protein Species“ (2013), dienen als Entschlüsselungsensemble im hinteren Galerie-Raum. Dass Magier der besonderen Art bei dieser recht spannenden Ausstellung ihre Hand im Spiel hatten, dürfte wohl jedem Kunstfreund klar sein. Ein Abstecher in diese teils mystische, aus der „reinen“ Natur sprießenden Kunstwelt lohnt sich!
Weiterführende Informationen
„Les magiciens du temps d’arrêt“ von Gloria Friedmann in der Galerie Ceysson & Bénétière, Wandhaff. Noch bis zum 1. März. Mehr auf ceyssonbenetiere.com.
De Maart
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können