In der EU wird der geschlechterbasierte Lohnunterschied auf Basis des durchschnittlichen Bruttostundenlohns aller erwerbstätigen Frauen und Männer berechnet. Dieser Indikator gilt als Maßstab für Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt, greift aber zu kurz, um die strukturelle Diskriminierung und die finanzielle Realität von Frauen vollständig zu erfassen, da wichtige Faktoren wie Teilzeitarbeit oder unbezahlte Care-Arbeit unberücksichtigt bleiben.
Ein unvollständiges Bild
Wie kommt es dazu, dass der Gender Pay Gap in Luxemburg offiziell als geschlossen gilt? Arbeitsbranchen wie Bildung, Erziehung, Gesundheits- und Sozialwesen haben in Luxemburg im Unterschied zu anderen Ländern gut abgesicherte Lohnbedingungen. Diese Wirtschaftszweige mit einer hohen Beschäftigung von Frauen sind öffentlich finanziert und die Löhne werden von Gewerkschaften in Kollektivverträgen verhandelt. Die dadurch entstehende Transparenz verringert die Rolle individueller Lohnverhandlungen. Es liegt also weniger daran, dass Luxemburgs Arbeitsmarkt feministischer ist als der anderer EU-Länder, sondern daran, dass die gewerkschaftliche Organisierung für die Beschäftigten Früchte trägt.
Unbezahlte Arbeit
Um die finanzielle Realität von Frauen besser erfassen zu können, schauen wir zunächst auf den durchschnittlichen Jahreslohn: Männer verdienen am Ende des Jahres 4,5% mehr als Frauen. Dies lässt sich zum Teil auf höhere Boni und Prämien zurückführen. Damit sind wir jedoch noch nicht am Ende angelangt, da dieser Unterschied die tatsächlich ausgezahlten Löhne auf eine fiktive Vollzeitbeschäftigung hochrechnet. In Wirklichkeit arbeiten 36% der Frauen gegenüber 8% der Männer in Luxemburg in Teilzeit und somit wurden den Frauen am Jahresende 10% weniger Gehalt ausgezahlt.
Eine deutsche Studie aus dem Jahr 2019 beleuchtet die Gründe für Teilzeitarbeit: Während Männer am häufigsten Aus- und Weiterbildungen oder Freizeitaktivitäten angeben, nennen fast die Hälfte der befragten Frauen Kinderbetreuung und andere familiäre Verpflichtungen als Hauptgrund für Teilzeitarbeit. Laut einer Eurostat-Analyse zur Zeitverwendung in Europa verbringen Frauen im Durchschnitt täglich fast doppelt so viel Zeit mit unbezahlter Arbeit als Männer. Traditionelle Geschlechterrollen beeinflussen demnach die Verteilung von unbezahlter Care-Arbeit, die wiederum maßgeblich die Entscheidung zur Teilzeitarbeit beeinflusst.
Ein weiteres nicht zu vernachlässigendes Phänomen für viele Frauen aus Niedriglohnsektoren wie der Gebäudereinigung und dem Handel ist die sogenannte unfreiwillige Teilzeit. Unternehmen umgehen hier gezielt Vollzeitverträge, um die Arbeitskraft maximal flexibel einsetzen zu können – auf Kosten der oft weiblichen Beschäftigten.
Altersarmut und finanzielle Abhängigkeit
Durch Karriereunterbrechungen, längere Teilzeitphasen und niedrigere Löhne erhalten Frauen in Luxemburg 41% weniger Rente. Der „Gender Pension Gap“ katapultiert Luxemburg – hinter Malta und den Niederlanden – auf einen der vordersten Plätze in der EU. Mit 2.300 Euro liegt die Mindestrente unter dem Armutsrisiko und 80% der Bezieher*innen der Mindestrente sind Frauen. Aus den oben genannten Fakten zur weiblichen bezahlten und unbezahlten Arbeit lässt sich schließen, dass Frauen im Durchschnitt die größte Arbeitslast zur Reproduktion unserer Gesellschaft tragen (Kinderbetreuung, Pflege von Angehörigen, Haushaltsführung) sowie einem erhöhten Risiko der Altersarmut ausgesetzt sind.
Frauen haben nicht nur geringere Jahresgehälter und geringere Renten, Frauen verfügen auch über weniger Vermögen. Ein Bericht des LISER zeigt, dass frauengeführte Haushalte im Durchschnitt 24% weniger Vermögen besitzen. Frauen werden bei der Vermögensakkumulation nicht nur durch Karriereunterbrechungen und längere Teilzeitphasen, die ihre Sparmöglichkeiten einschränken, beeinträchtigt, sondern auch durch die Folgen von traditionellen Rollenbildern in Bezug zu Erbschaft und generationeller Vermögensübertragung.
Frauen, die finanziell von ihrem Partner abhängig sind, haben oft weniger Möglichkeiten, gewaltvolle Beziehungen zu verlassen. Die fehlende finanzielle Unabhängigkeit hält viele Frauen (länger) in gewaltvollen Situationen gefangen. Nur durch eine Kombination von finanzieller Gleichstellung und Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt können wir eine Gesellschaft schaffen, in der Frauen wirklich sicher und gleichberechtigt leben können.
Gemeinsam gewinnen
Der Gender Pay Gap mag in Luxemburg offiziell geschlossen sein, dennoch sieht die finanzielle Realität von Frauen anders aus. Traditionelle Geschlechterrollen, ungleiche Verteilung von Care-Arbeit, Teilzeitarbeit, geringere Renten und Vermögensunterschiede halten Frauen finanziell benachteiligt. Die strukturellen Ursachen für diese Ungleichheit sind tief verwurzelt – nicht jedoch unveränderbar. Es ist an der Zeit, zu handeln und ganzheitliche politische Lösungen durchzusetzen. Zusammen mit den anderen Organisationen der feministischen Plattform JIF fordert die Frauenabteilung des OGBL am internationalen Frauentag: eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern; mehr (sektorielle) Kollektivverträge, um faire Löhne und Transparenz zu garantieren; einen Mindestlohn sowie eine Mindestrente, die ein Leben ohne Armut ermöglichen und mehr Schutz und Unterstützung für Gewaltbetroffene, um finanzielle Abhängigkeit als Falle zu durchbrechen.
Die Zahlen und Fakten zeigen: Es ist noch ein langer Weg zur wirklichen Gleichstellung und Emanzipation. Doch mit Entschlossenheit und Solidarität können Gewerkschaften und feministische Organisationen eine fortschrittliche Sozialpolitik und ein gesellschaftliches Umdenken erkämpfen. Der 8. März bleibt an erster Stelle ein Tag, um gemeinsam auf die Straße zu gehen und unsere Forderungen für eine gerechte Gesellschaft laut zu machen. Denn Gleichstellung ist kein Geschenk – sie wird erkämpft.

De Maart
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