Montag27. Oktober 2025

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BilanzGipfeltreffen zwischen der EU und der Afrikanischen Union

Bilanz / Gipfeltreffen zwischen der EU und der Afrikanischen Union
Die Bilanz des Gipfeltreffens zwischen der EU und der Afrikanischen Union in Brüssel fällt eher dürftig aus Foto: Pool EPA/AP/dpa/Olivier Hoslet

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Die Pandemie machte die Lücke zwischen den EU-Afrika-Gipfeln noch größer. Als das Treffen der Verantwortlichen der Nachbarkontinente nun nachgeholt wurde, waren die Erwartungen entsprechend größer. Afrika braucht die Technologie Europas, Europa die Hilfe Afrikas beim Klimaschutz. Die Bilanz: dürftig.

Wenn es nach dieser Liste geht, hat die Annäherung zwischen den Nachbarkontinenten auf dem jüngsten Gipfel in Brüssel prächtig geklappt: Mamadou Tangara, Olaf Scholz und Nana Akufo-Addo in engster Nachbarschaft. Aber nur auf der Teilnehmerliste. Und auch nur, weil im Alphabet Germany eben zwischen Gambia und Ghana angesiedelt ist. Von Neubeginn einer Partnerschaft war in Brüssel an diesen zwei Tagen viel die Rede, von riesigen Absichten, von gewaltigen Investitionen. Auch das Motto des Treffens der führenden 80 Frauen und Männer aus Afrika und Europa sendete dieses Signal: „Gemeinsame Vision für 2030.“ Das klang aus Sicht Afrikas nach der lange verlangten Verständigung auf Augenhöhe. Es hat nicht geklappt. Wieder nicht.

Das zeigt schon das Ringen um eine freundlich klingende Kompromissformel für das Abschluss-Kommuniqué in der überlebenswichtigen Frage der Corona-Impfstoffe. Bis zuletzt rangen die hohen Beamten um die Forderung der Afrikaner, angesichts der bedrohlichen Lage wenigstens für eine Übergangszeit die Patente zugänglich zu machen. Denn der Anteil der in Afrika benötigten und dort auch hergestellten Impfstoffe liegt insgesamt bei einem Prozent, bei Covid ist der Kontinent vollständig auf Spenden und Käufe angewiesen. Nun spricht die „Gemeinsame-Visionen“-Erklärung lediglich von „freiwilligem Technologietransfer“.

Es lohnt, sich das genauer anzuschauen. Denn eigentlich hatte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa den freiwilligen Verzicht auf europäisches geistiges Eigentum verlangt. Es sei „nicht akzeptabel, dass Afrika immer am Ende der Schlange steht“, sagte er, und warnte: „Es geht um Millionen von Menschenleben, um Hunderte Millionen von Menschenleben.“ Er stand bei diesen Sätzen auf einer Bühne mit Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Die bescheinigten dem Gast zwar, dass die den Afrikanern bislang vorliegenden Impfstoff-Informationen „nicht ausreichend“ seien. Doch im Wesentlichen feierten sie den Durchbruch eines Impfstoff-Projektes, auf das sie sich ganz besonders stolz zeigten: In Südafrika meldete das erste afrikanische m-RNA-Forschungs- und Entwicklungslabor Erfolg. Die Afrikaner können jetzt die vielversprechenden Impfstoffe grundsätzlich selbst herstellen. Dazu haben sie nur öffentlich zugängliche Quellen genutzt. Wenn alles gut geht, könnte im Herbst die erste Produktion beginnen. Aber nicht gegen Corona.

Nicht auf Augenhöhe

Ist das nicht trotzdem das Idealprojekt für die Partnerschaft? Die EU unterstützt mit beträchtlichen Mitteln ein Vorhaben, das den Afrikanern hilft, die erfolgversprechendsten Impfstoffe selbst zu entwickeln, die sie dann auch noch selbst besitzen und selbst produzieren können? Doch das Problem ist, dass die Entwickler die Zeit, die sie brauchen, um auch eine Anwendung im Kampf gegen Covid-19 zu finden, auf mindestens drei Jahre veranschlagen. Würden sie Firmen wie der Mainzer Firma Biontech in die Karten schauen dürfen, wären sie nach ein bis anderthalb Jahren so weit.

Biontech hat indes längst vorgebaut, um nicht als der sture Hilfeverweigerer am Pranger zu stehen. Kurz vor dem EU-Afrika-Gipfel bat das Unternehmen hohe EU- und Afrika-Repräsentanten nach Deutschland, um die jüngste Entwicklung zu präsentieren: Eine mobile Impfstoff-Fabrik, in der Biontech künftig auch in Afrika produziert. Diese „BionTainer“ genannten Container-Module sollen ab Mitte des Jahres verschifft werden und dann jeweils 50 Millionen Dosen pro Jahr herstellen können. Und zwar, so das Mainzer Unternehmen, zu einem „gemeinnützigen Preis“. Der Kanzler ließ auch keine Zweifel aufkommen: Fortschritt bei m-RNA dürfe „nicht verspielt“ werden. Eine Patent-Freigabe komme daher nicht in Frage.

Die Stimmungslage der Afrikaner schwankte zwischen dankbar und konsterniert. Denn einerseits brauchen sie jede Hilfe angesichts der Tatsache, dass auf ihrem Kontinent auch nach zwei Jahren Pandemie erst zwölf Prozent der Bevölkerung geimpft sind. Weitere zweistellige Millionen-Spenden wurden in Brüssel versprochen. Aber es ist nicht das, was man unter Augenhöhe versteht.

Migration und Handel

Das bezieht sich auch auf das Thema Migration, das auf beiden Kontinenten für Verwerfungen sorgt. Bei der Bekämpfung der illegalen Migration sollen die Afrikaner massiv helfen. Ihnen wird dann im Gegenzug eine Öffnung für legale Migration versprochen. Aber wenn es dann konkret werden soll mit dem Zugang für Wissenschaftler, für Künstler, für Unternehmer, Teil eines euro-afrikanischen Netzwerkes zu werden, tun sich die EU-Mitglieder unendlich schwer.

Ein gemeinsamer Handelsraum liegt in weiter Ferne, viele afrikanische Länder wünschen ihrer Wirtschaft einfacheren Zugang ihrer Produkte zum europäischen Markt. Stattdessen pumpt Europa seine Waren nach Afrika und behindert mit den aufgezwungenen Handelsabkommen das Entstehen einer autarken Versorgung. Die Folgen sind verheerend, wenn dann Dürre und Konflikte das Regime übernehmen. Eigentlich hatte sich die Welt auf dem Milleniumsgipfel verpflichtet, den Anteil hungernder Menschen bis 2015 zu halbieren. Bereits 2010 wurde weitgehend Vollzug gefeiert. Doch wie empfinden das die Menschen in der Sahel-Zone? 2019 registrierte das Welternährungsprogramm dort 3,6 Millionen hungernde Menschen, aktuell sind es zehn Millionen.

Und auch von der Leyens gewaltiges 150-Milliarden-Investitionsprogramm für Afrika löst keine rechte Begeisterung aus. Denn das bezieht sich auf den Zeitraum 2021 bis 2027, und durchfinanziert ist es auch noch nicht. Vor allem aber: Im Vorfeld gab es keine Gespräche oder Verhandlungen mit Afrika darüber, was sie denn wofür brauchen. Augenhöhe geht anders. Die gemeinsame Vision bleibt vorerst eine Illusion.