Ende August beginnt die „Schueberfouer“, im Juni feiern wir Nationalfeiertag, jeden Morgen ist Stau, das Wetter meist schlecht und jedes vierte Kind in Luxemburg ist von Armut betroffen. Nächstes Thema bitte.
Im Großherzogtum wiederholt sich vieles, darunter auch die Erkenntnis, dass vielen Kindern Geld fehlt und damit die Möglichkeit, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen, in der Schule mitzukommen und an die eigene Zukunft zu glauben. Alles kehrt also wieder, auch die Meldung der vielen armen Kinder, und die Frage muss erlaubt sein: Haben wir uns etwa daran gewöhnt?
Haben wir uns etwa daran gewöhnt, dass in unserem Land eines von vier Kindern von Armut bedroht ist? Dass 30.000 Kinder nun einmal, wie es heißt, einem „Armutsrisiko ausgesetzt“ sind? Dann willkommen im Fachgebiet der Naturgesetze, die es nur in Luxemburg gibt. Let’s make it happen (again), mir wëlle bleiwen, wat mir sinn, bitte weitergehen, hier gibt es nichts zu sehen. Wirklich nicht?
Na ja, bei näherer Betrachtung schon. Zu sehen gibt es den Graben, der sich immer tiefer durch Luxemburg zieht – zwischen Alleinerziehenden und Doppelverdiener-Haushalten, zwischen Autochthonen und Zugezogenen, zwischen Vermietern und Mietern.
Am Donnerstag, dem Weltkindertag, hat das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen Unicef nicht nur diese desaströsen Zahlen für Luxemburg vorgelegt, die Paul Heber, der Direktor von Unicef Luxemburg, im Radio-Interview auf RTL „alarméierend“ nannte. Sie seien zudem, „nach ee Stéck méi schlecht ginn“, so Heber, der im Radio für gezieltere Hilfen warb und sich gegen das Gießkannenprinzip aussprach.
Das „Panorama social“ der „Chambre des salariés“ zeigt außerdem: Mieterhaushalte geben im Schnitt knapp 30 Prozent ihres Einkommens für die Miete aus. Nebenkosten und weitere Gebühren lassen die finanzielle Belastung weiter steigen. Zum Monatsanfang ist das Geld damit oft schon wieder weg. Eine Untersuchung des „Observatoire de l’habitat“ zeigt überdies: Mieterhaushalte geben im Schnitt knapp 40 Prozent (Nebenkosten und Taxen inklusive) ihres Einkommens für Wohnen aus. Alleinerziehende sogar die Hälfte. Das zeigt, wo es besonders drückt: Die Wohnungsnot ist für viele längst eine existenzielle Krise. Auch für Kinder. Der wenige Tage alte Bericht des „Ombudsman fir Kanner a Jugendlecher“ (OKaJu) legt den Finger in dieselbe Wunde: Kinder sind die Leidtragenden, steht dort zu lesen.
Im Dezember will die Regierung (passend zum Advent?) endlich den Schleier über ihrer zum Mandatsantritt vor zwei Jahren angekündigten „Prioritéit“ lüften und ihren „nationale Plang fir d’Präventioun an de Kampf géint d’Aarmut“ vorstellen. Das mit dem Bettelverbot ging deutlich schneller. Und war keine offizielle „Prioritéit“. Zudem hat die Regierung bislang mehrfach versucht, die Axt beim Sozialen anzulegen. Pensionen, Mindestlöhne, Kollektivverträge, die Liste ist bekannt. Das betrifft zwar Erwachsene und nicht direkt Kinder, aber schließlich gelten Kinder dann als arm, wenn die Erwachsenen im Haushalt nicht über die nötigen Mittel verfügen. Kinderarmut lässt sich also nicht losgelöst von einer allgemein verarmenden Gesellschaft sehen.
Am Dienstag diskutierte auch die Chamber über das Thema Wohnen. Mal wieder. Die Opposition machte Vorschläge. Die CSV-DP-Mehrheit lehnte die Motionen reihum ab. Die Regierung arbeite eh daran, hieß es, man solle dem Minister nicht unnötig Druck machen.
Weiter den Druck machen dürfen sich derweil die rund 30.000 Kinder in Luxemburg, die auf der falschen Seite des Grabens groß werden. Zu einer nicht geringen Wahrscheinlichkeit werden sie es schwerer haben in der Schule und auch nachher im Beruf. Die Chancen stehen gut, dass ihre Chancen schlecht stehen und auch ihre Kinder einmal zu jenem Teil der Bevölkerung zählen, der einem „Armutsrisiko ausgesetzt“ ist. Wie sich dieser Anteil entwickelt, ob er steigt oder sinkt, hängt auch von der Politik ab, die heute im Land gemacht wird. Vorausgesetzt, sie wird überhaupt gemacht.
De Maart

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