Samstag22. November 2025

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ForumGesundheit mit Rendite – Marc Spautz über die Findel Clinic und Luxemburgs Flirt mit der Zweiklassenmedizin

Forum / Gesundheit mit Rendite – Marc Spautz über die Findel Clinic und Luxemburgs Flirt mit der Zweiklassenmedizin
 Symbolfoto: dpa/Marcus Brandt

Die geplante Findel Clinic verspricht Effizienz und Komfort. Doch wenn Finanzinvestoren die Medizin entdecken, steht mehr auf dem Spiel als nur kürzere Wartezeiten.

Steht Luxemburg vor einem Wendepunkt im Gesundheitswesen? Mit der Findel Clinic, die 2026 nahe dem Flughafen eröffnen soll, könnte die private Medizin Einzug in ein System halten, das bislang fest auf Solidarität und universellen Zugang gebaut war. Modern, digital, effizient – das klingt nach Aufbruch. Doch hinter den Hochglanzplänen lauert ein leises, aber folgenreiches Risiko: die schrittweise Etablierung einer Zweiklassenmedizin.

Natürlich: Wer monatelang auf einen Facharzttermin wartet, wird das Versprechen schneller Versorgung mit offenen Armen begrüßen. Private Großpraxen sind oft flexibler, besser organisiert, weniger von der Bürokratie der CNS ausgebremst. Sie bündeln Kompetenzen, schaffen ein angenehmes Umfeld und ziehen Fachkräfte an, die in überlasteten Spitälern längst frustriert sind. Das sind echte Pluspunkte – aber eben nur die halbe Wahrheit.

Wenn das Solidaritätsprinzip ins Wanken gerät

Denn diese Effizienz hat einen Preis. Private Anbieter konzentrieren sich naturgemäß auf planbare, profitable Leistungen. Schwierige, chronisch kranke oder sozial schwächere Patientinnen und Patienten bleiben im öffentlichen System zurück – mit wachsender Belastung und schwindenden Ressourcen. Die Medizin spaltet sich: Hier schnelle Behandlungen in komfortabler Atmosphäre, dort lange Wartezeiten und überforderte Ambulanzen. Was wie Ergänzung beginnt, wird schnell zur Konkurrenz – und am Ende zur Trennlinie zwischen denen, die zahlen können, und denen, die müssen.

Solidarität lebt vom Vertrauen, dass alle denselben Zugang haben. Geht dieses Vertrauen verloren, nützt auch die schönste Glasfassade am Findel nichts.

Genau hier gerät das Solidaritätsprinzip ins Wanken – das Herzstück des luxemburgischen Gesundheitssystems. Wenn Zuzahlungen oder Zusatzversicherungen zum Eintrittsticket für bessere Behandlung werden, verliert das System seine Glaubwürdigkeit. Solidarität lebt vom Vertrauen, dass alle denselben Zugang haben. Geht dieses Vertrauen verloren, nützt auch die schönste Glasfassade am Findel nichts.

Hinzu kommt ein oft übersehener Aspekt: die Zersplitterung der Versorgung. Wenn freiberufliche Ärztinnen und Ärzte, die zum Teil nur ein oder zwei Tage in der Woche in Luxemburg praktizieren, unabhängig unter einem Dach arbeiten, mag das organisatorisch effizient sein – aber wer trägt Verantwortung für die Kontinuität? Wer stellt sicher, dass Patientendaten fließen, Behandlungen koordiniert sind, Nachsorge funktioniert? Gerade bei älteren und chronisch kranken Menschen ist Kontinuität entscheidend. Ein System aus parallelen Inseln schafft hier eher Lücken als Lösungen.

Höhere Arbeitsbelastung bei schlechterer Vergütung

Ein weiteres Spannungsfeld betrifft das Pflege- und Verwaltungspersonal. Ob die Mitarbeiter nach Tarifvertrag bezahlt werden, ist noch nicht bewusst. Ohne einen Kollektivvertrag, der auf Augenhöhe mit dem geltenden ist, entsteht ein Spielraum für niedrigere Löhne, unregelmäßige Arbeitszeiten oder unsichere Dienstpläne. Für das Personal droht so ein klassischer Druck: höhere Arbeitsbelastung bei gleichzeitig schlechterer Vergütung, während in den luxuriösen Klinikumgebungen der Patientenkontakt oft glänzend inszeniert wird. Langfristig kann das zu hoher Fluktuation, Burn-out und Qualitätsverlusten führen – und paradoxerweise die Effizienz, mit der private Kliniken werben, selbst untergraben. Die Rechnung zahlen am Ende nicht die Investoren, sondern die Menschen, die täglich dafür sorgen, dass die Klinik läuft.

Einige Investoren der Findel Clinic kommen nicht aus dem Gesundheitssektor, sondern aus der Finanz- und Immobilienwelt. Das ist mehr als ein Detail. Wo Renditeerwartung die treibende Kraft ist, rückt der Mensch schnell in die zweite Reihe.

Und dann ist da noch die Frage, wer eigentlich hinter diesem Projekt steht. Einige Investoren der Findel Clinic kommen nicht aus dem Gesundheitssektor, sondern aus der Finanz- und Immobilienwelt. Das ist mehr als ein Detail. Wo Renditeerwartung die treibende Kraft ist, rückt der Mensch schnell in die zweite Reihe. Was zählt, ist Auslastung, Marge, Wachstum. Unrentable Leistungen? Nebensache. Dauerhafte Versorgung? Nur solange sie sich rechnet. Die Medizin wird zum Markt, der Patient zum Kunden – und der Arzt zum Dienstleister im System der Quartalszahlen.

Die Risiken liegen auf der Hand: Ein Rückzug des Kapitals bei sinkender Profitabilität würde Versorgungslücken hinterlassen, die der öffentliche Sektor stopfen muss – auf Kosten der Allgemeinheit. So droht ein klassisches Szenario: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert.

Droht ein Gesundheitssystem, das glänzt, aber nicht trägt?

Luxemburg sollte sich deshalb genau überlegen, welchen Weg es einschlägt. Niemand fordert, private Initiativen zu verbieten – sie können das System sinnvoll ergänzen. Aber sie dürfen es nicht unterwandern. Nötig sind klare Spielregeln: transparente Preisgestaltung, gleiche Zugangsbedingungen, verbindliche Kooperation mit der CNS über die bewährte Konventionierung und faire Löhne für das Personal.

Denn am Ende entscheidet nicht die Architektur einer Klinik oder ein Hochglanzprospekt, sondern ihr Wertefundament. Wenn Rendite über Solidarität triumphiert, droht Luxemburg ein Gesundheitssystem, das glänzt, aber nicht trägt. Die Findel Clinic kann ein Fortschritt sein – oder der Anfang einer gefährlichen Spaltung. Noch ist Zeit, sich zu entscheiden.

Marc Spautz ist CSV-Fraktionspräsident
Marc Spautz ist CSV-Fraktionspräsident Foto: Editpress/Alain Rischard