Nach knapp zweiwöchigen Beratungen solle die Tagung pünktlich „am Freitag, und zwar diesen Freitag“ enden, scherzt Sharma. COP-Veteraninnen, nicht zuletzt in der eigenen Delegation, halten das für naiv, schließlich seien die Uno-Konferenzen fast immer verlängert worden, und zwar vor allem dann, wenn es um bindende Vereinbarungen und das dafür notwendige Geld geht.
Nicht umsonst nannte Sharma, auf die noch ausstehenden Punkte angesprochen, am Donnerstag „Finanzen“ als ersten Punkt. Im Klartext ist damit gemeint: Die westlichen Industrienationen sollen mehr Geld für Projekte im globalen Süden lockermachen, mit denen die schon heute katastrophalen Folgen des Klimawandels eingedämmt werden: „Geld für Flutwehre und Strandmauern, Forschungsmittel für weniger Klima-anfällige Getreidesorten“, zählt Sharmas Sprecherin Allegra Stratton auf.
Hinter den Kulissen feilschen die Delegierten aber auch um andere Punkte des rund 200-seitigen Kommuniqués. Dazu zählen die Umstellung der Weltwirtschaft auf eine Zukunft ohne fossile Brennstoffe: Elektroautos, erneuerbare Energien, die möglichst rasche Abschaltung von Kohle-Kraftwerken, das Ende fossiler Brennstoffe. Vor allem letzterer Punkt bringt die Lobbyisten der Öl- und Kohleförderer sowie -Konsumenten auf die Palme. Sie plädieren stattdessen für eine bessere Förderung der bisher teuren und weltweit wenig erprobten Technik der CO2-Speicherung (Carbon Capture and Storage, kurz CCS). Das Öl-Scheichtum Saudi-Arabien arbeite zur Erreichung seiner Ziele „mit schmutzigen Tricks“, ärgerte sich Irlands Alt-Präsidentin Mary Robinson. Auch Russland, Brasilien und Australien würden ehrgeizigen Klimaschutz blockieren. Beim Umweltsünder China gelte immerhin der mildernde Umstand, dass die kommunistische Diktatur häufig wenig verspricht und viel schafft.
Worum geht der Streit?
Die britischen Gastgeber wollen die 197 Unterzeichner der Pariser Klimavereinbarung von 2015 darauf verpflichten, bis Ende nächsten Jahres ehrgeizigere Pläne zur Reduzierung von Treibhausgasen vorzulegen. Nur so könne das Ziel erreicht werden, die globale Erwärmung bei unter zwei Grad, am besten sogar bei 1,5 Grad zu stoppen.
Aus heutiger Sicht wirkt dies unrealistisch. Die UN-Umweltagentur Unep rechnete vergangenen Monat die bis dahin veröffentlichten nationalen Pläne (abgekürzt NDCs) zusammen: Im Zeitraum bis 2030, den viele Wissenschaftler für entscheidend halten, würden Klima-schädliche Emissionen lediglich um 7,5 Prozent zurückgehen, eine katastrophale Erwärmung von 2,7 Grad wäre die Folge. Vergangene Woche gab sich die Internationale Energieagentur IEA optimistischer: Basierend auf neuen Versprechungen und konkreten Plänen könnte 1,8 Grad erreicht werden. Diese Woche gossen die Verantwortlichen des weithin respektierten Climate Action Tracker (CAT) Wasser in den Öko-Wein. Realistischerweise müsse die Weltgemeinschaft damit rechnen, das Paris-Ziel zu verpassen; die CAT-Prognose lautet auf 2,4 Grad.
Dieses Problem lässt sich nur durch Kooperation lösen
Was hat es mit der gemeinsamen Erklärung der USA und China auf sich? Noch vergangene Woche hänselte US-Präsident Joe Biden seinen Pekinger Kollegen Xi Jinping, weil dieser nicht in Glasgow erschienen war. Hingegen fädelte Chinas Chefunterhändler Xie Zhenhua vor Ort mit Bidens Klima-Beauftragten John Kerry die Willenserklärung ein, mit der das Duo am Mittwochabend die COP-Verantwortlichen überraschte. Gemeinsam sei man der Auffassung, dass die bisherigen Vereinbarungen dem Pariser Abkommen nicht gerecht würden, teilte Xie mit: „Wir hoffen, dass unsere Erklärung zum Erfolg von COP26 beiträgt.“ Kerry wies auf die geopolitische Bedeutung des Dokuments hin. Zwar habe Washington „jede Menge Meinungsverschiedenheiten“ mit China, aber: „Dieses Problem lässt sich nur durch Kooperation lösen“, so der frühere Außenminister.
Schadet die separate Diplomatie der Weltmächte der Einigkeit?
Dafür gibt es eigentlich keinen Grund, im Gegenteil: Dass die beiden größten Treibhausgas-Produzenten der Welt sich zu den Prinzipien des Klimaschutzes bekennen, gibt den Gesprächen auf anderen Feldern neuen Rückenwind. Ohnehin beruhen viele der in Glasgow verkündeten Initiativen auf „Koalitionen der Willigen“, die für Nachzügler und Zögerer offenbleiben.
Beispielsweise verpflichteten sich schon vergangene Woche 40 Nationen, darunter fünf der 20 größten Kohle-Förderer und -Verbraucher, nicht aber China und die USA, auf die baldige Abschaffung des besonders schadstoffhaltigen Energieträgers Kohle. Mehr als 80 Staaten weltweit streben die rasche Reduzierung des Treibhausgases Methan um 30 Prozent bis 2030 an. Die USA, nicht aber China und Russland gehören zu den Unterzeichnern. Mehr als 100 UN-Mitglieder, die gemeinsam rund 85 Prozent der weltweiten Wälder repräsentieren, haben deren Abholzung den Kampf angesagt und das Versprechen durch öffentliche und private Geldversprechen von insgesamt 16,45 Mrd. Euro untermauert. An diesem Projekt beteiligen sich die großen Umweltverschmutzer China, USA und Russland, aber vor allem auch die wichtigen Regenwald-Staaten Brasilien, Kongo und Indonesien.
Welche Initiativen bleiben kontrovers?
Zum Beispiel mochten am Mittwoch weder die neuen Klimafreunde USA und China noch Europas größtes Land Deutschland eine Verpflichtung für die rasche Einführung von Elektroautos unterschreiben. Angeführt von Großbritannien, Kanada und den Niederlanden will ein Bündnis von 24 Staaten und wichtigen Autoproduzenten wie Ford und Mercedes-Benz die Ära Benzin- und Diesel-betriebener Fahrzeuge spätestens 2040 beenden.
Dänemark und Costa Rica legten am Donnerstag einen ehrgeizigen Plan zur Beendigung der Öl- und Gasförderung vor. Ihre „Jenseits-von-Öl-und-Gas-Allianz“ soll den Übergang auf nachhaltige Energieformen beschleunigen. Dänemark gehört in Europa zu den größten Exporteuren der fossilen Brennstoffe; neue Projekte sind seit vergangenem Jahr verboten, endgültig soll die Produktion in der Nordsee spätestens 2050 enden.
Auf die Initiative angesprochen reagieren die Briten schmallippig, Premier Johnson sagte in Glasgow lediglich eine Prüfung der Idee zu. Hintergrund: Gegen den wütenden Protest von Umweltorganisationen schließen London und Edinburgh bisher nicht aus, das ölreiche Cambo-Feld westlich der Shetland-Inseln im Atlantik zu erschließen. Die Pläne der schottischen Nationalisten für die Unabhängigkeit ihres Landes beruhten lange Zeit auf den Einnahmen aus der Nordsee; Aberdeen gilt noch immer als Öl-Hauptstadt Europas.
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