„Wie der Wechsel von der Postkutsche zur E-Mail“ ist nach den Worten des EVP-Europaabgeordneten Markus Ferber das jüngste Projekt der EU auf dem Sektor der Finanzdienstleistungen: Künftig werden alle Bankkunden ihre Überweisungen binnen zehn Sekunden beim Empfänger wissen – tags und nachts, werktags und feiertags, in allen EU-Mitgliedstaaten und nach einer Übergangsfrist auch darüber hinaus. Nach der einhelligen Befürwortung durch die Redner einer Sofortüberweisungsdebatte in Straßburg besteht kein Zweifel, dass das Vorhaben mit der Schlussabstimmung an diesem Mittwoch in trockene Tücher kommt. Zwölf Monate nach der Veröffentlichung im EU-Gesetzblatt müssen die Banken den Service dann anbieten, und zwar zu keinem höheren Preis als Normalüberweisungen. In der Regel also kostenlos.
Damit ist das, was jetzt vereinzelt als „Premium“-Überweisung angeboten und mit einer Extra-Gebühr belegt wird, spätestens ab Mitte nächsten Jahres allgemeiner Standard. Einzelne Institute dürften deutlich schneller sein und ihre Systeme schon sehr bald umstellen. Sie verbessern dabei auch die Sicherheit, denn in diesen zehn Sekunden wird auch überprüft, ob die IBAN-Zahlen mit einem Konto des angegebenen Namens übereinstimmen. „Das System stützte sich bisher auf die Technik der 1980er-Jahre – nun kommen wir endlich im 21. Jahrhundert an“, unterstrich der Chefunterhändler des Parlaments, Michiel Hoogeven von den niederländischen Konservativen Liberalen.
200 Milliarden Euro ständig nicht verfügbar
Mairead McGuinnes, EU-Finanzkommissarin, wies darauf hin, dass nicht nur Verbraucher und Firmen mit der Novelle ihre Finanz- und Geschäftsaktivitäten besser überblicken könnten, sondern auch die Staaten ihre Haushaltsplanungen optimierten. Die EU hole zu anderen internationalen Märkten auf. Verschiedene Redner griffen die Kommissionsfeststellung auf, wonach derzeit rund 200 Milliarden Euro ständig nicht verfügbar seien, weil sie sich gerade auf dem Weg von einem zum anderen Konto befänden. Damit würden dem Finanzmarkt in der EU jährlich fast zwei Milliarden Euro an Leistungsfähigkeit entzogen, rechnete die luxemburgische Christdemokratin Martine Kemp vor.
Einzelne Abgeordnete plädierten dafür, über die Verbesserungen in der Abwicklung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs die Vorteile der Bargeldgeschäfte nicht zu übersehen. Für den S&D-Finanzexperten Joachim Schuster fördert die neue EU-Vorgabe zugleich die „strategische Autonomie des europäischen Finanz- und Wirtschaftssektors“, weil dadurch die Abhängigkeiten von nicht-europäischen Zahlungssystemen abgebaut würden. Und Ferber zog als Konsequenz aus den Sofortüberweisungen die Frage, ob der digitale Euro denn dann überhaupt noch notwendig sei.
De Maart
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