20. Oktober 2025 - 20.03 Uhr
Akt.: 20. Oktober 2025 - 22.53 Uhr
Geld für Israel mit Luxemburgs HilfeDemonstranten protestieren bei EU-Außenministertreffen gegen israelische Staatsanleihen

Auf dem regennassen Kirchberg-Plateau vor dem European Convention Center haben sich schon am Morgen mehrere Dutzend Demonstranten versammelt. Sie trotzen dem Regen, um gegen die Israel-Politik der EU zu demonstrieren. An diesem Montag treffen sich die EU-Außenminister in Luxemburg. Auf der Tagesordnung: der Ukrainekrieg und mögliche Maßnahmen der EU gegen Russland, aber auch die Lage im Nahen Osten und die fragile Waffenruhe in Gaza. Während drinnen die Minister beraten, schwenken draußen viele Palästina-Flaggen, mehrere Plakate und Banner fordern Sanktionen gegen Israel. Schon seit dem Wochenende läuft auf der place de l’Europe ein Protestcamp mit Demonstranten aus Luxemburg, Frankreich, der Schweiz, sogar aus Kolumbien.

Helen Mahony ist aus Irland angereist, wo sie die „Ireland-Palestine Solidarity Campaign“ (IPSC) koordiniert. Im März hatten Mahony und andere Aktivisten die Irische Zentralbank (CBI) besetzt – aus Protest gegen deren Verkäufe israelischer Staatsanleihen. „Die israelische Regierung handelt mit absoluter Straffreiheit“, sagt Mahony am Montag im Gespräch mit dem Tageblatt. „Die Anleihen finanzieren die Tötung palästinensischer Menschen. Sie finanzieren Völkermord, Besatzung und Apartheid. Und sie stehen in direktem Widerspruch zur Völkermordkonvention und zum Völkerrecht.“ In ihrer Heimat haben Mahony und andere Aktivisten so viel Druck aufgebaut, dass Israel sich von der Irischen Zentralbank abgewandt hat.
Gelder aus der Diaspora
Seit dem 1. September laufen israelische Staatsanleihen nun nicht mehr über Dublin, sondern über den luxemburgischen Finanzplatz, die luxemburgische Finanzaufsichtsbehörde CSSF hatte den Verkauf zuvor genehmigt. Damit ein Nicht-EU-Land in der EU Wertpapiere handeln darf, muss es einen EU-Mitgliedstaat als „Heimatstaat“ auswählen, bei dem es die Genehmigung eines Prospekts beantragt. Bis zur Brexit-Abstimmung im Jahr 2016 hatte Israel Großbritannien als das Land ausgewählt, in dem entschieden werden sollte, ob ein von Israel angebotener Anleiheprospekt für den Verkauf in der EU zugelassen werden konnte. Nach dem Brexit übernahm Irland diese Rolle. Nach wachsenden Protesten in der irischen Politik und Zivilgesellschaft ist diese Aufgabe nun Luxemburg und seiner CSSF zugefallen.

In Luxemburg ließ Kritik am Vorgehen der CSSF nicht lange auf sich warten. Mitte September hatte das Kollektiv BDS (Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen) zu einer Protestaktion vor der Chamber aufgerufen, um „die sofortige Einstellung der Regulierung der vom Staat Israel ausgegebenen Anleihen durch die CSSF zu fordern“. Bereits zwei Wochen zuvor warnte „déi Lénk“, Luxemburg öffne mit der Genehmigung der Anleihen die Tür für die Finanzierung der Politik der Netanjahu-Regierung. Da die Mittel aus den Staatsanleihen in den israelischen Staatshaushalt fließen, tragen sie so indirekt auch zu Militäroperationen in Gaza und dem Westjordanland bei. „Luxemburg darf nicht Komplize eines möglichen Völkermords werden“, so die Partei. Kritiker nennen die Staatsanleihen aus diesem Grund auch „Kriegsanleihen“. Auf der Webseite der „Israel Bonds“ gibt es eine Videobotschaft des israelischen Präsidenten Isaac Herzog. Dort wird der Krieg in Gaza zwar nicht direkt erwähnt, Herzog richtet sich jedoch unmittelbar an „Brüder und Schwestern“ auf der ganzen Welt und bittet um Unterstützung „im Kampf gegen die Bedrohung jüdischen Lebens“.
Diese direkte Ansprache passt zum Format der Anleihen. Die „Israel Bonds“ sind sogenannte Diaspora-Anleihen, sie sind relativ klein und werden hauptsächlich in jüdischen Gemeinden auf der ganzen Welt verkauft, um die herkömmlichen Staatsanleihen zu ergänzen, die an den Finanzmärkten gehandelt und in der Regel von großen Investmentfirmen gekauft und verkauft werden. Israel startete sein Diaspora-Anleiheprogramm schon 1951, nur wenige Jahre nach seiner Staatsgründung. Das Land benötigte Geld für Infrastruktur und Entwicklung, wurde jedoch von der Wall Street zurückgewiesen. Damals reiste der erste israelische Ministerpräsident David Ben-Gurion unter anderem nach New York, um in der jüdischen Diaspora für die Anleihen zu werben. 2023 startete Israel seine jüngste Kampagne.

Im Kontext des israelischen Vorgehens in Gaza geriet die irische Zentralbank in den vergangenen Monaten immer stärker in die Kritik. Proteste der Zivilbevölkerung erhöhten den Druck, aber auch hitzige Debatten im irischen Parlament. Die Irische Zentralbank hatte stets erklärt, dass sie gesetzlich verpflichtet sei, jeden Prospekt für Anleihen zu genehmigen, sobald die entsprechenden Bedingungen erfüllt seien. Zentralbank-Chef Gabriel Makhlouf erklärte, die Bank könne ihre Entscheidung nur auf der Grundlage von Kriterien der Finanzstabilität und nicht aufgrund geopolitischer Erwägungen treffen. Nur Israel könne entscheiden, so Makhlouf, einen anderen Staat als „Heimatland“ zu wählen, es sei denn, die EU würde auf politischer Ebene Sanktionen gegen Israel verhängen – analog zum Fall Russland. IPSC-Koordinatorin Mahony widerspricht dieser Sichtweise: „Die CBI, wie auch die luxemburgische CSSF, behauptet fälschlicherweise, dass sie nur die technischen Standards der Vollständigkeit, Verständlichkeit und Kohärenz berücksichtigen muss. Die technischen Standards wurden 2024 und 2025 nicht erfüllt. Der von der CBI genehmigte Prospekt von 2024 war zweifellos unvollständig. Wichtige risikobezogene Informationen wurden zurückgehalten.“
Keine Sanktionen, keine Einschränkungen
Nun hat Israel Luxemburg erwählt. Das israelische Finanzministerium erklärte dazu, dieser Schritt sei nur natürlich, da der Staat bereits im Rahmen seines Programms für handelbare Staatsanleihen mit Luxemburg zusammenarbeite. Luxemburg steckt nun in einer ähnlichen Situation wie Dublin zuvor. Außenminister Xavier Bettel (DP) äußerte sich vergangenen Donnerstag in einer Chamber-Debatte über mögliche Sanktionen gegen Israel: Es sei „nicht der richtige Moment“, solche Schritte einzuleiten. Die Regierung arbeite derzeit aber an einer rechtlichen Grundlage, die es Luxemburg ermöglichen soll, künftig eigenständig Sanktionen gegen Drittstaaten zu verhängen. Bis Ende des Jahres sollte eine Evaluation vorliegen.
Auf EU-Ebene sei eine Einigung über Israel-Sanktionen dagegen „nahezu unmöglich“, so der Außenminister, da dort Einstimmigkeit erforderlich sei. Bettel hatte den Abgeordneten außerdem ein Schreiben der CSSF vorgelegt, in dem die rechtlichen Grenzen der Finanzaufsichtsbehörde im Umgang mit den israelischen Staatsanleihen aufgezeigt werden. Demnach dürfe die CSSF einen Prospekt nur in drei klar definierten Fällen ablehnen: wenn die formalen Anforderungen nicht erfüllt sind, wenn die EU Sanktionen gegen den Aussteller verhängt hat oder wenn nationale restriktive Maßnahmen im Einklang mit EU-Recht greifen. Keiner dieser Fälle sei derzeit auf Israel anwendbar, so die Behörde.

Eine Motion des LSAP-Abgeordneten Franz Fayot, die die Regierung dazu aufruft, die Handlungen der israelischen Regierung und Armee als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit einzustufen, damit die CSSF in der Lage sei, die Genehmigung für die israelischen Anleihen zu widerrufen, wurde an diesem Tag von einer Mehrheit aus CSV, DP und ADR abgelehnt.
Aktivistin Mahony sieht Luxemburg und Irland im Unrecht. Sie ruft die luxemburgische Regierung dazu auf, Druck auf die CSSF auszuüben. „Die Regierungen Irlands und Luxemburgs sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass alle staatlichen Organe das Völkerrecht einhalten. Die Unabhängigkeit der CBI und der CSSF bezieht sich auf die Geldpolitik. Sie ist keine Lizenz zur Verletzung des Völkerrechts.“
Die Debatte um die israelischen Staatsanleihen ist hitzig und wird sich nun wohl von Dublin nach Luxemburg verlagern. In Anbetracht der Größe der Diskussion scheinen die Renditen der Anleihe in Europa jedoch relativ klein zu sein. Irlands Zentralbank-Chef Makhlouf erklärte im Juli vor dem Finanzausschuss des irischen Parlaments, Israel habe mit den Anleihen zwischen 100 und 130 Millionen Euro eingenommen. Auf der Website der israelischen Regierung wird angegeben, dass Anleihen im Wert von 5 Milliarden Euro verkauft worden seien. Pro-palästinensische Aktivisten sprechen hingegen von 19,5 Milliarden. Die EU macht dabei jedoch nur einen Bruchteil aus, der Großteil entfällt auf die USA.
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