Am 20. Februar fand eine Konferenz mit dem Titel „Der Rest ist Schweigen – gehörlos in Luxemburg“ im Cercle Cité statt. Hier wurde sich mit der Deutschen Gebärdensprache (DGS) sowie dem Zugang zu Bildung und Kultur für Hörgeschädigte beschäftigt.
In Luxemburg leben Schätzungen zufolge 300 gehörlose Menschen. Menschen, die trotz ihrer auditiven Einschränkung Lust und vor allem ein Recht auf Bildung und Kultur haben. Jedoch ist der Weg dorthin noch nicht vollends geebnet und wird stellenweise von Unwissen gesäumt. Unter anderem die Unkenntnis der Sachlage kann ungewollt zum Ausschluss dieses Teils der Gesellschaft führen. Um dem entgegenzuwirken, leisten Stellen wie beispielsweise die „daaflux Asbl.“ oder auch die „Hörgeschädigten-Beratung SmH“ wichtige Sensibilisierungsarbeit.
Im kulturellen Kontext nimmt nun das Projekt „Babel. Ein Wort, ein Zeichen.“ eine wichtige Rolle ein. Das Merscher Kulturhaus bietet in Zusammenarbeit mit der „Solidarität mit Hörgeschädigten Asbl.“ und verschiedenen Partnern künstlerische Darbietungen mit begleitender Gebärdensprache an und möchte ebenfalls einen Raum für wichtige Diskussionen schaffen. Der Ansturm bei der Eröffnungsveranstaltung am vergangenen Dienstag (das Auditorium des Cercle Cité war bis auf den letzten Stuhl besetzt) lässt vermuten, dass nicht nur Gesprächs-, sondern auch noch viel Handlungsbedarf besteht.
Den Aussagen vieler hörgeschädigter Kulturbegeisterter nach hat sich zwar gerade im kulturellen Bereich einiges getan in den vergangenen Jahren. So werden beispielsweise regelmäßig Führungen in Gebärdensprache in der Villa Vauban angeboten und das Grand Théâtre in Luxemburg-Stadt verfügt über eine sogenannte „Induktionsschleife“, also eine technische Vorrichtung, die Personen mit Hörapparat ein besseres Verständnis ermöglicht. Aber zum Standard sei dies längst noch nicht geworden, heißt es. Nicole Sibenaler, selbst gehörlos und im Vorstand von „daaflux“, bemängelte in der Gesprächsrunde mit Experten des „Centre de logopédie“ und der „Solidarität mit Horgeschädigten Asbl.“ sowie Vertretern der Ministerien (Bildung, Kinder und Jugend/Familie, Integration und Großregion) beispielsweise, dass man online nicht an einer zentralen Stelle herausfinden könne, welche Kulturinstitutionen ein gehörlosenfreundliches Angebot haben.
Ausdauer nötig
Zurzeit trägt ihr Verein derartige Informationen auf seiner Homepage (daaflux.net) zusammen. Dass viele Erläuterungen nicht auf Deutsch abrufbar seien, stelle eine zusätzliche Barriere dar, die es zu durchbrechen gelte, so Sibenaler. Sie erntete reichlich Zuspruch vom Publikum, nicht zuletzt auch, weil sie im Gespräch nicht lockerließ. In diesen Momenten zeigte sich, dass auch ein geräuschloser Applaus unglaublich laut sein kann. Immer wieder hielten nämlich mehr als die Hälfte der im Raum Anwesenden beide Arme hoch und wedelten mit den Händen. Da Menschen mit einer Hörschädigung Klatschen häufig nicht akustisch vernehmen können, gilt eben diese, in vielen Ländern geläufige, Geste als Akt der Zustimmung, der klar visuell wahrnehmbar ist.
Die anwesenden Minister Claude Meisch und Corinne Cahen stießen jedoch nicht nur auf Anerkennung, obwohl die Hörgeschädigten-Gemeinde zumindest das Vorhandensein des Gesetzentwurfs tendenziell gutheißt. Denn beide widmeten sich mehr als einmal scheinbar lieber Exkursen über bereits Erreichtes, als auf spezifische Nachfragen zu reagieren. Zeitweilig fühlte man sich an den Satiriker Martin Sonneborn, den Bundesvorsitzenden der Spaßpartei „Die Partei“, erinnert, der während eines RBB-Interviews direkt auf die erste Frage, keine Miene verziehend, erwiderte: „Ich bedanke mich für diese Frage und möchte erst mal eine andere beantworten.“
Ein wichtiger Diskussionspunkt war der Gesetzentwurf Nr. 7142 (siehe Infobox), bei dem die Deutsche Gebärdensprache (kurz DGS) im Fokus steht, da diese in Luxemburg am meisten verbreitet ist. Dies bedeutet wiederum nicht, dass hierzulande nicht auch andere Gebärdensprachen Verwendung finden.
In einer Stellungnahme der „Solidarität mit Hörgeschädigten Asbl.“ zu eben jenem Entwurf heißt es: „Hörgeschädigte Menschen wollen nicht bloß verstehen, was andere Menschen ihnen mitteilen, sie wollen auch verstanden werden. Die Anerkennung der DGS wird den gewünschten Inklusionseffekt bringen, wenn sich die Hörenden für die Gebärdensprache interessieren und immer mehr Menschen sie auch erlernen wollen. Solange sie exklusiv von hörgeschädigten Menschen verwendet wird, bleibt sie ein Instrument des Ausschlusses.“ Ziel soll demnach (unter anderem) sein, Bewusstsein für die ohnehin schon vorhandene, aber wenig bekannte Gebärdensprachkultur in Luxemburg zu schaffen.
Vollwertige Sprache?
Eins der nun vorgeschlagenen „Amendements“ am Basistext ist indes im Satz „La langue des signes allemande (…) est reconnue comme une langue à part entière“ die letzten sechs Worte wegzulassen, aber „sur le territoire luxembourgeois“ hinzufügen. Dies wurde von Nicole Sibenaler beanstandet. Luxemburg ist nämlich neben Bulgarien, Italien und Polen das einzige Land in der EU, das nicht über eine als vollwertige Sprache anerkannte Gebärdensprache verfügt. Ministerin Cahen blieb ihr eine klare Antwort schuldig, daher fragte das Tageblatt am Donnerstag bei Sandy Zoller nach, welche neben Pierre Reding und Catherine Decker mit dem Verfassen des Textes befasst war.
Laut Zoller hat dies damit zu tun, dass es sich um einen Zusatz handelt, der dem Gesetz zur Sprachregelung von 1984, in dem es um die drei offiziellen Sprachen geht, angefügt werden soll. Das Sprachengesetz erkenne keine dieser drei Sprachen offiziell und implizit als Sprache an. Um der Gebärdensprache nun nicht eine höhere Legitimierung als den anderen zu geben (und weil es bei diesen ja auch „sous-entendu“ sei), habe man den Text an dieser Stelle geändert.
Es war eine mutige Unternehmung, an einem Abend die Themen Bildung, Kultur und Integration von Hörgeschädigten unter einen Hut bekommen zu wollen. Es konnten dennoch wichtige Fragen aufgeworfen und vielerlei Punkte angeschnitten werden. So auch die personelle Aufstockung im „Centre de logopédie“, die auf der Bildungsebene im Zusammenhang mit dem Inkrafttreten des Gesetzes erforderlich wird.
Zudem wurde darauf aufmerksam gemacht, dass in Luxemburg derzeit nur zwei Gebärdensprachen-Dolmetscherinnen und eine Schriftdolmetscherin tätig sind. In Anbetracht der Tatsache, dass diese Arbeit eine sehr hohe Konzentration erfordert und sich daher bei längeren Übersetzungen nach ungefähr 15 Minuten abgewechselt werden muss, wird nicht selten auf Dolmetscherinnen und Dolmetscher aus dem Ausland zurückgriffen, da man die Nachfrage anders nicht stemmen könnte. Minister Meisch betonte mehrfach, es lohne sich für junge Menschen, Gebärdensprache an der Universität zu studieren. Als jedoch gefragt wurde, ob dies denn keine Option für die Universität Luxemburg sei, verwies er etwas ausweichend auf erfahrenere Hochschulen im nahen Ausland.
Ein Schriftführer fertigt nun einen Bericht der Diskussion an, der an die zuständigen Ministerien weitergeleitet wird. Das Publikum konnte ebenfalls schriftlich Fragen einreichen, die auch in das Dokument mit einfließen. Gezeigt hat das Interesse an diesem Abend allemal, dass Weghören oder -sehen keine Alternative mehr ist. Nun gilt es, Ausdauer zu beweisen.
Ursprünglicher Gesetzentwurf
- Der Gesetzentwurf wurde im vergangenen Juni von den Ministern Corinne Cahen und Claude Meisch sowie vom Staatssekretär für Kultur Guy Arendt präsentiert.
- Das Gesetz vom 24. Februar 1984 über die Sprachenregelung soll ergänzt und die Deutsche Gebärdensprache (DGS) als vollwertige Sprache anerkannt werden.
- Hörgeschädigten oder gehörlosen Menschen sollen Behördengänge u.a dadurch erleichtert werden, dass sie die DGS verwenden und einen Dolmetscher auf Kosten des Staatshaushalts beantragen können.
- Gehörlose oder hörgeschädigte Schüler sollen das Recht auf Gebärdensprachenunterricht sowie auf ein Absolvieren der Grund- und der Sekundarstufe in DGS erhalten.
- Ferner sollen Eltern und Geschwister einer hörgeschädigten bzw. gehörlosen Person, die die DGS als vorherrschende Sprache nutzt, Anspruch auf eine Grundausbildung in der Gebärdensprache bekommen.
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