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Nach Moria-BrandGeblieben ist nicht mal der letzte Funke Hoffnung

Nach Moria-Brand / Geblieben ist nicht mal der letzte Funke Hoffnung
Durch das Feuer obdachlos geworden, schlafen die Menschen am Straßenrand  Foto: AFP/Angelos Tzortzinis

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Jahrelang galt Moria als Schandfleck Europas, als Beweis dafür, dass es mit Solidarität und Humanität in letzter Konsequenz doch nicht weit her ist. Kaum vorstellbar, dass die Situation sich noch hätte verschlimmern können – doch genau das ist jetzt der Fall.

Familien mit Kindern, Junge, Alte, Kranke haben ihre Decken am Straßenrand auf dem nackten Asphalt ausgebreitet. Als Kopfkissen dienen Plastiktüten mit dem Wenigen, was die Menschen aus Moria retten konnten – oder auch einfach nur die Bordsteinkante. Direkt neben ihren Köpfen stehen Wasserflaschen – sie gehören jetzt zu den wertvollsten Besitztümern. Denn egal, wohin die mehr als 12.600 Migranten am Mittwoch vor dem verheerenden Feuer von Moria geflohen sind, nirgends gibt es fließendes Wasser oder eine Toilette, geschweige denn Zelte oder Wohncontainer.

Geblieben ist vielen Menschen nicht einmal mehr der letzte Funke Hoffnung: Vielfach sind den Flammen auch ihre Papiere zum Opfer gefallen. Schlimmer noch: Ein Gutteil der Container des Europäischen Asyl-Büros (EASO) ist bei dem Großbrand von Moria abgebrannt und damit weitere Papiere, Anträge, Unterlagen zu laufenden Verfahren. Die Bearbeitung der Asylanträge wurde bis auf Weiteres eingestellt, teilte EASO mit.

Mit Masken im Gesicht harren die Migranten nun an Straßenrändern und auf Äckern in der sengenden Mittelmeersonne, aber auch den beißend kühlen Nächten aus. Der Zugang zur Inselhauptstadt Mytilini wird ihnen schon mehrere Kilometer entfernt von der Polizei versperrt – die Einwohner haben Angst vor Corona und davor, dass Tausende ohne Unterkünfte und Verpflegung in die 37.000-Einwohner-Stadt pilgern.

Eine Wasserflasche als wertvollstes Besitztum

Deshalb rotieren andere, beispielsweise die rund 80 Mitarbeiter, die für die Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) auf der Insel arbeiten. Sie versuchen gemeinsam mit den griechischen Behörden, das Unmögliche möglich zu machen: 12.600 Obdachlose aus dem Stand mit Essen, Wasser und Decken zu versorgen. „Wir müssen sicherstellen, dass es genug gibt, dass es mit der Verteilung klappt und dabei die Corona-Abstandsregeln eingehalten werden“, beschreibt IRC-Mitarbeiterin Martha Roussou die Herausforderung.

Die Angst vor einem unkontrollierten Corona-Ausbruch auf der Insel ist groß. Am Dienstag waren 35 Menschen im Camp positiv getestet, seit dem Brand und dem darauffolgenden Chaos konnten bisher nur acht von ihnen ausfindig gemacht werden. Athen will nun im Großformat testen – 19.000 Tests seien bereits auf die Insel gebracht worden, sagte Regierungssprecher Stelios Petsas gestern.

Die Situation ist seit fünf Jahren unverändert

IRC-Mitarbeiterin Martha Rousseau kann auch die Wut der Inselbewohner verstehen

Doch auch mit dieser Maßnahme wird es der Regierung kaum gelingen, die Ängste, Sorgen und Kritik der Inselbewohner zu beruhigen und die zunehmenden Aggressionen abzustellen. „Einwohner blockieren die Straße und halten uns davon ab, zu unserer medizinischen Einrichtung und zu jenen zu gelangen, die noch im zerstörten Camp sind!“, tweetete etwa die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen gestern.

Der Brand von Moria hat die Gegenwehr der Inselbewohner noch weiter geschürt. Der Staatssender ERT berichtete gestern von mehreren Straßenblockaden durch aufgebrachte Bürger. Selbst weit im Westen der Insel gehen die Menschen auf die Barrikaden, nämlich im Ort Sigri: Dort hat gestern die Fähre „Blue Star Chios“ angelegt, um rund 1.000 besonders gefährdete Migranten aufzunehmen. Bewohner des Ortes errichteten Barrikaden, um die Ankunft der Menschen zu verhindern.

Flüchtlinge und Einwohner wollen dasselbe

Martha Roussou kann das – bedingt – verstehen: „Die Situation ist seit fünf Jahren unverändert“, sagt sie. Bezeichnenderweise wollten Flüchtlinge und Einwohner dasselbe, nämlich, dass die Migranten die Insel verlassen. Geeint sind sie zudem gemeinsam mit den Helfern in der Fassungslosigkeit über das Unvermögen der EU, für die Flüchtlingsfrage eine wirkliche Lösung zu finden. Der Flüchtlingspakt zwischen der EU und der Türkei gleicht ihrer Ansicht nach einem Aspirin bei schwerer Migräne; die Griechen scheiterten lange daran, die vielen Anträge der Migranten zu bearbeiten, die Türkei droht immer wieder damit, ihre Grenzen für Flüchtlinge zu öffnen. Mittlerweile nimmt Ankara mit der Begründung „Corona“ überhaupt keine illegal nach Griechenland eingereisten Migranten mehr zurück, obwohl der Pakt das vorsieht.

Was eine europäische Lösung betreffe, sei man zwischen zwei populistischen Denkweisen gefangen, bilanzierte der stellvertretende Migrationsminister Giorgos Koumoutsakos gestern: Europaweit werde rechts der Mitte gefordert, die Menschen quasi zurück ins Meer zu drängen, auf der politisch Linken dafür plädiert, sie alle aufzunehmen – was beides nicht ginge. Zudem gebe es die Solidarität Europas immer nur bei großen Krisen wie jetzt dem Brand. Er wünsche sich, dass es gerade auch in ruhigeren Zeiten Unterstützung gebe, etwa um die Inseln zu entlasten.

Dass einige der Moria-Bewohner die Brände selbst gelegt haben, steht derweil für die griechische Regierung fest. „Sie haben es gemacht, weil sie glaubten, wenn Moria brennt, könnten alle die Insel verlassen“, sagte Regierungssprecher Petsas gestern und versicherte, das werde trotzdem nicht geschehen. Denn was wäre die Folge? Griechenland hat nicht nur Moria, sondern auch Lager auf den Inseln Chios und Samos und auf dem Festland. „Muss erst jedes Lager brennen, damit von Europa geholfen wird?“, fragen sich viele. Entsprechend kritisch werden auch die aktuellen Hilfs- und Aufnahmeangebote anderer EU-Staaten nach dem Brand von Moria gesehen – als Tropfen auf den heißen Stein.

Roussou vom IRC sagt: „Es ist schön, dass jetzt nach dem Brand endlich 400 unbegleitete Minderjährige von Lesbos aufs Festland geholt werden und von anderen europäischen Staaten aufgenommen werden sollen. Allerdings gibt es auf den anderen Inseln weitere 400 solcher Fälle.“ (dpa)

Merkel und Macron planen Übernahme von 400 Minderjährigen – Luxemburg wird helfen

Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Emmanuel Macron wollen nach den Bränden im griechischen Flüchtlingslager Moria in einer gemeinsamen Aktion mit anderen EU-Ländern 400 unbegleitete Minderjährige übernehmen. Die Zahl sollte nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vom Donnerstag für alle teilnehmenden Länder gelten.
Nach diesen Informationen wird derzeit mit weiteren Ländern über eine Teilnahme an der Aktion verhandelt. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hat bereits klargestellt, dass Luxemburg diese Aktion unterstützen wird, so wie das in der Vergangenheit immer der Fall war. Griechenland selbst bitte demnach nicht ausdrücklich um die Übernahme weiterer Personen, hieß es weiter. In Athen werde befürchtet, dass ansonsten Sabotage auch in anderen Flüchtlingslagern angereizt werden könne.

J.Scholer
11. September 2020 - 8.51

Schnell hebt man den Fingerzeig , klagt mangelnde Solidarität und Humanität an. Die Realität scheint doch komplexere Probleme in sich zu bahnen als die Vorstellung der Flüchtlinge mal schnell in die Länder wo Milch und Honig fließt, die der Fluchthelfer, der Flüchtlingsretter, die reiche EU Länder schöpfen mal schnell aus ihren Geldbeutel , stampfen adäquaten Wohnraum für die Ankommenden aus dem Boden. Wer in Europa lebt , müsste wissen wie mühsam und lange es dauert über die Instanzenwege weg , Projekte wie Krankenhäuser, Altenheime.... bis zum Wohnraum durchzuboxen. Nicht nur der Wohnraum für die Einheimischen schon rar und teuer ist , wird mit einer Selbstverständlichkeit seitens der Flüchtlingshelfer mangelnde Solidarität angeführt. Es liegt mir fern den Flüchtlingen nicht zu helfen, aber zu glauben als würde in Europa Aladin an der Wunderlampe reiben , im Nu Wohnraum, Arbeitsplätze, Einkommen zu schaffen sein , gehört eher in den Bereich der Utopie. Hinzu kommt die Flüchtlinge nicht dazu herangeführt werden in Eigenregie und Eigenverantwortung zu handeln, Probleme wie Sauberkeit, Ordnung, Bildung zu organisieren. Eben diese Eigenverantwortung scheint in Moria ein Flop gewesen zusein. Verantwortung ist auch , wenn im Gastland eine Seuche grassiert, sich den Bestimmungen bei Infizierung der Quarantäne zu unterwerfen und nicht den Aufstand mit Gewalt durchzuführen , eben ich mich nicht den Regelungen , Anordnungen unterwerfen will. Eigenverantwortung übernehmen ist Menschenwürde .Hier liegt das Hauptproblem in den Flüchtlingslagern,-Unterkünften.Wer sich abhängig macht von allen Abläufen des Tages , wird phlegmatisch, stumpft ab.