Dienstag11. November 2025

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Forum von Franz FayotGame-Changer – Was die Wahl von Zohran K. Mamdani für SozialistInnen bedeutet

Forum von Franz Fayot / Game-Changer – Was die Wahl von Zohran K. Mamdani für SozialistInnen bedeutet
 Foto: Getty Images via AFP

Bernie Sanders: „(…) you are inspiring the entire world. How do you feel about that?“

Zohran Mamdani: „A little pressure.“

Bernie Sanders: „There’s truth to it. There’s a reason why the whole bloody world is watching this election.“

Es gibt in der Tat einen Grund, warum die Bürgermeisterwahl in New York die ganze Welt fasziniert hat. Hier hat ein 34-jähriger Mann, geboren in Uganda, Sohn eines renommierten Akademikers und einer Oskar-nominierten Filmemacherin, im Alter von sieben Jahren nach New York gezogen, gerade einen Bilderbuch-Wahlkampf dargelegt. Er ist vom politischen Nobody, bei 1% Bekanntheitsgrad in den Umfragen vor einem Jahr, zum demokratischen Kandidaten vorgerückt, der das Urgestein Andrew Cuomo in den demokratischen Vorwahlen mit großem Abstand geschlagen hat. Am 4. November 2025 wurde er klar zum neuen Bürgermeister der größten Stadt Amerikas, New York, gewählt.

Bemerkenswert ist, dass er die Wahl als bekennender und sogar stolzer demokratischer Sozialist gewann, wider die Unkenrufe der Republikaner um Trump und deren finanziellen Unterstützern.

If you can make it here, you can make it anywhere

Für Sozialisten bedeutet diese Wahl: „If you can make it here, you can make it anywhere“, wie Frank Sinatra über New York sang. New York, zugleich die Hauptstadt des Kapitalismus, aber auch die Stadt mit der weltweit größten Diversität und Urbanität, und die Stadt der Immigration schlechthin.

Zohran Mamdani hat eine Hoffnung erweckt, die es seit Obama auf der Linken nicht mehr gegeben hat. Aber anders als Obama hat Mamdani klare und politisch radikale Ansagen gemacht: eine Mietbremse auf den vielen öffentlichen Wohnungen der Stadt, gratis und schneller öffentlicher Transport, kostenlose Kinderbetreuung, kommunale Läden mit bezahlbaren Waren, das Ganze finanziert durch eine Mehrbesteuerung der Millionäre in New York. Nach seiner Wahl gab es von ihm bisher keinerlei Rückwärtsbewegung, im Gegenteil: Er bekräftigte, dass der Job erst jetzt beginnt, und mit einem Übergangsteam, das alleine aus Frauen besteht, wurde die Botschaft der Diversität sofort noch einmal unterstrichen.

Mit seinem Wahlkampf, der alleine auf Bezahlbarkeit des Lebens aufgebaut war, hat Mamdani in New York den Nerv der Zeit getroffen: Wie überall auf der Welt, leiden auch hier, in der Heimat der Wall Street, Menschen unter extremen Ungleichheiten und den perversen Folgen des finanziellen Kapitalismus. Die größten Leidtragenden dieser Ungleichheiten sind Menschen mit Migrationshintergrund. Leute wie Mamdani, dessen Name von seinen Gegnern absichtlich und wiederholt falsch ausgesprochen wurde, Menschen, die im Alltag Diskriminierungen ausgesetzt sind.

Wo Bernie Sanders recht hat: Die Resonanz dieses Sieges liegt darin, dass die Lehren dieser Wahl universell übersetzbar sind. Mamdani hat gezeigt, dass wenn man als Sozialist glaubhaft – er wohnt selber in einer kommunalen Wohnung mit Mietbremse und bewegt sich im öffentlichen Transport durch die Stadt, besticht durch Offenheit, Anstand und Freundlichkeit, aber immer auch großem Selbstbewusstsein – eine Agenda vertritt, die auf die Kernsorgen der Menschen eingeht, Wahlen gewinnen kann.

Eine wertvolle Lektion für alle sozialistischen und sozial-demokratischen Parteien, sich auf das Wichtigste zu besinnen und sich nicht in Kulturkämpfen und Nebenschauplätzen zu verlieren: Dies ist nämlich genau dort, wo die Rechten uns hinwollen. Im Gegenteil sollte das Hauptaugenmerk für SozialistInnen auf der Absicherung eines würdevollen Lebens, dem Recht auf ein Dach über dem Kopf, einer guten Bildung, dem Zugang zur Kultur und einer gesunden Umwelt liegen. Auch und gerade wenn dies bedeutet, in die Wirtschaft einzugreifen.

Hyperventilierende Rechte und Millionäre

Wie es Mamdanis bemerkenswerter Wahlkampf jedoch zeigt, sind diese Ziele hart umkämpft, weil im krassen Gegensatz zu den Absichten der MAGA-Leute und der Milliardäre, welche in Amerika und weltweit immer offener die faschistische Trump-Agenda unterstützen: Der Gegner von Mamdani, Andrew Cuomo, wurde mit vielen Millionen Dollar von Estée Lauder, AirBnB, Bill Ackman und anderen Milliardären bezuschusst.

In einem Land, wo Geld Wahlen kaufen kann, wo die Dollars der Milliardäre wie den Kochs oder Mercers über Jahre hinaus die politische Agenda ganz nach rechts gerückt haben, wo ultra-rechte Techoligarchen wie Peter Thiel, Elon Musk und Mark Andreessen Trump, Vance und MAGA-Kandidaten mit hunderten Millionen beschenkten, hat es diesmal nicht dazu gereicht, den Sozialisten Mamdani zu verhindern.

Diese Wahl ist somit auch eine Kampfansage an und ein direkter Stoß ins Herz der reaktionären Kräfte, welche mit zusehends autoritären Methoden versuchen, den finanziellen Kapitalismus samt seiner desaströsen Konsequenzen als nicht verhandelbar zu sanktuarisien und außerhalb der demokratischen Debatte zu wähnen.

Franz Fayot ist LSAP-Abgeordneter und ehemaliger Wirtschaftsminister
Franz Fayot ist LSAP-Abgeordneter und ehemaliger Wirtschaftsminister Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Dies zeigt sich ganz klar an den hysterischen, fast schon lachhaften Reaktionen im rechten Lager: Mamdani sei ein gefährlicher Kommunist, ein Marxist, der zuerst New York, dann Amerika in den Ruin treiben würde. Mamdani sei ein radikaler Muslim und übler Anti-Semit, wegen seiner pro-palästinensischen Ansichten und seiner Kritik an Israels Kolonialpolitik in den illegal besetzten Gebieten. Letzterer Vorwurf ist umso perfider, da Mamdani immer bekräftigt hat, sich gegen jegliche Form von Antisemitismus einsetzen zu wollen und die Unterstützung vieler jüdischer Vereinigungen in New York bekam.  

Wie kraftvoll auch bei uns in Europa die Botschaft dieser Wahl ist, zeigt sich in Attacken von ganz rechts bis hin zu Pseudo-Linken wie beispielsweise dem Bling-Bling-Philosophen Bernard-Henri Lévy in Frankreich. Wie es Edwy Plenel richtig in einem Post auf X beschrieben hat: „En France aussi, la peur du grand méchant Mamdani: assumant leur panique islamophobe et leur conservatisme social, les porte-voix d’une gauche prétendument ,laïque et républicaine‘ reprennent tous les clichés d’extrême droite.“

Zohran Mamdanis erfolgreicher Wahlkampf ist ein wichtiger Weckruf für den demokratischen Sozialismus: Wer glaubhaft und entschieden für die Interessen der arbeitenden Menschen und deren Recht auf ein würdevolles, gutes Leben eintritt, gegen die Partikularinteressen der Vermögenden, der gewinnt Wahlen. In New York, und auch anderswo.