Einen Tag nach dem durchnässten Papstbesuch muss man den Regenguss, der am Freitagmittag auf die vor dem luxemburgischen Parlament demonstrierenden Mitarbeiter der Caritas niederprasselt, nicht als Zeichen des Himmels interpretieren. Wohl aber ganz weltlich als sehr treffende Metapher für die Situation, in der die rund 350 Mitarbeiter der Organisation in diesen Tagen stecken. Die Mitarbeiter der Caritas, sie wurden im Regen stehen gelassen.
„Wir protestieren gegen den Mangel an Respekt, der den Mitarbeitern der Caritas entgegengebracht wurde, und gegen den Mangel an Transparenz, mit dem Krisenkomitee und HUT agieren“, ruft Smail Suljic, Zentralsekretär des OGBL für Gesundheit und Soziales, gegen den auf den roten Gewerkschaftspavillon trommelnden Regen an. „Aber vor allem denken wir an diejenigen Caritas-Mitarbeiter, die kein Angebot bekommen haben, Teil der neuen Organisation HUT zu werden.“ Es sei eine politische Entscheidung gewesen, die Abteilungen der Caritas International und des „Plaidoyer politique“ nicht zu übernehmen, so Suljic. „Oder wollte die Regierung uns etwa sagen, dass Luxemburg dafür kein Geld hat? Vielleicht war die ,Plaidoyer‘ ein bisschen zu kritisch für ihren Geschmack?“

Trotz der widrigen Wetterumstände sind viele Caritas-Mitarbeiter zum vom OGBL initiierten Protest erschienen. Der Krautmarkt ist ein Meer aus Regenschirmen, auf dem Vorplatz der Chamber ist kein Durchkommen mehr. Unter die Protestierenden haben sich auch einige Abgeordnete gemischt. Neben LSAP, „déi Lénk“ und „déi gréng“ ist auch die CSV vertreten. Mehrere Caritas-Mitarbeiter tragen Protestschilder in Form von kleinen Sargdeckeln, auf denen steht: „Caritas R.I.P. 1932-2024“. Vertreter der internationalen Abteilung der Caritas, für die es zurzeit weder einen Sozialplan noch eine berufliche Zukunft bei HUT gibt, haben trotz des strömenden Regens ein großes Pappplakat ausgeklappt, auf dem sie die „vraies victimes“, die wahren Opfer des Skandals, beklagen: die vielen Caritas-Kräfte vor Ort in Ländern wie dem Südsudan, Burkina Faso, Laos oder Moldawien, die nun ohne Job und ohne Geld dastehen.
Mitarbeiter haben bereits unterzeichnet
Am kommenden Dienstag, 1. Oktober, soll die Caritas-Nachfolgestruktur „HUT – Hëllef um Terrain“ ihre Arbeit aufnehmen. Die Noch-Mitarbeiter der Caritas seien unter Druck gesetzt, ihren alten Arbeitsvertrag aufzulösen und einen neuen Vertrag bei HUT zu unterschreiben, sagt Suljic. Das gehe nicht mit rechten Dingen zu. Suljic hält ein dickes Buch hoch, den „Code du travail“: „Das hier ist zwar keine Bibel, aber es stehen Gesetze drin, an die sich ausnahmslos jeder Arbeitgeber und jeder Arbeitnehmer in Luxemburg halten muss.“ Der OGBL setzt sich weiterhin für einen „transfert d’entreprise“ ein, der die Übernahme der Caritas-Mitarbeiter in die neue Struktur HUT regeln könnte. Letztere lehnt eine Betriebsübernahme wegen der Schulden der Caritas ab. „Die 60 Millionen sind keine Entschuldigung dafür, das Arbeitsgesetz auszuhebeln“, sagt Suljic. Die Gewerkschaft fordert eine transparente und legale Transition – mit Garantien. „Garantien, die wir im Moment noch immer nicht haben“, so Suljic. Dazu gehören das Dienstalter, aber auch das Recht auf eine Vertretung durch eine Delegation.

Das sieht auch CSV-Politiker Marc Spautz so: „Der ,transfert d’entreprise‘ ist über das Arbeitsrecht geregelt und das hätte angewandt werden müssen, dann wäre die Diskussion überhaupt nicht aufgekommen“, sagt der Fraktionspräsident der Christsozialen am Rande der Demonstration im Gespräch mit dem Tageblatt. „Ich höre links und rechts Argumente, aber die sind für mich nicht stichhaltig, die entsprechen nicht dem, was im Arbeitsgesetz steht.“
„Jeder Tag, an dem die Regierung nicht reagiert und das mit sich machen lässt, ist ein Tag, der zeigt, dass sie der Situation nicht gewachsen ist“, sagt die Grünen-Abgeordnete Djuna Bernard gegenüber dem Tageblatt. Auch sie kritisiert die intransparente Kommunikation von Krisenkomitee und HUT, die die Personaldelegationen der Caritas auseinanderdividiert und die Mitarbeiter verunsichert hätte.
Es gibt Caritas-Mitarbeiter, die den neuen Vertrag mit HUT bereits unterzeichnet haben. „Das kann ich menschlich sehr gut verstehen“, sagt Spautz, schließlich gehe es um Existenzen. Auch Smail Suljic sieht darin kein Zeichen für bröckelnde Solidarität. „Die Leute haben das Recht, einen Vertrag zu unterschreiben, und wir sagen ihnen auch, dass wir sie im Nachhinein weiter unterstützen, falls der Vertrag nicht das ist, was er hätte sein sollen“, sagte der OGBL-Zentralsekretär am Morgen im Interview mit Radio 100,7.
Sollte es nicht doch noch zu einem „transfert d’entreprise“ kommen, geht Marc Spautz davon aus, dass die Entscheidung angefochten werden wird. Dann müsse auch die Gewerbeinspektion „Farbe bekennen“, die für die Einhaltung des Arbeitsrechts in Luxemburg zuständig ist. Ansonsten könnte die Causa Caritas/HUT zu einem Präzedenzfall für andere Unternehmen werden, das Arbeitsrecht in dieser Weise zu brechen.
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