Mittwoch22. Oktober 2025

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GroßbritannienFrom Russia with Love: Tägliche Angriffe im Cyberspace und Russlands bösartige Absichten

Großbritannien / From Russia with Love: Tägliche Angriffe im Cyberspace und Russlands bösartige Absichten
Marcus Willett war als Vizechef bei GCHQ für Cyber-Einsätze seines Geheimdienstes verantwortlich Foto: IISS

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Der britischen Regierung zufolge sind feindselige Angriffe im Cyberspace für die Insel „tägliche Realität“, Russland gehöre zu den Hauptaggressoren. Im „neuen Rüstungswettlauf“ um die Anwendung von künstlicher Intelligenz (KI) müssten Großbritannien und seine Verbündeten stärker investieren und die Anstrengungen koordinieren, sagte Kabinettsbürominister Pat McFadden am Montag auf einer Fachkonferenz der NATO in London.

Russlands Präsident Wladimir Putin sei dazu bereit und in der Lage, durch Cyberattacken „Millionen von Menschen den Strom abzuschalten“. Durch dauernde Drohungen solle der Westen an seiner Unterstützung für die Ukraine gehindert werden. „Das wird ihm nicht gelingen.“

McFadden ist ein enger Vertrauter von Premier Keir Starmer und im britischen Kabinettsbüro in der Downing Street für die Cyber-Sicherheit zuständig. Um die Belastbarkeit des Landes gegen Angriffe auf die öffentliche Infrastruktur im virtuellen Raum zu verstärken, schafft das Königreich mit zunächst umgerechnet 9,6 Millionen Euro ein neues KI-Labor. Es soll die Anstrengungen des in London angesiedelten nationalen Cybersicherheitszentrums (NCSC) unterstützen.

Unter Fachleuten auf der Insel besteht wenig Zweifel an Russlands bösartigen Absichten. Der russische Präsident Wladimir Putin sei „erfahren darin, uns auf die Probe zu stellen“, analysierte der Cyber-Experte David Omand, einst Chef der regierungsamtlichen Lauschzentrale GCHQ, im BBC-Radio. Dabei arbeiten laut McFadden Militäreinheiten wie Unit 29155 lose zusammen mit Gruppen krimineller Computerhacker, sogenannten Hacktivists. Diesen gewähre der Kreml freie Hand, „so lange sie nicht gegen Putins Interessen handeln“.

Wegen Spionage führt man keinen Krieg, aber das Abschalten eines ganzen Stromnetzes kann durchaus eine militärische Antwort nach sich ziehen

Marcus Willett, Experte für Cybereinsätze

Omands früherer Kollege Marcus Willett amtierte zuletzt als Vizechef bei GCHQ und war für sämtliche Cyber-Einsätze seines Geheimdienstes verantwortlich. Mittlerweile arbeitet er beim Londoner Strategieinstitut IISS. Sei zu Beginn des Jahrhunderts noch gern zwischen der Internet-Ökonomie und der Realwirtschaft unterschieden worden, so seien die beiden Sphären mittlerweile längst „untrennbar verbunden“, argumentiert Willett, Autor eines neuen Adelphi-Buches über die verantwortungsvolle Handhabung von Cyber-Einsätzen („Cyber operations and their responsible use“). Von der Stabilität und Sicherheit im Cyberspace hänge in immer stärkerem Maße nicht nur die Volkswirtschaft, sondern auch die nationale Sicherheit und Verteidigung sowie der globale Einfluss von Nationalstaaten ab.

Wie aber definieren sich feindselige Cyber-Einsätze? Davon wissen gerade britische Institutionen aus jüngster Zeit ein Lied zu singen. Im vergangenen Jahr legte ein erpresserischer Angriff von Kriminellen monatelang die British Library lahm. Auch andere Bildungseinrichtungen, beispielsweise das Londoner Birkbeck College, wurden von Erpressern attackiert. Erst vergangenen Monat rühmte sich die prorussische Hackergang NoName057(16) damit, man habe die Netzwerke großer Kommunalverbände wie Salford, Trafford und Tameside im Großraum der nordenglischen Metropole Manchester zum Zusammenbruch gebracht.

Ausspähung oder kriegerischer Cybereinsatz

Für ebenso wichtig wie die zerstörerische Gewalt solcher Angriffe halten Fachleute Cyber-Einsätze bei der systematischen Verunsicherung und Irreführung ganzer Gesellschaften im Informationskrieg. Sie sprechen dabei von „cyber-basierten Informationsoperationen“. Ausdrücklich unterscheidet der Ex-Spion Willett zudem zwischen kriegerischen Cyber-Einsätzen und der alltäglichen Ausspähung potenzieller Gegner: „Wegen Spionage führt man keinen Krieg, aber das Abschalten eines ganzen Stromnetzes kann durchaus eine militärische Antwort nach sich ziehen.“

Willetts Buch enthält auch gute Nachrichten. 90 Prozent aller Cyberattacken gegen Staaten ebenso wie Privatfirmen könnten durch Vorsichtsmaßnahmen abgewehrt werden, glaubt der Experte. Für die restlichen zehn Prozent müssten die Betroffenen Pläne zur raschen Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit aufstellen. Die Ukraine habe demonstriert, wie sich die Belastbarkeit komplexer Systeme verbessern lässt: „Da dauert es eben nicht Tage oder gar Wochen, sondern nur wenige Stunden, bis nach einer Cyberattacke die Stromversorgung wieder in Gang kommt.“

Entsprechend der Expertenmeinung sollen die düsteren Warnungen von Minister McFadden dem erklärten Wunsch der Regierung zufolge auch dazu dienen, Privatfirmen zu größeren Investitionen in moderne IT zu bewegen.