18. November 2025 - 6.46 Uhr
SüdosteuropaFremdenfeindliche Parolen und Attacken: Minderheiten geraten unter Druck
Das Gastspiel im Nachbarland endete mit einer überstürzten Flucht. Erwartungsfroh hatte sich eine Schüler-Folkloregruppe aus dem serbischen Novi Sad ins 780 Kilometer entfernte Split aufgemacht, um in einem kommunalen Viertel-Zentrum der kroatischen Küstenmetropole bei den „Tagen der serbischen Kultur“ aufzutreten. Doch schon vor ihrem Auftritt wurde der vor allem von Angehörigen von Kroatiens serbischer Minderheit besuchte Kulturabend von 50 überwiegend maskierten Jugendlichen in schwarzen T-Shirts unterbrochen.
„Für die Heimat bereit“, skandierten die Neonazis aus der Hooliganszene von Hajduk Split mit erhobenen rechten Händen den Gruß der faschistischen Ustascha, nachdem sie die als „serbischen Müll“ beschimpften Anwesenden zum Verlassen des Saals gezwungen hatten. Ihre Begründung: Im Monat der „Pietät“ für die Opfer des Falls von Vukovar zu Beginn des Kroatienkriegs (1991-1995) könne eine derartige Veranstaltung „nicht erlaubt“ werden.
Schwarz gekleidet waren auch im benachbarten Montenegro Hunderte von Demonstranten, die Ende Oktober mit „Türken raus“- oder „Tötet die Türken“-Rufen in Podgorica zum Regierungspalast zogen. Der Anlass für die anti-türkischen Ausschreitungen: In einem Nachtclub war ein 25-Jähriger von einem Türken und drei Aserbaidschanern niedergestochen worden.
Von „Lynch-Stimmung“ berichteten hernach Augenzeugen auch aus anderen Städten des Küstenstaats. Nicht nur in Podgorica, sondern auch in Bar und Herceg Novi gingen türkische Lokale und Imbissbuden sowie ein Auto mit türkischem Kennzeichen in Flammen auf.
Rassistische, gegen die Minderheit der Roma gerichtete Hassparolen wie „Zigeuner an den Galgen!“ erschallten Ende Oktober auch im slowenischen Ljubljana. „Stoppt die Zigeuner-Gewalt an den Slowenen“, lautete die Aufschrift des Banners, das schwarz gekleidete Demonstranten durch die Straßen der Hauptstadt trugen. Der Grund für ihren Zorn: In der Provinzstadt Novo Mesto war zuvor ein Vater, der seinem Sohn zur Hilfe kommen wollte, von einem polizeibekannten Roma-Jugendlichen zu Tode geprügelt worden.
Nationalistische Welle
Eilig hat Sloweniens linksliberale Koalition ein Gesetzespaket verabschiedet, das nicht nur die Drohnenüberwachung von Roma-Siedlungen, sondern auch Armee- und Polizeipatrouillen sowie Razzien auch ohne richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl erlaubt, um dort den angeblichen Einfluss der „organisierten Kriminalität aus dem Westbalkan“ einzudämmen.
Die Gesetze hätten „nicht den Kampf gegen die Roma, sondern gegen die Kriminalität zum Ziel“, beteuert Premier Robert Golob. Wie Ljubljana scheint auch Montenegros Regierung eher auf der nationalistischen Welle der Unverträglichkeit mitzuschwimmen, als diese zu mäßigen: So hat Podgorica nun wieder die Visumpflicht für türkische Staatsbürger eingeführt.
In Kroatien wiederum ist das Erstarken von nationalistisch verbrämter Fremdenfeindlichkeit gegenüber den Minderheiten, aber auch den asiatischen Arbeitsimmigranten eine Folge des gesellschaftlichen Rechtsrucks – und der Politik. Denn die Ausblendung der im Namen der eigenen Nation begangenen Kriegsverbrechen im Kroatienkrieg, aber auch die ausgebliebene Aufarbeitung und systematische Verharmlosung der Untaten der Ustascha im Zweiten Weltkrieg werden nicht nur in rechtsextremen und von rechtsklerikalen Kreisen, sondern auch in den Regierungsreihen systematisch gepflegt.
Nicht weniger als vier Minister der rechtsnationalen Koalition pilgerten im Sommer zum Zagreber Mammutkonzert des Ustascha-Barden Marko Perkovic „Thompson“: Verteidigungsminister Ivan Anusic grölte dort selbst den von Thompson zelebrierten Ustascha-Gruß eifrig mit, mit dem nun in Split die serbischen Schüler aus Kroatien vertrieben wurden. Er verurteile den „ernsthaften“ Vorfall „aufs Schärfste“, beteuert der Würdenträger. Einen Zusammenhang mit seinem Konzertbesuch sieht er nicht: „Ich war bei Thompson und habe dort seine Lieder gesungen. Wo ist da das Problem?“
De Maart
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