Mittwoch5. November 2025

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Budget 2025Fortschritt durch Technik: Corinne Cahen stellt Bericht in der Chamber vor

Budget 2025 / Fortschritt durch Technik: Corinne Cahen stellt Bericht in der Chamber vor
Berichterstatterin Corinne Cahen zwischen Premierminister Luc Frieden und der Grünen-Abgeordneten Sam Tanson Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Die wohl letzte politische Hürde vor Weihnachten: In dieser Woche stimmt das Parlament über den Haushaltsentwurf von Finanzminister Gilles Roth (CSV) ab. Den Auftakt macht am Dienstag Berichterstatterin Corinne Cahen (DP) – und beschwört in ihrer Rede Technoutopismus.

Das Budget lag noch gar nicht vor, geschweige denn der Bericht dazu, da hatte sich Corinne Cahen (DP) schon die Rede dazu von einer KI schreiben lassen. Im Juli war das, kurz nach ihrer Ernennung zur Berichterstatterin zum diesjährigen Haushaltsentwurf. Dass es am Ende doch nicht diese Rede geworden ist, die die DP-Politikerin am Dienstagnachmittag zum Auftakt der Budgetwoche im Parlament hält, liegt wohl auch an den inhaltlichen Fehlern, die ChatGPT dabei gemacht hat. Es zeigt sich darin aber auch einer der zentralen Punkte, die Cahen an diesem Nachmittag machen will: Künstliche Intelligenz ist das, was wir daraus machen. KI ist nicht nur Buzzword der Stunde, sondern auch Schwerpunkt des Budgetberichts von Corinne Cahen.

Zum Beginn ihrer Rede beschwört die DP-Politikerin den Umbruch: „Die Welt ist düster geworden.“ Pandemie, Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die Globalisierung geht zurück, die Extremisten blühen auf. Und Luxemburgs Nachbarländer ohne stabile Regierungen. Einerseits. Aber: „Wir leben auch in einer Zeit, in der es den Menschen so gut geht wie noch nie zuvor.“ Die Alphabetisierungsrate so hoch wie nie, Kindersterblichkeit auf Rekordtief, verschiedene Krankheiten quasi ausradiert. Eine Zeit der Krisen, aber auch eine Zeit der Zuversicht. Aufgrund galoppierenden technologischen Fortschritts, der in den letzten beiden Jahrzehnten vor allem in einer digitalen Transformation bestand. Nicht wenige Experten vergleichen Künstliche Intelligenz in ihrem Erschütterungspotenzial mit der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts. KI nährt Hoffnung und Ängste. Cahen sieht diese beiden Seiten der technischen Medaille. Bei ihr aber überwiegt der Optimismus, wie sie im Tageblatt-Interview (siehe Ausgabe von gestern) verriet.

Mit der Speerspitze in die Nischen

Cahens zentrale These ist dabei: KI kann uns helfen, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern. Kulturwissenschaftler nennen das Technoutopismus: der Glaube, dass technischer und wissenschaftlicher Fortschritt eine Utopie herbeiführen wird – oder zumindest dazu beitragen kann, das eine oder andere utopische Ideal zu verwirklichen. Klimawandel? Kriegen wir durch Technik in den Griff. Selbst die beiden alten Menschheitsgeißeln Tod und Krankheit verlieren an Schrecken. Dass wir alle mit Hilfe von KI und neuen Technologien älter werden, gesünder bleiben können, glaubt man mittlerweile nicht mehr nur im Silicon Valley. Und Douglas Adams’ Babelfisch, der ist sowieso schon fast Realität.

Kennzahlen des Staatshaushalts 2025

Geplante Ausgaben: 30,9 Milliarden Euro
Geplante Einnahmen: 29,6 Milliarden Euro
Schuldenquote: 27,5 Prozent des BIP

KI gehe deshalb alle etwas an, sagt Cahen. Künstliche Intelligenz ziehe sich durch das gesamte Budget. „Alle Ministerien werden in Zukunft damit konfrontiert, alle Menschen werden in Zukunft damit konfrontiert.“ Luxemburg dürfe diese Entwicklung nicht verpassen. Das Großherzogtum, das immer auf Nischen gesetzt hat, auf Qualität statt Quantität, müsse „mithalten, mitentscheiden, mitinvestieren“, sagt Cahen. Speerspitze des Fortschritts sein, „first mover“. Anfangen, so die ehemalige Familienministerin, könnte man im Gesundheitsbereich. „Weil wir dort alle relativ schnell davon profitieren können.“ In ihrer Rede nennt sie als Beispiel das Projekt Clinnova am Luxembourg Institute of Health (LIH), eine Initiative von Forschern aus Luxemburg, Frankreich, Deutschland und der Schweiz, die sich mit KI-gesteuerter Präzisionsmedizin beschäftigen, genauer: der Standardisierung von Daten und der Interoperabilität. Luxemburg solle der Eingang zum European Health Data Space (EHDS) werden, so Cahen. „Das kostet nicht viel, würde uns aber viel bringen.“

KI-Innovationen könnten nicht nur gut für die Menschen in Luxemburg sein, sondern auch für die Wirtschaft. Der globale Markt für KI-Systeme im Gesundheitsbereich werde 2032 ein Volumen von 500 Milliarden Dollar erreichen, schreibt der Spiegel. „Da muss Luxemburg dabei sein“, sagt Cahen. Der Anfang ist bereits getan. Luxemburg wurde ausgesucht als einer von sieben Standorten für die ersten „AI Factories“ in der EU. Für Cahen liegt darin eine große Chance: „Wir können ein Vorreiter werden, was KI angeht.“ Die „KI-Fabrik“ werde die Wettbewerbsfähigkeit, die Resilienz und die Souveränität Luxemburgs stärken. Ohne Europa geht es natürlich auch in diesem Bereich nicht. Schließlich muss man mit Konkurrenten wie den USA und China mithalten. Es sei schwer, in Europa große Investitionen zu finden, sagt Cahen, und fordert deshalb eine Kapitalmarktunion.

Erdobservationsflotte unter luxemburgischer Führung

Fortschritt und Wohlstand durch Technik. Berichterstatterin Cahen zeichnet in düsteren Zeiten ein positives Bild. Und manchmal schießt sie wenig über das Ziel hinaus: Generative KI-Systeme wie ChatGPT von OpenAI oder Googles Gemini hätten sich „demokratisiert“, für Jedermann zugänglich. Letzteres mag richtig sein, aber bei Technologien, die in den Händen weniger Firmen (eben OpenAI, Google oder Microsoft) liegen und die ganz und gar nicht „open source“ sind, von „demokratisiert“ zu sprechen, geht dann doch zu weit. Naivität gegenüber den Risiken von KI kann man Cahen bei allem Technoutopismus aber keineswegs vorwerfen. Sie weiß um die Umbrüche, die kommen werden. Arbeitsplätze werden verschwinden, sagt sie, deshalb müsse die Regierung in „Upskilling“ und „Reskilling“ investieren, permanente Weiterbildung für alle.

Cahen spricht das Problem der Datensouveränität an. Auch hier müsse die Regierung massiv investieren, so die Berichterstatterin, damit luxemburgische Daten nicht nur auf amerikanischen Servern gelagert würden. Das Budget sehe dafür im kommenden Jahr 29,4 Millionen vor, ebenso wie knapp vier Millionen an den luxemburgischen Internet-Exchange-Point LU-CIX. „Damit die Daten, die uns gehören, nicht in fremde Hände kommen“, sagt Cahen. Ein Nachteil der Souveränität lässt die DP-Politikerin dabei nicht aus: Mehr eigene Server bedeuten auch höhere Energiekosten. In diesem Bereich sei Luxemburg in jüngster Zeit weniger attraktiv geworden, so Cahen. Die Datenzentren profitieren nicht mehr von den Energiepreisen für die Industrie.

Eine andere Industrie, die wegen rasant gestiegener Investitionen im Fokus dieser Budgetwoche steht, ist die Verteidigungsindustrie. Hier müsse „Dual Use“ das „Hauptstichwort“ sein, sagt Cahen. Luxemburg sei bereits Vorreiter in Satellitentechnik. Dort bekomme Erd- und Space-Observation eine immer größere Bedeutung. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig. Es geht um Weltraumschrott, andere Satelliten, aber auch um Truppenmanöver auf der Erde, um Verkehrsflüsse, um die Kontrolle von Autos, Flugzeugen, Schiffen und der Natur. Luxemburg könnte die Führung übernehmen in einer globalen Erdobservationsflotte, schlägt Cahen in ihrer Rede vor. Dabei geht es nicht allein um militärische Zwecke. Mithilfe von Satellitenbildern könne KI auch Naturkatastrophen antizipieren und Menschenleben retten, so Cahen. 

KI ist die Brille, durch die Corinne Cahen an diesem Tag auf den Haushalt blickt. Auch die Wohnungsbaukrise fädelt sie in ihre Rede ein – und zwar als Faktor bei der Talentrekrutierung für die Branche. Gegen Ende listet sie Empfehlungen an die Regierung auf, um den KI-Zug nicht zu verpassen. Sie reichen von einer Kennzeichnungspflicht für Produkte „made by AI“ bis hin zu einem „maison de l’éthique et de l’intégrité“, um Regierung und Chamber bei der Transition zu begleiten. Das Schlusswort jedoch, diesen Witz hat sich Corinne Cahen nicht nehmen lassen, hat dann doch ChatGPT geschrieben: „Die Zukunft der Künstlichen Intelligenz liegt in unseren Händen – lasst sie uns verantwortungsvoll gestalten, um Innovation und Menschlichkeit zu vereinen.“ Und das klingt genau so technoutopistisch, wie man es sich von einer KI erwartet hat.