Sonntag19. Oktober 2025

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FORMEL 1: „2011 um Siege fahren, 2012 um die WM“

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Tageblatt-Interview mit Gerard Lopez, Präsident von Renault F1

Gerard Lopez sorgt für Aufsehen. Zuletzt – indirekt – am vergangenen Dienstag, als die Fußball-Bombe von der möglichen Sensations-Fusion Fola – F91 platzte. Zufällig zu genau dem Moment, als sich das Tageblatt mit dem Escher zum Telefon-Interview über die Formel 1 verabredet hatte. / Claude Clemens

Zum Thema Fußball wollte sich der Präsident der Escher Fola in dem Moment nicht direkt äußern (siehe „T“ vom Mittwoch), für die Formel 1 nahm sich der Präsident von Renault F1 aber eine runde Dreiviertelstunde Zeit.

Denn auch damit hatte Lopez für Aufsehen gesorgt, sich bisher aber noch nie detailliert äußern wollen: Mit seinem Partner Eric Lux und der gemeinsamen Firma Genii Capital stieg der Vollblut-Geschäftsmann im Dezember 2009 bei Renault F1 ein.

Wohlgemerkt bei Renault F1, nicht bei Renault. Lopez und Lux übernahmen die Mehrheit der Formel-1-Firma mit Sitz im britischen Enstone. Die Motoren kommen nach wie vor aus dem Renault-Werk von Viry-Châtillon nahe Paris. Dieses Werk ist weiter eine hundertprozentige Tochter von Renault.

Der R30-Bolide und seine Konkurrenten drehen am Wochenende ihre ersten Runden in Europa, genauer gesagt in Spanien, Lopez Ursprungsland. Vor seinem dritten WM-Lauf live vor Ort als Rennstall-Präsident (nach Bahrain und Malaysia) sprach Gerard Lopez über seine Ziele in der Formel 1.

Mercedes angreifen

Tageblatt: Herr Lopez, Renault F1 hat nach den vier ersten Saisonrennen 46 Punkte, ist 5. der Konstrukteurswertung, belegte einen Podiumsplatz mit Robert Kubica in Australien als Zweiter: Wie fällt Ihre erste Zwischenbilanz als Präsident eines Formel-1-Rennstalls aus?
Gerard Lopez: „Positiv. Wir haben mehr Punkte als erwartet. Vom Speed her sind wir die Fünften, nahe dran an Mercedes, aber wohl zu weit weg von McLaren-Mercedes, Ferrari und Red Bull. Wir haben wahrscheinlich das aggressivste Entwicklungspaket aller Rennställe. Die beiden Piloten sind super, Robert Kubica blieb bis jetzt fehlerfrei, und Witali Petrow ist definitiv der beste Rookie in dieser Saison. Allgemein sind wir weiter als erwartet. Vielleicht gelingt es uns ab Mitte bis Ende der Saison dank des Autos aufs Podium zu fahren – und nicht dank Regen oder anderer Umstände. Dann wären wir im Plan …“

„T“: … der wie weitergehen soll?
G.L.: „2011 um Siege fahren, 2012 um die Weltmeisterschaft mitfahren. Es wäre natürlich schön, wenn es schneller ginge.“

„T“: Renault ist „best of the rest“ hinter den vier Top-Teams. Entspricht das also bis jetzt den Erwartungen?
G.L.: „Platz fünf war das Minimalziel. Mercedes ist auf jeden Fall angreifbar, nicht nur bei Regen. Und an die drei anderen wollen wir auch noch näher ran.“

„T“: Und der Name Michael Schumacher bei Mercedes schreckt sie auch nicht?
G.L.: „Auf keinen Fall.“

„T“: Sie haben die Weiterentwicklung bereits angesprochen. Der Europa-Auftakt markiert in dieser Hinsicht gewöhnlich eine erste Zäsur in der Saison, ab diesem Moment bringen viele Teams viele Neuerungen an den Start. Auch Renault?
G.L.: „Nein. Wir hatten Neuerungen in allen Rennen, es wird kein runderneuertes Auto oder ein Riesen-Package geben. Nur einen neuen Flügel vorne. Wir sind im Plan, wir wollten konstant schneller werden. Das erklärt zum Teil auch unsere Fortschritte und unsere guten Resultate. Im Rennen ist das Auto top, auf dem Niveau von Mercedes, nur in der Qualifikation fehlt noch ein bisschen.“

„T“: Vor der Saison meinten viele Experten, der Renault R30 würde etwas altbacken daher kommen. Was erwidern Sie denen nun?
G.L.: „Nichts, die Resultate sprechen für sich. Der R30 war von Anfang an ein schönes Auto, und in der Formel 1 sind schöne Autos in der Regel auch schnell. In den Tests vor der Saison war der R30 bewusst einfach, wir testeten ein Element nach dem anderen. Erst zum Saisonauftakt kamen alle Entwicklungen gemeinsam zum Einsatz.“

„T“: Was erwarten Sie sich nun für Ihr „Heimrennen“ am Sonntag?
G.L.: „Ich hoffe, beide Piloten kommen ins Ziel, und hoffentlich beide in den Punkterängen. So auf den Plätzen fünf bis acht. Alles andere wäre ein Bonus. Viel hängt natürlich vom Wetter ab, für die Qualifikation wird es wohl regnen. Das wird dann wieder eine Lotterie.“

Option für mehr

„T“: Kommen wir zurück zu Ihren Anfängen in der Formel 1. Sie haben mit Genii Capital die Mehrheit an Renault F1 übernommen. Die gerüchteweise genannte Zahl von 75 Prozent hat sich mittlerweile verselbstständigt. Wie viele Anteile hat Ihre Firma wirklich? Wie lange soll diese strategische Partnerschaft mit Renault dauern? Und hat Genii eine Option für den Kauf des ganzen Rennstalls?
G.L.. „Ich sage nicht mehr als: Wir haben die Mehrheit. Mit einer Option für mehr.“

„T“: Die wann gezogen wird?
G.L.: „Wenn möglich nie. Wir wollen einziges ‚privates Werksteam‘ der Formel 1 bleiben. Die Zusammenarbeit mit Renault klappt sehr gut.“

„T“: Vor allem in französischen Medien wurde oft die Darstellung benutzt, Renault sei quasi nur noch ein Motorenlieferant. Würden Sie das so bezeichnen?
G.L.: „Nein. Denn sonst wäre es auch vorher schon so gewesen. Ich würde sogar sagen, das Team ‚ist‘ mehr Renault als vorher, wegen all der geschäftlichen Verbindungen, die nun bestehen.“

„T“: Sie sind als diskret bekannt. Dass Sie und niemand anders Präsident von Renault F1 sind, musste man dem Nebensatz einer Pressemitteilung entnehmen. Kann man als Boss eines F1-Rennstalls noch diskret sein?
G.L.: „Doch, das geht. Es ist nur ein Job, keine Lebenseinstellung.“

„T“: Sie sind als diskret und medienscheu bekannt. Größere Interviews mit Ihnen las man aber beispielsweise schon in L’Equipe und La Dernière Heure, an RTL Télé Lëtzebuerg kommen Sie scheinbar nicht mehr vorbei. Bereuen Sie Ihre neue Rolle vielleicht schon?
G.L.: „Nein, wenn ich etwas von Berufs wegen sagen soll oder muss, ist das kein Problem. Aber der Mensch Gerard Lopez hat nichts mitzuteilen.“

„T“: Sie sind demnach der Chef. Ein Organigramm oder ähnliches von Renault F1 ist nicht aufzutreiben: Wer sitzt noch mit Ihnen in einem Direktorium oder Verwaltungsrat des Teams?
G.L.: „Eric Lux, Eric Boullier, Jean-François Caubet und Bob Bell.“ (d.Red: Lopez Partner bei Genii Capital – der Teamchef von Renault F1 – der Vertreter von Renault und vorheriger Generaldirektor von Renault F1 – der aktuelle Generaldirektor von Renault F1)

„T“: Und was ist mit Ihrem Vorgänger, Bernard Rey?
G.L.: „Der ist bei Renault verantwortlich für Renault Sport, also für alle sportlichen Aktivitäten.“

„T“: Wer vertritt Renault F1 beim Internationalen Automobilverband FIA?
G.L.: „Das ist verschieden je nach Instanz und Zuständigkeiten. In der FIA-F1-Kommission bin ich es. Eric Boullier ist unser Vertreter in der FOTA (Vereinigung der F1-Teams, d.Red.).“

Keine Mitläufer

„T“: Sie haben den Kampf um den WM-Titel bereits erwähnt: War dies von Beginn an das erklärte sportliche Ziel Ihres Formel-1-Einstiegs?
G.L.: „Ja. Wir wollen keine Mitläufer sein. Deshalb waren wir auch nicht an anderen Teams interessiert.“

„T“: Ihr Name tauchte aber auch immer wieder in Verbindung mit BMW-Sauber und Lotus auf. Stimmten diese Gerüchte denn?
G.L.: „Ja. Aber als klar war, dass Renault und damit quasi der Status eines Werksteams ‚möglich‘ war, war alles andere schnell vom Tisch.“

„T“: Nun ist die Formel 1 für Sie bekanntermaßen auch/vor allem eine Plattform für Geschäfte. Was ist das kommerzielle Ziel Ihres Formel-1-Einstiegs?
G.L.: „Finanziell eines der stärksten F1-Teams zu werden.“

„T“: Sie sollen gut befreundet sein mit Bernie Ecclestone, der „Big Boss“ der Formel 1. Hat er den Anstoß zu Ihrem F1-Engagement gegeben?
G.L.: „Ja. Ich kenne ihn seit Jahren.“

„T“: Gab Ecclestone auch den Anstoß, damit Genii Capital gemeinsam mit ihm bei der Übernahme von Saab mitbot?
G.L.: „(lacht) Nein, das war umgedreht, das war Genii Capital. Wir waren last minute kontaktiert worden. Wir erhielten aber nicht die nötigen Garantien, das Ganze wäre ‚halsbrecherisch‘ gewesen. Spyker war das egal, die kämpften selbst ums Überleben.“

Mehr als ein Team?

„T“: Immer noch in Verbindung mit Bernie Ecclestone: „Reicht“ Ihnen ein F1-Rennstall oder könnten Ihre Interessen irgendwann mal der Formel 1 ganz allgemein gelten?
G.L.: „Vielleicht.“

„T“: Sie fahren selbst gelegentlich Rennen. Ist der Einstieg in die Formel 1 ein Traum, der wahr geworden ist?
G.L.: „Ich werde jetzt wohl weniger Zeit haben, um Rennen fahren zu können. Da wäre es wohl besser gewesen, ich hätte das mit der Formel 1 bleiben lassen (lacht). Aber das hat nichts damit zu tun.“

„T“: Helfen Ihnen Ihre Erfahrungen als Pilot, die Formel 1 (besser) zu verstehen?
G.L.: „Das hilft sicherlich. Ich habe selbst auch schon F1-Autos gefahren …“

„T“: Was für welche?
G.L.: „U.a. Benetton-Renault, Ferrari. Es hilft einem nicht, Zeitunterschiede bis auf die letzte Zehntelsekunde zu verstehen. Aber es hilft, Entscheidungen zu verstehen. Das Ganze ist keine unbekannte Größe.“

„T“: Auf ein Rennwochenende bezogen: Ist die Formel 1 größer, anders, als Sie sich das vorgestellt hatten?
G.L.: „Ich kannte ja alles vorher schon, auch die meisten Akteure, dank Bernie Ecclestone. In dem Sinn war es nichts Neues. Ich habe jetzt nur andere Verantwortlichkeiten.“

„T“: Nach dem „Crash-Gate“ letzte Saison lag das Image des Renault-Rennstalls am Boden, auch sportlich war 2009 eher eine Katastrophe. Hat Sie das eigentlich nicht von der Übernahme abgeschreckt?
G.L.: „Nein, es war eine ‚opportunité‘, eine gute Gelegenheit. Es gab nichts zu verlieren, es konnte nur bergauf gehen.“

„T“: Bei den Tests vor der Saison war der R30 größtenteils einfach nur gelb. Dann kam Lada, wohl auch dank Petrow, dann HP, dann DIAC/RCI Banque. Also kein Imageproblem?
G.L.: „Als wir den Rennstall übernahmen, gab es kein Imageproblem mehr. Wir mussten nur noch die Leute überzeugen. Ich glaube, wir sind das einzige Team, das neue Sponsoren dazugewonnen hat.“

„T“: Das Engagement der Renault-eigenen RCI Banque, an sehr prominenter Stelle auf den Seitenkästen des Boliden visualisiert, gilt nur bis zum GP von Monaco. Welcher Sponsor wird der Nachfolger?
G.L.: „Es ist noch nichts entschieden. Wir haben Angebote.“

„T“: Wie viele? Von wem?
G.L.: „Drei Unternehmen wollen mit uns zusammenarbeiten.“

„T“: Sie sind ein Geschäftsmann mit einem übervollen Terminplan, sind in Luxemburg und der Welt „zu Hause“, ständig auf Achse. Wie machen Sie das, kommt Ihr Privatleben dabei nicht zu kurz?
G.L.: „Mein Leben ist so, seit ich 22/23 Jahre alt bin, seit ich mit der Uni fertig war und mein erstes Unternehmen gründete. Es ist eben so.“

„T“: Hätten Sie nicht mal gerne zehn Tage am Stück Ihre Ruhe?
G.L.: „Ich glaube, das wäre frustrierend. Es macht mir Spaß, es motiviert mich. Ich bin zufrieden, und ich bin zufrieden wie ich es mache.“

„T“: Auch jetzt, wo die Formel 1 noch zu Ihren Aktivitäten dazugekommen ist?
G.L.: „Firmen leiten ist mein Job. Es ist jetzt eine mehr, aber eigentlich nur eine Erweiterung von etwas Bestehendem. Die Formel 1 ist Plattform für andere Geschäfte.“

Fola vor Renault?

„T“: Haben Sie denn noch genug Zeit für „Ihre“ Fola, deren Präsident Sie schließlich sind? Beim Pokaltriumph am Wochenende gegen Düdelingen waren Sie ja mal anwesend …
G.L.: „Die Fola liegt mir enorm am Herzen. Ich versuche, mir die Zeit zu nehmen.“

„T“: Bekommt die Fola irgendwann auch noch „Konkurrenz“ vom Radsport?
G.L.: „Ich weiß nicht. Es steht jetzt nicht auf dem Programm. Wir sind von ein paar Teams kontaktiert worden. Aber Radsport steht nicht oben auf einer Prioritätenliste. Wenn es aber zur Ausrichtung einer unserer Firmen passt …“

„T“: Und die Gerüchte um die Gebrüder Schleck?
G.L.: „Da ist nichts dran. Ich kenne Herrn Rihs von Phonak her, aber da ist nichts dran.“

„T“: Was tritt eher ein: Fola wird Luxemburger Fußball-Meister oder Renault Formel-1-Weltmeister?
G.L.: „Beides miteinander (lacht). Aber ich denke, Fola ist als Erster an der Reihe.“

„T“: Was wäre denn schöner oder wichtiger für Sie?
G.L.: „Emotional die Fola. Geschäftlich die Formel 1.“

„T“: Im ersten Fall: Wegen Ihrer Verbundenheit zu Esch, „Ihre“ Stadt?
G.L.: „Esch ist meine Stadt und die Fola mein Verein. Obwohl die Escher Gemeinde das nicht so sieht.“

„T“: Wie viele Jahre spielten Sie in Ihrer Jugend eigentlich in der Fola? Und wie viele beim „Lallenger Basket“?
G.L.: „Sechs, sieben Jahre. Parallel spielte ich Basketball. Das während 14 Jahren, auch noch in den USA, weil ich eben besser im Basketball war.“

„T“: Ihr früher Einstieg via Mangrove Capital Partners beim Internet-Telefonanbieter Skype und der spätere, gewinnbringende Verkauf sind fast schon legendär. Wäre ein Erfolg im Sport schöner für Sie?
G.L.: „Geschäft ist weniger mit Emotionen verbunden. Ja, das wäre schöner.“

„T“: Abschließende Frage: Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen Sport und Business?
G.L.: „Nein (lacht). Wenn ich den Sport selbst ausübe, ja. Die Formel 1 ist Business, mit ein wenig Emotionen. Der Wille, erfolgreich zu sein, ist der Gleiche geschäftlich wie sportlich. Ich bin ein schlechter Verlierer. Es gibt also viele Gemeinsamkeiten.“