Dienstag23. Dezember 2025

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SerieFilm noir meets Science-Fiction: So überzeugend ist „John Sugar“

Serie / Film noir meets Science-Fiction: So überzeugend ist „John Sugar“
Gibt den Privatermittler: Colin Farrell in „John Sugar“ Quelle: imdb.com

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In der Apple TV+-Serie „Sugar“ spielt Colin Farrell einen undurchsichtigen Privatermittler, der das Verschwinden einer jungen Frau untersucht. Weniger an der kriminalistischen Handlung, als an seiner Hauptfigur interessiert, ist die Serie eine vorzügliche Hommage an den amerikanischen Film noir der Nachkriegszeit, dessen Wendung kontroverses Potenzial birgt.

„John Sugar“ setzt Colin Farrell als Privatermittler in Los Angeles in Szene: Er ist der titelgebende Privatdetektiv, der vom großen Filmproduzenten Jonathan Siegel (James Cromwell) angeworben wird, um das Verschwinden von dessen Enkeltochter Olivia zu untersuchen. Viel mehr enthält die Prämisse der neuen Apple TV+-Miniserie nicht.

Moderner Film noir

Zunächst ist sie als eine moderne Fassung des Film noirs der 1940er-Jahre konzipiert: In bester Noir-Manier werden hier Formspiele aus harten Licht-Schatten-Kontrasten, verkanteten und untersichtigen Einstellungen genutzt, um das Gefühl eines Realitätsverlustes zu illustrieren. Über den Voice-over-Kommentar berichtet Sugar immerzu raunend, wie er sich an die Gewalt und das Abstumpfen der Affekte gewöhnt hat. „All this violence … I’ve been doing this so long, now I’ve almost come to expect it“, meint er beiläufig, während er in seiner alten, himmelblauen Corvette möglichen Spuren folgt. Er erzählt ferner von seinen Schlafstörungen, den Alpträumen – die bekannten Noir-Stilmittel sind alle da, mehr noch aber bindet die Serie Originalaufnahmen dieser Filmklassiker in seine Handlung ein: Da gibt es „Sunset Boulevard“ (1950) oder noch „Double Indemnity“ (1944), „The Maltese Falcon“ (1941), „The Third Man“ (1949) und viele mehr – in einer eindrücklichen Montagesequenz werden so die Figuren dieser Filme zu Sugars Kollegen, sie ermitteln mit ihm, stellen die typischen Fragen, um der Auflösung des Geheimnisses näherzukommen. Der Serienschöpfer Mark Protosevich folgt dem Bild der Filmbranche von Los Angeles’ als ein verruchtes urbanes Milieu, ganz wie in Curtis Hansons düsterem „L.A. Confidential“ (1997), der eine maßgebliche Bezugsquelle darstellt. Es ist ein Moloch, in dem John Sugar der einzig moralische Anker zu sein scheint.

Zweite Staffel geplant

Doch auch die von Colin Farell undurchsichtig angelegte Figur ist kein wahrer Fixpunkt, denn je näher die Serie sich auf die narrative Auflösung um das vermisste Mädchen zubewegt, desto mehr versperrt sie sich dem Publikum. Es wirkt beinahe so, als sei sich der Drehbuchautor Protosevich der Formelhaftigkeit kriminalistischer Erzählungen derart bewusst, dass er seinen ‚plot twist‘ ganz unvermittelt, willkürlich und nahezu provokativ in seinem letzten Erzählabschnitt freisetzt. Ohne Umschweife nimmt „Sugar“ plötzlich die Genremuster der Science-Fiction auf, deutet seinen Privatermittler nicht mehr als den desillusionierten und hartgesottenen Individualisten aus dem literarischen Stoff eines Raymond Chandler oder Dashiell Hammett, sondern als Figur einer größeren, übernatürlichen Gesellschaftsordnung. Wie sich aber dieses Blending aus Noir-Welt und Science-Fiction zu einer wahrhaften Aussagekraft entwickeln will, bleibt abzuwarten.

Eine zweite Ausgabe der Serie wurde bereits angekündigt. Die Kombination aus Noir-Elementen und Science-Fiction ist nicht neu, „Blade Runner“ (1981) gilt als das konzeptuell prototypische Beispiel – doch in „Sugar“ finden die Wesenszüge des ‚plot twists‘ und des seriellen Erzählens auf eher unmotivierte und kontroverse Weise zusammen. Für die einen präsentiert sich die Erzählwendung so als überaus frustrierendes Erlebnis: Es sei ein unverdienter Weg, um Aufmerksamkeit zu erregen und dem Publikum einen Schockmoment abzugewinnen – ferner gar ein Trick, die erzählerischen Antworten auf weitere Folgen hinauszuzögern. Für andere wiederum liegt darin ein subversives Potenzial. Dem Serienpublikum, dessen Blick für das serielle Erzählen, die langsame Entfaltung der Ereignisse, unerwartete Spannungsbögen und Cliffhanger geschult sei, erscheine eine derartige Wendung geradezu recht.