Dienstag23. Dezember 2025

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EditorialFeudalistische Familienmoral:  An die Erbschaftssteuer traut sich in Luxemburg (fast) keine Partei

Editorial / Feudalistische Familienmoral:  An die Erbschaftssteuer traut sich in Luxemburg (fast) keine Partei
DP-Fraktionspräsident Gilles Baum, DP-Vize-Premier Xavier Bettel und CSV-Premier Luc Frieden Ende Oktober im Parlament Foto: Editpress-Archiv/Fabrizio Pizzolante

Damit „jeder die gleichen Chancen hat und gleich besteuert wird“, individualisieren CSV und DP die Einkommenssteuer. Schwerer auf den sozialen Ungleichheiten als das Einkommen wiegt aber das Vermögen. Wird es in direkter Linie vererbt, fällt in Luxemburg keine Steuer an. Diese feudalistische Familienmoral zu ändern, traut sich (fast) keine Partei.

Am 6. Januar wird CSV-Finanzminister Gilles Roth seinen Gesetzentwurf zur Individualisierung der Einkommenssteuer erst dem parlamentarischen Finanzausschuss und danach der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz vorstellen. Damit die CSV-DP-Regierung sich von der ADR nicht vorhalten lassen muss, sie mache eine Steuerreform „géint d’Famill“, stellt sie am 6. Januar unter dem Slogan „Mateneen. Fir all Famill. Fir all Kand“ gleich ein ganzes Maßnahmenpaket vor. Zusätzlich zur Individualbesteuerung enthält es eine geringfügige Erhöhung des „Kannergeld“ und die „Harmonisierung“ der „Chèques service accueil“ – beide Maßnahmen stehen schon im Aktionsplan zur Armutsbekämpfung, den Claude Meisch und Max Hahn vor zwei Wochen vorgestellt hatten. Die beiden DP-Minister werden bei der Pressekonferenz am 6. Januar genauso dabei sein wie Luc Frieden. Der CSV-Premier hatte in Interviews wiederholt für die „familienfreundliche Steuerreform“ seiner Regierung geworben.

Die Individualisierung der Einkommenssteuer ist politisch heikel. Die LSAP war schon vor 25 Jahren dafür, die DP seit 2009. Gemeinsam in der Regierung (mit den Grünen) waren sie die Reform jedoch nicht angegangen, weil sie angeblich zu teuer geworden wäre. Gilles Roth ersetzt nun die drei aktuellen Steuerklassen durch eine einheitliche, die den Arbeitstitel R (wie Reform oder Roth) trägt und die heutige Klasse 1a zur Grundlage hat. Die dadurch entstehenden Ausfälle von rund 850 Millionen Euro sollen durch Steuererhöhungen ausgeglichen werden: Bis 2028 wird die Steuertabelle nicht mehr an die Inflation angepasst.

Jeder soll künftig gleich besteuert werden, egal, ob er verheiratet, gepacst, geschieden oder ledig ist. Die Individualbesteuerung sei ein Kernstück sozialliberaler DP-Politik, sagte deren Fraktionspräsident Gilles Baum vergangene Woche im Parlament: „Dass jidderee soll gläich Chancen hunn, dass jidderee soll gläich behandelt ginn an dass och jidderee soll gläich besteiert ginn.“ Das beinhalte auch, dass niemandem „eppes ewechgeholl gëtt“. Deshalb sollen Steuerzahler nach Inkrafttreten der Reform noch 25 Jahre freiwillig in Steuerklasse 2 bleiben dürfen. Diese Übergangsregelung kommt insbesondere verheirateten und gepacsten Paaren zugute, bei denen der eine viel, der andere wenig oder nichts verdient. Allerdings soll die Übergangsregelung nur für Paare gelten, die schon vor Inkrafttreten der Reform verheiratet oder gepacst sind. Das schafft neue Ungleichheiten gegenüber Paaren, die erst nach Inkrafttreten der Reform eine Ehe oder eingetragene Partnerschaft eingehen. In der jüngsten Ausgabe der von der Uni Luxemburg herausgegebenen „Cahiers de fiscalité luxembourgeoise et européenne“ stellt der Anwalt (und LSAP-Politiker) Max Leners die Verfassungsmäßigkeit dieser Übergangsregelung infrage: Sie verstoße womöglich gegen den Gleichheitssatz, der auch in Steuerfragen gelte.

Bei einer anderen Steuer-Ungerechtigkeit bleibt die feudalistische „Familienmoral“ jedoch weiterhin ausschlaggebend, wie ein Beitrag des Ökonomen Michel-Edouard Ruben (von der Fondation Idea asbl.), ebenfalls in den „Cahiers“, zeigt: die Abwesenheit einer Erbschaftssteuer in direkter Linie (die außer der Linken jede ins Parlament gewählte Partei ablehnt). Vermögen ist deutlich ungleicher verteilt als Einkommen, Kinder reicher Eltern haben wesentlich bessere Startchancen. Die Idee eines unveräußerlichen Rechts der Eltern, ihren Kindern das, was sie im Laufe ihres Lebens angesammelt (und häufig selbst schon geerbt) haben, ohne Abzüge weitergeben zu können, bedeute, einen Haushaltsausfall zu akzeptieren – in dem Glauben an die Idee, dass die Nachkommen, die lediglich Gewinner einer „Eierstock-Lotterie“ sind, es „verdienen“, ein Vermögen zu erhalten, zu dessen Aufbau sie nicht beigetragen haben, schreibt Ruben. Vor diesem Hintergrund erhält Gilles Baums Bekenntnis, die DP sorge dafür, dass jeder die gleichen Chancen haben und gleich besteuert werden soll, eine ganz andere Bedeutung.